Ferrero:Süße Überraschung

Ferrero: Chef wider Willen: Nach dem Tod seines Bruders übernahm Giovanni Ferrero alleine die Leitung des Konzerns. Er hatte eigentlich andere Pläne.

Chef wider Willen: Nach dem Tod seines Bruders übernahm Giovanni Ferrero alleine die Leitung des Konzerns. Er hatte eigentlich andere Pläne.

(Foto: Giuseppe Cacace/AFP)

Der Nutella-Hersteller erhöht das Tempo und geht auf Firmenjagd: Konzernerbe Giovanni Ferrero bricht mit einigen Traditionen.

Von Ulrike Sauer, Rom

Giovanni Ferrero, 51, widerfährt ein merkwürdiges Schicksal. Es ist, als lebe der Nutella-Erbe das Leben eines anderen. Der Spross der norditalienischen Schoko-Dynastie steht seit 2011 an der Spitze des Süßwarenkonzerns Ferrero. Eine Rolle, die seinem Bruder Pietro auf den Leib geschneidert war, bis er vor fünf Jahren in Südafrika tödlich verunglückte. Der Stab ging an Giovanni, den Schöngeist der Familie und Romanautor.

Im Hintergrund wachte bis vor 18 Monaten der Übervater Michele Ferrero über das Milliardengeschäft des weltweit viertgrößten Herstellers von süßem Naschzeug. Der Konzernpatriarch hatte bis zu seinem Tod im Februar 2015 nie ein Interview gegeben. Entsprechend wild rankten sich Legenden um den Schokoladen-Tüftler, die von seinen Experimenten im Labor erzählten und seinen Inkognito-Ermittlungen zwischen den Supermarktregalen.

Neue Produkte werden nun schneller entwickelt

Nun macht das Unternehmen aus Alba, das im Mai sein 70. Firmenjubiläum feierte, mit beherztem Wandel von sich reden. Nach dem Ableben des Vaters ging Giovanni Ferrero auf Firmenjagd und übernahm den britischen Schokoladenhersteller Thorntons. Mit 300 Millionen Euro Umsatz ist Thorntons eine kleine Nummer, doch der Kauf wirkt wie ein Fanal. Zwei Monate zuvor hatte Ferrero Italien bereits mit einer Ankündigung überrascht. "Jede Generation muss neue Grenzen ausloten und möglichst die Säulen des Herakles überwinden", sagte er bei der Weltausstellung in Mailand. Eine sehr poetische Wortwahl, um den Bruch mit der Vergangenheit mitzuteilen. Ferrero zitierte den griechischen Dichter Pindar, demzufolge Herakles am Ausgang des Mittelmeeres bei Gibraltar die Inschrift "Non plus ultra" ("Nicht mehr weiter") anbrachte, um das Ende der Welt zu markieren.

Das Unternehmen Ferrero war bis dahin aus eigener Kraft gewachsen. Vor sechs Jahren hatten die Ferrero-Söhne auf ein Übernahmeangebot für den britischen Konkurrenten Cadbury verzichtet, der dann für elf Milliarden Euro an den US-Konzern Kraft ging. Der Senior hatte sich offenbar gesperrt. Nun erhöht der Sohn das Tempo. Ferrero halbierte innerhalb der vergangenen 18 Monate die Entwicklungszeit für neue Produkte. Die schleppende Einführung neuer Naschereien galt seit Langem als Problem. Der neue Chef verpasste dem Konzern eine neue Struktur mit vier eigenständigen Gesellschaften: für Produktion, Marketing, Management und Technik. Ausländische Manager wurden angeheuert. Giovanni Ferrero kam vereinzelt sogar mit Interviews aus der Deckung. Die Gesprächigkeit hält sich allerdings in Grenzen. Fragen des Wall Street Journals etwa beantwortete der Ferrero-Chef jetzt schriftlich per E-Mail. Da lesen sich dann solche Sätze: "Die Tradition ist wie ein Bogen, und je stärker wir ihn spannen, desto weiter können wir die Pfeile der Modernität und der Innovation schießen."

Ferrero wird seinen Bogen kräftig spannen müssen. Die Schokoladenindustrie steht unter Konsolidierungsdruck, die Umsätze mit Süßigkeiten gehen zurück. Der Branchenzweite Mondelez hat ein feindliches Übernahme-Angebot an den US-Konkurrenten Hershey lanciert. Ferrero macht derweil noch gute Geschäfte mit den 26 Hausmarken, darunter Nutella, Überraschungseier, Tic Tac, Ferrero-Küsschen, Hanuta, Mon Chéri, Duplo, Kinderschokolade, Milchschnitten und Pocket Coffee. Der Umsatz stieg im Bilanzjahr 2014/15 (31. August) um 13,4 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro. Im laufenden Geschäftsjahr wird die Zehn-Milliarden-Marke übertroffen. In zehn Jahren will Ferrero den Umsatz verdoppeln - vor allem auf dem amerikanischen Markt.

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