Süddeutsche Zeitung

Stadtwerke:Staatsanwaltschaft prüft Fernwärme-Preise in Wuppertal

Versorger in ganz Deutschland erhöhen gerade die Preise für Fernwärme. Im Fall der Wuppertaler Stadtwerke gehen Ermittler nun der Frage nach, ob das Betrug sein könnte.

Von Nakissa Salavati

Die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) fallen gerade besonders auf: Vor zwei Jahren kostete Fernwärme noch um die vier Cent inklusive Mehrwertsteuer, nun sind es etwas mehr als 46 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Eine Preissteigerung von etwa 1000 Prozent. Fragt sich: Ist das rechtens oder sind die Fernwärme-Preise überhöht?

Nachdem die Süddeutsche Zeitung und die ARD über den Fall berichtet hatten, prüfe die Staatsanwaltschaft Wuppertal nun, ob ein Verfahren eingeleitet wird, sagte Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert auf Anfrage: "In die Prüfung einbezogen werden auch die Straftatbestände des gewerbsmäßigen Betruges sowie des Subventionsbetruges." Die Wuppertaler Stadtwerke äußerten sich auf Anfrage ebenfalls zur Prüfung der Staatsanwaltschaft: Etwaige Ermittlungen "werden die WSW selbstverständlich vollumfänglich und transparent unterstützen", hieß es. Man verstoße nicht gegen entsprechende Vorschriften, der Vorwurf des Subventionsbetrugs sei "schlichtweg falsch". Wenn eine Staatsanwaltschaft Ermittlungen prüft oder auch ermittelt, ist damit noch nicht geklärt, ob tatsächlich Verstöße begangen wurden.

In diesem Fall bezieht sich die Prüfung eines möglichen gewerbsmäßigen Betrugs auf die Preisbildung der Wuppertaler Fernwärme. Wollen Versorger den Preis für Fernwärme erhöhen, müssen sie eine Formel entwickeln, auf deren Basis sie die Arbeitspreise regelmäßig neu berechnen. In Wuppertal liegt dieser Arbeitspreis bei derzeit 46,35 Cent je kWh inklusive Mehrwertsteuer. Die Versorger müssen in der Preisformel ihre Kosten für die Energie so berücksichtigen, dass diese sich auch an der tatsächlichen Zusammensetzung der Fernwärme orientieren. Ein Versorger dürfte also nicht zum größten Teil einen günstigen Brennstoff nutzen, aber zu 100 Prozent einen anderen, teuren abrechnen.

Vorwurf "schlichtweg falsch"

Die Wuppertaler Stadtwerke beziehen die Fernwärme vor allem aus der Abwärme einer Müllverbrennung. In der Formel spielt das aber keine Rolle, diese bezieht sich alleine auf einen Gaspreisindex - und dort sind die Preise gerade zum Jahreswechsel stark gestiegen. Die Wuppertaler Stadtwerke begründen das damit, dass sie Dampf von den Abfallbetrieben einkaufen und sich der Preis dafür ebenfalls nach dem Gaspreis richte. Außerdem müssen Versorger in ihrer Preisklausel nicht nur die eigenen Kosten, sondern ähnlich gewichtet auch insgesamt die Wärmepreise in Deutschland einbeziehen. Dabei orientieren sich die WSW ebenfalls nur am Gasmarkt.

Nun ist es so, dass Kunden der Wuppertaler Stadtwerke für den Großteil ihres Verbrauchs nicht den vollen Arbeitspreis von etwas mehr als 46 Cent zahlen, sondern nur 9,5 Cent - schließlich gilt die Energiepreisbremse. Der Staat zahlt den Versorgern die Differenz aus, in dem Fall sind das etwa 36,5 Cent pro kWh. Der Verdacht des Subventionsbetrugs kommt dann auf, wenn Versorger Staatsgeld kassieren, das ihnen möglicherweise nicht zusteht, zum Beispiel weil sie die Preise ungerechtfertigt erhöht haben.

Die Fernwärmepreise in Wuppertal sind kein Einzelfall, auch andere Versorger haben stark erhöht. Die Verbraucherzentrale etwa prüft eine Musterklage gegen Eon, weil sie glaubt, dass die Preiserhöhungen nicht rechtens sind und sucht betroffene Kunden.

Wer eine Gasheizung nutzt, kann zu einem günstigeren Anbieter wechseln, es herrscht Konkurrenz. Fernwärme-Kunden dagegen haben diese Möglichkeit nicht, die Versorger sind in ihrer Region Monopolisten und beliefern Kunden, die in ihren Miet- oder Eigentumswohnungen keine alternative Wärmeversorgung haben. Fernwärme hat aber auch große Vorteile: Nicht jedes Haus braucht eine eigene teure Heizung, sondern nutzt die Abwärme aus einem Kraftwerk, die sowieso entsteht. Das ist klimafreundlich und eignet sich in Städten besonders gut.

Anmerkung der Redaktion: Gemäß Presseerklärung vom 27.07.2023 hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal nach intensiven Vorermittlungen die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens abgelehnt. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für etwaig begangene Straftaten (etwa gewerbsmäßiger Betrug, Subventionsbetrug oder Wucher) lagen laut der Pressemitteilung nicht vor. Die Staatsanwaltschaft betonte, Gegenstand ihrer Prüfung sei allein gewesen, ob ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten war. Ob die berechneten Fernwärmepreise angemessen sind, war von ihr nicht zu entscheiden."

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