TV-Geräte:Achtung, Ihr Fernseher beobachtet Sie

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Moderne TV-Geräte sind Computer, die sehr viel mehr können, als nur Bilder anzuzeigen. (Foto: imago images/MASKOT)

Moderne Smart-TVs machen ständig Bildschirmschnappschüsse, um zu erfahren, was wann geguckt wird. Wozu das gut sein soll und wie es sich verhindern lässt.

Von Helmut Martin-Jung, München

Ihr Fernsehhersteller weiß mehr über Sie, als Sie denken. Und natürlich hat das mit Geld zu tun. Viel Marge haben die Hersteller beim herrschenden Preiskampf nicht mehr. Also warum nicht Daten sammeln, selbst nutzen oder sogar verkaufen? In welchem Maß Daten abfließen und welche, das haben europäische Forscher vor Kurzem in einer Studie offengelegt.

Moderne Fernseher haben mit den Röhrengeräten von früher eigentlich nur eines gemein: Sie zeigen Bewegtbild – das aber in erheblich besserer Qualität. Im Prinzip handelt es sich bei heutigen TV-Geräten um Computer, die auf diese Spezialaufgabe hin optimiert worden sind. Computer können aber noch viel mehr als einfach nur Bilder zeigen, und die Hersteller nutzen das.

Alle paar Millisekunden erfassen moderne Fernseher den Bildschirminhalt und gegebenenfalls den Ton dazu und verarbeiten das zu einem Hash – also einer Art digitalem Fingerabdruck. Die Hashes werden gesammelt und in regelmäßigen Abständen – alle paar Sekunden oder jede Minute – an Server der Hersteller gesendet. Dort werden die Fingerabdrücke mit Datenbanken von Filmen und Serien verglichen.

Automatic Content Recognition, kurz ACR, heißt dieses Verfahren, automatische Inhaltserkennung. Gibt es einen Treffer, wissen die Hersteller und gegebenenfalls deren Kunden, was zu einer bestimmten Zeit über den Bildschirm lief. War es eine kritische Doku auf Arte, der ARD-Musikantenstadl, das aktuelle Sportstudio oder das Dschungelcamp? Oder lief doch eine DVD oder Blu-Ray-Disc?

Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn die Smart-TVs, wie die Hersteller ihre Geräte gerne nennen, auch mit dem Internet verbunden sind. Das ist aber nahezu unabdingbar, denn daher kommt ja das Smarte an den modernen Glotzen: dass sie mittels Internet-Zugang nicht nur das herkömmliche lineare Fernsehprogramm anzeigen können, sondern auch Zugang bieten zu den Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen und Streamingdiensten wie Netflix.

Nutzbar sind diese verschiedenen Dienste mit Apps – ähnlich denen auf Smartphones. Dass diese Apps selbst in großem Stil Daten sammeln, ist schon länger bekannt. Schon seit mehr als zehn Jahren erfassen die App-Hersteller, was sie nur können. Und ein jeder muss für sich abwägen, wo der Spaß aufhört. Sprich: Wie viele Daten man offenbaren möchte. Wer einfach alles laufen lässt, muss sich nicht wundern, wenn plötzlich auch auf dem Computer im heimischen Netzwerk Werbung etwa für Camping-Ausrüstung auftaucht, weil man eine Doku darüber angesehen hat. Die Geräte befinden sich ja meist im selben Netzwerk, haben also dieselbe IP-Adresse.

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Die Inhaltserkennung lässt sich ausschalten, das ist allerdings nicht leicht

Wie sehr aber auch die Hersteller der Geräte selbst daran interessiert sind, was ihre Nutzer schauen, wurde bisher wenig beachtet, war aber Schwerpunkt der internationalen Studie. Die Datensammelfunktion steckt tief in den Betriebssystemen der TV-Geräte, lässt sich aber – das ist die gute Nachricht – weitgehend deaktivieren.

Leicht ist das allerdings nicht. Meist muss man sich durch verschiedene Menüs hangeln und Punkt für Punkt aktivieren oder deaktivieren. Die Hersteller nennen die Funktion auch nicht ACR, sondern erfinden kreative Namen dafür wie etwa „Viewing Information Services“ (Samsung). Wie genau man beim eigenen Gerät vorgehen muss, verrät eine Internetsuche: Die Typenbezeichnung des Fernsehers kombiniert mit dem Stichwort „ACR deaktivieren“ führt zu Treffern mit genauen Schritt-für-Schritt-Anweisungen.

Bildschirmschnappschüsse durch die Hersteller sind das eine, aber was ist mit anderen Attacken? Schließlich unterscheiden sich Fernseher nicht allzu sehr von Computern und können zumindest theoretisch gehackt werden. Das Horrorszenario: Fremde hacken sich in einen Fernseher, der über eine eingebaute Kamera und ein Mikro verfügt und können somit beobachten, was sich vor dem Bildschirm tut.

Das ist allerdings eher unwahrscheinlich, denn der Aufwand bei den vielen Betriebssystemen für Fernseher und den verschiedenen Gerätevarianten wäre vermutlich zu groß für potenzielle Angreifer, die Geld erpressen wollen, indem sie beispielsweise drohen, kompromittierende Videos zu veröffentlichen. Solche Angriffe sind eher die Sache von staatlich finanzierten Geheimdiensten, die über die entsprechenden Mittel verfügen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Hersteller inzwischen auch dazugelernt haben und die Geräte in aller Regel einigermaßen gut gegen Angriffe abgesichert sind.

Es gibt nur eine Abwehrmethode, die zu 100 Prozent gegen Inhaltserfassung und Cyberangriffe auf den Fernseher schützt: die Internetfunktion zu deaktivieren oder gar nicht erst zu aktivieren. Das beschränkt die Nutzung allerdings auf lineares Fernsehen und Zuspieler wie DVD-Player. Wer sich damit nicht zufriedengibt, muss sich wohl oder übel mühsam durch das TV-Menü klicken. Diesen Prozess muss man zumindest nur einmal hinter sich bringen. Außer, die Hersteller setzen bei einem Update des Betriebssystems diese Einstellung wieder zurück. Dann beginnt die Klickerei von vorne.

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