Süddeutsche Zeitung

Fernbusse:Für drei Euro durchs Land - der neue Fernbus-Wahnsinn

  • Auf dem deutschen Fernbus-Markt tummeln sich viele Anbieter, die mit günstigen Tickets Kunden auf die Straße locken wollen.
  • Das schottische Unternehmen wirbt nun sogar mit Fahrten ab einem Euro. Nachhaltig sind solche Angebote nicht.

Analyse von Michael Kuntz

Es ist alles ganz locker an diesem Abend in dem Münchner Club unter dem Motto "Flix auf die Piste". Während die Gäste die Tanzfläche belagern, stellt die Nummer eins unter den Fernbusfirmen ihr neuestes Angebot vor: Im Skibus von München aus in die Berge. So etwas ist zwar nicht gerade ganz neu, aber wenn die deutschlandweiten Linien von Meinfernbus/Flixbus norddeutsche Skifahrer über Nacht nach Bayern karren und hier in die Bergbusse umladen - dann klingt dies frisch und irgendwie fast "supergeil". Wenn die Umsteigeverbindung im Morgengrauen noch "Hub and Spoke" genannt wird, erkennt der Transportexperte sofort das Prinzip, dass hier eine Verbindung nicht einfach von A nach B, sondern noch über einen zentralen Knoten Z geführt wird, den "Hub" eben. So was machen Airlines interkontinental und nun auch Fernbus-Anbieter, alpin.

Der Manager neben rotem Glitzerhirsch und buntem Weihnachtsbaum kann im Advent noch nicht ahnen, dass bis zum Jahreswechsel vor allem die Schneelosigkeit das große Thema unter Skifahrern sein wird. Stets gut drauf und immer innovativ, so sind sie eben bei den Start-ups, die den Deutschen Fernreisen im einst antiquiert wirkenden Omnibus erfolgreich schmackhaft machen: "Wir testen das jetzt mal und wenn das gut angenommen wird, dann bauen wir das aus."

Die betont lockere Atmosphäre in der Disco kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, wie wenig locker es in der Fernbus-Branche zugeht.

Die Konkurrenz ist hart - und sie wird noch härter. Fernbusse rollen seit der Liberalisierung des Marktes Anfang 2013 durch Deutschland. Sie schreiben eine beispiellose Erfolgsgeschichte. 20 Millionen Fahrgäste nutzten 2015 den Bus als günstige Alternative zur Bahn für Reisen über mehr als 50 Kilometer. Das ist gut für die Kunden, aber nicht unbedingt für die Unternehmen und die Investoren hinter ihnen, die sich auf einen teuren Kampf um Marktanteile eingelassen haben.

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass dieser Kampf um den Fernbus-Markt bald zu Ende sein könnte. Noch tauchen neue Anbieter auf und setzen mit spektakulären Kampfpreisen scheinbar schon etablierte Unternehmen unter Druck. Sie können nicht die Preise nehmen, die sie eigentlich brauchen, stellen Brancheninsider fest. Vor allem die Manager des schottischen Megabus locken mit fast kostenlosen Fahrten und machen es damit der gerade reüssierenden Busbranche unmöglich, aus der Billigecke heraus zu kommen.

Von den Busunternehmen haben einige bereits aufgegeben, andere werden verschwinden

So eine Busfahrt von München nach Berlin kostet normal um die 20 Euro. Es gibt sie aber auch schon für drei Euro. Oder für nur einen. Die nach unten offene Preisskala zeigt: Geld verdienen lässt sich mit solchen Schnäppchenpreisen allein nicht. Die führende touristische Fachzeitschrift fvw beobachtete daher schon vor geraumer Zeit ein "Harakiri auf der Straße".

Einige Anbieter haben aufgegeben. So stellte im Herbst 2014 der Frankfurter Fernbus-Betreiber City2City seinen Betrieb ein. Hinter dem stand mit dem britischen National Express immerhin einer der Großen der Branche. "Uns hat das Marktpotenzial in Deutschland gereizt", erklärte damals ein Manager den verlustreichen Ausflug, der in anderthalb Jahren fünf Millionen Euro gekostet haben dürfte.

Bedeckt hielt man sich auch beim ADAC, der sich nach dem großen Club-Skandal aus der Fernbus-Gemeinschaft mit der Post zurückgezogen hatte. Die Post fährt nun allein, versucht es mit allerlei Kooperationen und Flughafen-Transfers. Die Marke der gelben Busse rangiert mit elf Prozent Anteil auf Platz zwei hinter Meinfernbus/Flixbus. Das ist der mit 73 Prozent weitaus größte Anbieter. Es gebe noch viele weiße Flecken, sagte Geschäftsführer Andre Schwämmlein und meinte damit nicht das neue Skiangebot von Meinfernbus/Flixbus, sondern andere "kluge" Märkte: Für Schwämmlein ist es das europäische Ausland, aber auch die Anbindung von mittelgroßen und kleineren Städten mit bis zu 30 000 Einwohnern.

Mit dem schottischen Megabus drängt ein weiterer großer Anbieter in das Geschäft

Dann gibt es noch die Bahn-Tochter Berlin Linien Bus, die 2016 ihr Angebot vervierfachen will. Zusammen mit der Bahn-Marke IC Bus kommt die Deutsche Bahn freilich bisher nur auf sechs Prozent Marktanteil bei den Fernbussen, die ihr auf der Schiene so viele Fahrgäste abspenstig machen, dass die jährlichen Preiserhöhungen ausgesetzt werden mussten.

Auch die Fernbus-Firmen selbst könnten deutliche Preiserhöhungen dringend gebrauchen, meint ein Insider. Es sah schon mal so aus, als sei der Markt weitgehend aufgeteilt und es gehe nun allmählich ans Geldverdienen. Darauf dürften vor allem die Investoren warten. Bei Meinfernbus/Flixbus sind das neben Start-up-Unternehmern die Finanzfirmen General Atlantic, Holtzbrinck Ventures und UnternehmerTUM.

Doch eine üppige Rendite dürfte noch auf sich warten lassen, denn zusätzlich zu Meinfernbus/Flixbus, der Bahn und der Post tauchte ein weiterer potenter Spieler auf. Das schottische Transportunternehmen Megabus mischt auf dem deutschen Fernbusmarkt mit - und zwar als der Billiganbieter unter den Billiganbietern.

Mit Tickets für einen Euro. Das ließe sich nur noch toppen durch Freifahrten mit kostenlosem Bordimbiss. Megabus kurvt zwar nicht so flächendeckend durch Deutschland wie die Konkurrenz, ist aber ein nicht zu unterschätzender Wettbewerber. Die 2003 in Großbritannien gegründete Firma gehört zur Stagecoach-Gruppe. Die fährt rund 150 Ziele in Europa und 130 Knotenpunkte in Nordamerika an. Stagecoach betreibt auch eine Vorortbahn in Sheffield und hat bald 11 000 Busse im Einsatz. Das sind nicht alles Fernbusse, aber doch deutlich mehr als die 800 Busse, die für Meinfernbus/Flixbus unterwegs sind.

Noch hat Megabus nach einem Jahr in Deutschland hier nur drei Prozent Marktanteil, doch die Schotten haben sich gerade mit der Bildungsinitiative Arbeiterkind verbündet. Die will Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien zum Studium ermutigen. Und mit Megabus sollen Studierende für kleines Geld vom Studienort nach Hause fahren können. Der Discounter unter den Discountern als Wohltäter. Ein interessantes Geschäftsmodell - bleibt abzuwarten, ob es auf Dauer funktioniert.

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Quelle:
SZ vom 05.01.2016/jasch
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