Fiat: Abwanderungspläne in die USA:Ganz Italien gegen den Rambo

Fiat-Chef Sergio Marchionne spielt schon wieder mit Abwanderungsgedanken in die USA. Ganz Italien fühlt sich verraten, denn erst vor wenigen Wochen sind die Gewerkschaften dem Konzernchef weit entgegengekommen.

Sergio Marchionne ist für sein schneidiges Auftreten bekannt, doch nun könnte der Fiat-Chef überzogen haben: Ganz Italien empört sich über den Italo-Kanadier, weil er in einer Rede angekündigt hat, dass Fiat mit dem Kooperationspartner Chrysler verschmolzen werden könnte. Der Sitz des fusionierten Unternehmens werde gegebenenfalls von Turin in die USA verlegt, so der 58-Jährige weiter.

Chrysler

Sieht sich vielen Fragen ausgesetzt: Fiat-Chef Sergio Marchionne.

(Foto: AP)

Die Äußerungen lösten in Italien einen Aufschrei der Empörung aus. Denn erst vor einem Monat hatte die Belegschaft deutliche Zugeständnisse bei den Arbeitsbedingungen im Fiat-Stammwerk in Turin gemacht. Im Gegenzug hatten sie Marchionne das Versprechen abgerungen, keine Kapazitäten von Turin an billigere Produktionsstandorte in den USA oder in Osteuropa zu verlegen. Damit hatte Marchionne offen gedroht, falls die Arbeitnehmerseite nicht zu den Konzessionen bereit sei.

Insofern wirken die jüngsten Äußerungen Marchionnes wie Verrat. Die Chefin des stärksten italienischen Gewerkschaftsverbands CGIL, Susanna Camusso, verlangte von der Regierung Berlusconi, bei Marchionne auf eine Klärung seiner Pläne zu dringen.

"Eine Verlegung Fiats in die USA wäre unannehmbar"

Denn dessen Aussagen klingen für den Standort Italien äußerst gefährlich: "Fiat und Chrysler könnten in zwei oder drei Jahren ein einziges Unternehmen mit Sitz in den USA werden. Die beiden Unternehmen überprüfen mögliche Alternativen und Szenarien", betonte Marchionne bei einer Rede. Wichtig sei jetzt, das Produktionssystem zu integrieren, danach werde die Unternehmensstruktur auf den Prüfstand gestellt, hatte der Fiat-Boss erklärt.

Die Perspektive, dass Fiats Hauptverwaltung von Turin nach Detroit verlegt werden könnte, löste auch in Oppositionskreisen des Landes Verärgerung aus. "Eine Verlegung Fiats in die USA wäre unannehmbar", protestierte die stärkste italienische Oppositionspartei PD (Demokratische Partei).

Die Wogen der Empörung schlugen so hoch, dass Fiat sogleich bemüht war, sie zu glätten. Aufsichtsratschef John Elkann versicherte Turins Bürgermeister Sergio Chiamparino, dass die piemontesische Metropole auch nach einer etwaigen Fusion mit Chrysler als Standort der Europa-Zentrale eine wichtige Bedeutung für den Konzern behalten werde. Zuvor hatte Chiamparino der regierungskritischen Tageszeitung La Repubblica gesagt, dass ein Umzug der Fiat-Hauptverwaltung in die USA inakzeptabel sei.

Nach dem Gespräch mit Elkann sagte Chiamparino, dass der fusionierte Fiat-Chrysler-Konzern künftig vier Verwaltungszentren in allen wichtigen Erdteilen aufbauen wolle. Im Gespräch seien dabei Turin und Detroit für Europa und Nordamerika sowie ein Verwaltungszentrum in Brasilien und eines in Asien.

Ikone des Industrielandes Italien

Auch die Regierung versuchte die aufgebrachten Gemüter zu beschwichtigen: Arbeitsminister Maurizio Sacconi beteuerte nach einem Telefonat mit Marchionne, dass absolut noch nichts über Fiats Fusion mit Chrysler beschlossen worden sei. Am Standort Turin seien keine Veränderungen des Managements geplant, sagte Sacconi.

Der Aufruhr begründet sich durch die besondere Bedeutung, die Fiat als Symbol der Industrienation Italien genießt. Sollte der Konzern seine Präsenz auf der Apenninhalbinsel tatsächlich deutlich reduzieren, so hätte das nach allgemeiner Einschätzung katastrophale Auswirkungen auf das ohnehin schon schwache Image des Landes als attraktiver Ort für ausländische Direktinvestitionen.

Insofern war die Erleichterung groß, als Fiat unlängst große Investitionen in Turin zur künftigen Produktion des neuen Chrysler-Jeeps in Aussicht stellte. Dafür verlangt Marchionne von der Belegschaft flexiblere Verträge, längere Arbeitsschichten und kürzere Pausen. Bei einer Befragung vor drei Wochen hatte die Fiat-Belegschaft in Turin mit knapper Mehrheit dem neuen Vertrag zugestimmt. Für die Zugeständnisse der Gewerkschaften will das Unternehmen insgesamt 20 Milliarden Euro in die Standorte seines Heimatlandes stecken.

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