Ferrostaal-Chef Mitscherlich:Der Feingeist muss gehen

Matthias Mitscherlich, Sohn des berühmtesten Psychoanalytiker-Ehepaares und Ferrostaal-Chef, ist abberufen worden. Er war wegen einer Korruptionsaffäre in die Kritik geraten.

Wenn Matthias Mitscherlich im Büro aufstand, hatten ihn seine Mitarbeiter direkt vor Augen: Der Chef des 4400-Mitarbeiter-Konzerns legte keinen Wert auf Statussymbole. Sein Schreibtisch stand mit vielen anderen zusammen im Großraumbüro. Und Mitscherlich überragte mit seinen weit über 1,80 Meter die Bürotrennwände bequem.

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Ein ungewöhnlicher Konzernchef: Matthias Mitscherlich, Sohn der berühmten Psychoanalytiker Margarete und Alexander Mitscherlich, verliert seinen Job bei der Essener Ferrostaal.

(Foto: Foto: dpa)

Jetzt muss der schlaksige 61-jährige seinen Arbeitsplatz räumen: Angesichts der Schmiergeldermittlungen gegen rund ein Dutzend Ferrostaal-Mitarbeiter - darunter auch Mitscherlich selbst - hat der Aufsichtsrat das Vertrauen verloren.

Matthias Mitscherlich ist der Sohn des berühmten Psychoanalytiker- Paares Margarete und Alexander Mitscherlich. Deren Buch "Die Unfähigkeit zu trauern" kannte eine Zeitlang jeder Gymnasiast.

Intellektuelles Elternhaus

Mitscherlichs intellektuelles Elternhaus hat deutliche Spuren hinterlassen: Der groß gewachsene Manager im schlichten schwarzen Anzug mag kein Machotum und lautstarkes Gehabe. Er spricht klar, aber eher leise und lächelt dazu oft so hintergründig, dass das Managermagazin sich an buddhistische Mönche erinnert fühlt.

Mitscherlich ist begeisterter Klassikfreund. Vom Besuch der Essener Philharmonie hält ihn auch die aktuelle Krise nicht ab - selbst wenn ihm dabei neugierige Blicke folgen.

Knallhartes Geschäft

Bei aller intellektueller Ausstrahlung ist das Geschäft des promovierten Feingeistes allerdings knallhart: Mitscherlichs Firma Ferrostaal gilt traditionell als Exportdrehscheibe der deutschen Industrie auch für "schwierige Fälle": Wer Schiffe, Lastwagen oder ganze Fabriken in Länder Afrikas oder Mittelamerikas mit nicht ganz lupenreinem Ruf verkaufen will, ruft vorher in Essen an und fragt nach den Kontakten von Ferrostaal.

Die Leistungen solcher "Berater" und Ansprachpartner im fernen und gelegentlich nur bedingt demokratischen Ausland wurden hoch honoriert - zu hoch, meint die Münchner Staatsanwaltschaft. Sie zweifelt Medienberichten nach "verdächtige Zahlungen" von insgesamt 180 Millionen Euro an.

In den komplizierten Ermittlungen mit Bergen von Akten gibt es Vorwürfe unter anderem wegen eines U-Boot-Geschäfts mit Griechenland seit 2000, bei dem mehr als 80 Millionen Euro Beraterhonorar geflossen sein sollen. Im Sommer 2009 und Ende März dieses Jahres durchsuchten Fahnder die Essener Ferrostaal-Zentrale. Dabei fiel ihnen nach den Berichten auch eine von Mitscherlich akzeptierte Elf- Millionen-Überweisung an Berater aus der Karibik in die Hände - nach Auffassung der Staatsanwaltschaft möglicherweise Schmiergeld.

Vom Unternehmen und der Staatsanwaltschaft gibt es zu den konkreten Vorwürfen keinerlei Stellungnahme. Mitscherlich hat aber in der Vergangenheit den Vorwurf von Schmiergeldzahlungen in seinem Unternehmen mehrfach zurückgewiesen. Der Bezahlung von Beratern müsse immer eine Gegenleistung gegenüberstehen, ist seine Position.

Kontroversen mit dem Aufsichtsratschef

Dieses Verhältnis justiziabel zu beurteilen, dürfte aber bei Großaufträgen in fernen Ländern stets schwer fallen - wer weiß schon, wie viel Einfluss der jeweilige Berater tatsächlich hat? Insider kritisieren außerdem, dass der mutmaßliche Kronzeuge der Staatsanwaltschaft selbst wegen Untreue-Verdachts in Untersuchungshaft sitzt und dass sich seine Vorwürfe in einigen Details bereits als falsch erwiesen hätten. Vielleicht gehe es diesem Ex-Ferrostaal-Mann auch schlicht um Rache, wurde gemutmaßt.

Zum Verhängnis ist Mitscherlich offenbar der Eindruck geworden, bei der Aufklärung der Affäre "gemauert" zu haben: Er soll im Herbst 2009 ein frühes Vergleichsangebot der Staatsanwaltschaft abgelehnt und bei den Untersuchungen stets gebremst haben. Das führte dem Vernehmen nach zu heftigen Kontroversen mit Aufsichtsratschef Georg Thoma, einem Anwalt aus Düsseldorf.

Für ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell wesentlich auf Vertrauen und Kontakten beruht, ist eine monatelange Schmiergelddebatte Gift. Der Abu Dhabi-Staatsfonds IPIC - seit März vergangenen Jahres 70-Prozent-Eigentümer von Ferrostaal - soll schon über eine Rückabwicklung des Geschäfts nachdenken. Die fest eingeplante Übernahme der noch fehlenden 30 Prozent von MAN wurde jedenfalls erst mal auf die lange Bank geschoben.

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