Fernsehen:Chaos in Unterföhring

Fernsehen: Was ist da los? Satellitenschüssel auf dem Dach der Zentrale von Pro Sieben Sat 1.

Was ist da los? Satellitenschüssel auf dem Dach der Zentrale von Pro Sieben Sat 1.

(Foto: imago/Sven Simon)

Eigentlich wollte der neue Konzernchef Pro Sieben Sat 1 in ruhigere Bahnen lenken. Doch jetzt gibt es unerwartete Probleme: Die Bilanz und die neue Strategie müssen verschoben werden.

Von Caspar Busse

So etwas passiert sehr selten bei großen börsennotierten Unternehmen: Mit einem Tag Vorlauf wird die Veröffentlichung der Bilanz gestoppt, die geplante Pressekonferenz kurzfristig abgesagt - und auch die Hauptversammlung des Fernsehunternehmens Pro Sieben Sat 1 wird womöglich verschoben. Der Grund: Unerwartete "regulatorische Probleme". Das klingt in der Tat nicht gut. Die Aktie gab am Mittwoch bereits nach.

Dabei gab es einen festen Plan. Eigentlich wollte Bert Habets, der im vergangenen November völlig überraschend neuer Vorstandsvorsitzender der Fernsehfirma wurde, an diesem Donnerstag nicht nur die Zahlen für 2022 präsentieren, sondern auch den Ausblick und die Strategie für 2023 und die folgenden Jahre. Der ehemalige RTL-Manager war geholt worden, weil der Aufsichtsrat mit seinem Vorgänger Rainer Beaujean nicht mehr zufrieden war. Pro Sieben Sat 1 ist schon länger unter Druck: Die Werbeeinnahmen leiden unter der wirtschaftlichen Unsicherheit angesichts des Ukraine-Kriegs, die großen Streaminganbieter wie Netflix und Amazon Prime nehmen immer mehr vor allem jüngere Kunden weg, die Internetaktivitäten laufen nicht mehr so gut. Nun sollte es also wieder bergauf gehen.

Stattdessen ein neuer Rückschlag: Es gebe plötzlich "regulatorische Fragestellungen", teilte das Unternehmen überraschend mit. Die Geschäftstätigkeit der beiden Tochtergesellschaften Jochen Schweizer GmbH und Mydays GmbH könnte in Teilen unter das sogenannte Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) fallen, also in die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Jochen Schweizer und Mydays vertreiben vor allem Gutscheine für viele Arten von Freizeitaktivitäten, Eigenwerbung: "Wir verschenken täglich Momente, die ewig in Erinnerung bleiben." Dafür ist inzwischen aber womöglich eine Lizenz der Bafin notwendig, was sich bei der jüngsten Prüfung der Bilanz ergeben haben soll.

Der Fall sei mit den Wirtschaftsprüfern besprochen worden, gemeinsam habe man nun entschieden, die Veröffentlichung der Bilanz zu verschieben, bis die Sache geklärt ist. Wirtschaftsprüfer bei Pro Sieben Sat 1 ist die Gesellschaft EY. Diese war auch für die Skandalfirma Wirecard zuständig, die dann spektakulär pleite ging, der Fall beschäftigt inzwischen die Gerichte. Auch EY ist seitdem in der Kritik, und offenbar nun besonders vorsichtig.

Fernsehen: Bert Habets ist seit November Chef bei Pro Sieben Sat 1 und hat Ärger.

Bert Habets ist seit November Chef bei Pro Sieben Sat 1 und hat Ärger.

(Foto: imago images/Pro Shots)

Wann die Zahlen nun kommen und der Fall geklärt werden kann, ist nach Angaben des Unternehmens offen. Weil zu einem Aktionärstreffen mit Vorlauf eingeladen werden und dafür eine testierte Bilanz vorliegen muss, ist auch diese Veranstaltung, die für den 2. Mai geplant war, gefährdet. "Die Gesellschaft prüft aktuell eine Anpassung des Geschäftsmodells von Jochen Schweizer Mydays", teilte Pro Sieben Sat 1 weiter mit.

Silvio Berlusconi soll an einer Übernahme interessiert sein

2017 hatte das Fernsehunternehmen das Geschäft von Jochen Schweizer erworben und dieses in die Sparte mit den Internetaktivitäten eingegliedert. Dazu gehört unter anderem auch billigermietwagen.de, Vergleichsportale wie Verivox oder Online-Partnerschaftsplattformen wie Parship. Damit sollte das volatile Fernsehgeschäft stabiler gemacht werden. Jochen Schweizer Mydays machte 2021 einen Umsatz von immerhin 73 Millionen Euro und einen operativen Verlust von einer Million Euro.

Die Turbulenzen kommen in einer schwierigen Zeit. Denn bei Pro Sieben Sat 1 gibt es auch große Unruhe im Aktionärskreis. Media for Europe, das italienische Fernsehunternehmen des Rechts-Politikers und ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, hat großes Interesse. Etwa 23 Prozent der Aktien haben sich die Italiener schon fest gesichert, immer wieder wird darüber spekuliert, dass sie weiter aufstocken wollen. Habets Vorgänger Beaujean hatte sich immer gegen die Avancen gewehrt und auf Unabhängigkeit gesetzt. Wie Habets dazu steht, ist unklar. Berlusconi war zuletzt immer wieder mit Putin-freundlichen Äußerungen aufgefallen, wenn er die größte private deutsche Fernsehgruppe unter seine Kontrolle bringen würden, gäbe das viele Diskussionen.

Vergangene Woche hatte die tschechische Milliardärin Renata Kellnerova zudem ihren Einstieg bekannt gegeben. Sie kontrolliert nun etwa neun Prozent an Pro Sieben Sat 1 und freue sich darauf, mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zusammenzuarbeiten. Wie es weitergeht: offen.

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