Süddeutsche Zeitung

Feurwehrleute: Heiß auf Gewerkschaft:Mal brandgefährlich sein

Die Feuerwehrleute wollen eine eigene Gewerkschaft haben. Die Tarifparteien sind in heller Aufregung - ein Streik könnten ganze Betriebe stilllegen.

Thomas Öchsner

Ingo Schäfer ist seit mehr als 20 Jahren bei der Solinger Berufsfeuerwehr und ein Mann der klaren Worte. "Die etablierten Gewerkschaften tun nichts für uns", sagt er. Und bei den Politikern seien die hauptamtlichen Feuerwehrmänner "in Vergessenheit geraten".

Damit aber soll möglichst schon in diesem Jahr Schluss sein. Schäfer ist gerade dabei, für die knapp 100.000 Berufs-, Werks-, Betriebs-, und Flughafenfeuerwehrleute eine eigene Gewerkschaft zu gründen - und versetzt damit die Arbeitgeber in helle Aufregung. "Betriebsfeuerwehren könnten künftig ganze Konzerne stilllegen", warnt der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt.

Noch kann es bis dahin ein bisschen dauern. Aber Schäfer und seine Mitstreiter sind mit ihrem historischen Vorhaben schon weit gekommen. Satzung und Geschäftsordnung der neuen Fachgewerkschaft sind bereits bei einem Rechtsanwalt in Arbeit. "Wir hoffen, noch 2010 die Gründung unter Dach und Fach zu bringen", sagt er.

Arbeiten, wenn andere feiern

An Gefolgsleuten dürfte es Schäfer nicht fehlen. Er ist Vorsitzender der Interessenvertretung der Feuerwehr (IdFw), die sich gerade mit dem Berufsverband Feuerwehr (BVF) verbindet, um die Gewerkschaft ins Leben zu rufen. Beide Gruppierungen bringen es zusammen auf 2000 Mitglieder. Und die haben offenbar schon länger das Gefühl, dass ihre Tätigkeit nicht richtig honoriert wird.

Schäfer zum Beispiel ärgert sich nicht nur über tarifliche Nullrunden, die Streichung des Urlaubsgeldes und Kürzungen beim Weihnachtsgeld. Er ist auch davon überzeugt, dass die vielen freiwilligen Dienste an Wochenenden und an Abenden, etwa bei Konzerten oder in Fußballstadien, zu schlecht bezahlt sind.

"Wenn die Leute feiern, sind wir am Arbeiten", sagt Schäfer. Doch die speziellen Interessen der Feuerwehrleute gingen bei den großen Gewerkschaften wie Verdi und dem Deutschen Beamtenbund unter.

Trend geht zur Berufsfeuerwehr

Die Feuerwehrmänner folgen damit einem Trend. Immer häufiger treten in Deutschland sogenannte Berufsgewerkschaften auf. Zum Beispiel haben sich Krankenhausärzte, Piloten, Lokführer oder Fluglotsen entsprechend organisiert. Arbeitgeberpräsident Hundt fürchtet deshalb bereits "englische Verhältnisse".

In Großbritannien hatte die Konkurrenz unter den Gewerkschaften zu permanenten Arbeitskämpfen geführt, bis die "eiserne Lady", die damalige Regierungschefin Margaret Thatcher, die Macht der Gewerkschaften brach.

Hundt und DGB-Chef Michael Sommer machen sich deshalb gemeinsam dafür stark, die Tarifeinheit neu zu regeln. Bislang gilt in Unternehmen das Prinzip "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag." Das wollen Arbeitgeber und Gewerkschaft nun gesetzlich absichern. Demnach soll in einem Betrieb immer der Tarifvertrag Vorrang haben, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb abgeschlossen hat.

Streikkasse steht bereit

Auslöser für diese Initiative ist die Ankündigung des Bundesarbeitsgerichts, seine Rechtsprechung zur Tarifeinheit zu lockern, so dass sich die Tore für neue Spartengewerkschaften weiter öffnen könnten.

Feuerwehrmann Schäfer lässt sich von den mächtigen Lobbyisten in Berlin jedoch nicht beirren. "Wir wollen keine englischen Verhältnisse und keine Krawallgewerkschaft", sagt er. Er weist auch darauf hin, dass die meisten hauptamtlichen Feuerwehrmänner Beamte sind, die gar nicht streiken dürfen.

Das schließe aber nicht aus, dass die neue Feuerwehrgewerkschaft irgendwann in der Lage sein werde, auf einem privaten Flughafen oder im Werk eines großen Unternehmens zu streiken und damit den Betrieb lahmzulegen. "Eine Streikkasse", sagt Schäfer, "haben wir bereits gegründet".

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Quelle:
SZ vom 19.06.2010/stl/hgn
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