Süddeutsche Zeitung

Fernbus-Linien:Die Bahn kommt nicht

Das Geld liegt auf der Straße, doch die Deutsche Bahn bleibt auf der Schiene: Der Konzernvorstand beschließt überraschend, auf den angekündigten Ausbau des lukrativen Fernbus-Geschäfts zu verzichten.

Daniela Kuhr

Die Deutsche Bahn gibt ihre Pläne im Fernbus-Geschäft auf. Anders als bislang angekündigt, will sie die von der Regierung vorgesehene Öffnung des Marktes nun doch nicht nutzen, um groß in das Geschäft mit Fernbus-Linien einzusteigen. Das erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Konzernkreisen. Der Vorstand hat demnach bereits am Dienstag beschlossen, seine bisherige Strategie nicht weiter zu verfolgen. Die mehr als 50 Fernbus-Linien, die die Bahn derzeit betreibt, will sie zwar auch künftig anbieten. Es sollen aber keine neuen dazukommen. Auch soll der Fuhrpark nicht vergrößert werden. Der Beschluss kam selbst für hochrangige Mitarbeiter "völlig unerwartet", hieß es übereinstimmend aus den Kreisen.

Derzeit existieren in Deutschland - anders als in anderen Ländern - nur sehr wenige Fernbus-Linien. Grund ist ein Gesetz von 1931, das die Schiene vor Konkurrenz auf der Straße schützen soll. Die Regierung will diesen Schutz aufheben und künftig jedem Unternehmer mit einer einfachen Konzession erlauben, Fernbus-Linien zu betreiben.

Bislang hatte die Bahn stets verkündet, sie wolle die Marktöffnung nutzen, um ihr Fernbus-Geschäft deutlich auszubauen. Noch ist sie dank ihrer Bustochter Bex führend in dem Bereich. Das wollte sie auch nach der Liberalisierung bleiben. "Wenn wir das nicht schaffen, verstehen wir unser Handwerk nicht", hatte Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg im April in der Financial Times Deutschland gesagt. Man treffe "umfangreichste Vorbereitungen" und strebe einen Marktanteil von 50 Prozent an. Spätestens nach fünf Jahren sollte der Umsatz "im dreistelligen Millionenbereich" liegen.

Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der den Bund als Eigentümer der Bahn vertritt, ging fest davon aus, dass die Bahn ihr Busgeschäft ausbaut. Noch Anfang Mai hatte er angekündigt, die Bahn werde nach der Liberalisierung mehr Buslinien unterhalten und im Fernbusverkehr "sicherlich eine wichtige Rolle spielen". Nach Angaben aus Konzernkreisen wäre ein zweistelliger Millionenbetrag erforderlich gewesen, um neue Busse anzuschaffen und Marketing sowie Vertrieb zu organisieren. Doch jetzt hat der Vorstand all diese Pläne verworfen.

Ein Sprecher der Bahn bestätigte die Kehrtwende am Donnerstag auf Anfrage. Der Vorstand habe noch einmal "intensiv Chancen und Risiken einer geplanten Marktoffensive geprüft" und schließlich "aufgrund der zu erwartenden Wettbewerbssituation" beschlossen, dass sich die Bahn auf ihr Kerngeschäft konzentrieren wolle. Der Konzern nehme daher Abstand von "Investitionen in einem unsicheren Marktsegment". Über die bestehenden Aktivitäten hinaus werde es also "vorerst kein Engagement geben".

Nach Informationen der SZ gab es schon länger zwei Linien im Vorstand. Die einen hielten die Marktöffnung für eine Chance, neue Kunden zu gewinnen, beispielsweise Studenten oder Senioren, denen das Reisen mit der Bahn zu teuer ist und die weniger Wert auf Schnelligkeit legen als vielmehr auf den Preis. Andere fürchteten, dass die Bahn sich mit dem Ausbau des Busgeschäfts selbst Konkurrenz mache und Reisende von der Schiene auf die Straße locke. Jeder Euro Umsatz, den die Bustochter mache, gehe dem Schienenfernverkehr verloren, so die Sorge.

Die erste Fraktion hielt dagegen mit dem Argument: Wenn wir es nicht machen, machen es andere. Schließlich stünden zahlreiche Busunternehmen bereits in den Startlöchern. Die zweite Fraktion sagte: Wenn wir es nicht machen, macht es keiner. Andere Unternehmen seien zu schwach. Bei der Vorstandssitzung am Dienstag hat sich nun offenbar die zweite Sichtweise durchgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 03.06.2011/aum
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