Süddeutsche Zeitung

Ferienwohnungen:So wehrt sich Berlin gegen Airbnb-Vermieter

Touristen buchen immer häufiger private Unterkünfte, die sie über Internetportale wie Airbnb finden. Die Wohnsituation in großen Städten kann das noch verschärfen.

Von Verena Mayer, Benedikt Müller und Angelika Slavik

Wenn Stephan la Barré über seine Ferienwohnungen spricht, klingt er nicht wie ein Vermieter, sondern wie ein Vater, der sich freut, dass die Familie Weihnachten beisammen ist. Ein niederländisches Paar sei zum siebten Mal bei ihm zu Gast, dann "eine Gruppe Freunde aus aller Welt, die viel quatschen und kochen", und zwei deutsche Senioren, die bereits morgens um sieben zur Stadtbesichtigung ausrücken. La Barré drückt ihnen manchmal einen Plan in die Hand, und die Kinder einer Geigerin aus Frankreich lässt er auf seiner Terrasse Bobbycar fahren.

La Barré, 53, ist Physiker, aber sein Geld verdient er mit 15 Ferienwohnungen. Die sind in einem dunklen Backstein-Gebäude in Berlin-Moabit. Ruhige Lage, großer Hof, früher war in diesem ärmlichen Teil von Berlin nicht viel, außer ein paar verfallene Fabrikgebäude. In eines ist la Barré gezogen, er hat es aufwendig renoviert und vermietet nun die Wohnungen für 150 bis 180 Euro die Nacht an Feriengäste.

Das ist allerdings vom 1. Mai an illegal. Dann läuft in Berlin die Schonfrist für die Vermieter von Ferienwohnungen aus, und das sogenannte Zweckentfremdungsgesetz tritt in Kraft. Jeder, der dann eine Wohnung anders nützt als zum dauerhaften Darinwohnen, wird sich strafbar machen. Ausnahmen wird es nur für Arztpraxen oder Anwaltskanzleien geben, oder wenn jemand in der Nähe eines Krankenhauses eine Wohnung für die Angehörigen von Patienten anbietet. Alle anderen riskieren eine Geldstrafe von bis zu 100 000 Euro.

Ferienunterkünfte sollen zurück auf den Mietmarkt

Berlin hat damit eines der weltweit strengsten Gesetze, um Übernachtungsportale wie Airbnb, Wimdu und Co. einzudämmen. Denn jeder elfte Städtetourist in Deutschland will einer Studie des Immobilienentwicklers GBI zufolge nicht im Hotel schlafen. Sondern in einer Wohnung oder einem Zimmer bei Privat, um mittendrin zu sein, in den Kiezen, unter Einheimischen.

Dort aber wirbeln die Reisenden den ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt durcheinander. Schon jetzt gibt es in Berlin gerade mal etwa 75 000 Einzimmerwohnungen, rechnerisch eine für jeden zwölften Ein-Personen-Haushalt. In beliebten Bezirken wie Kreuzberg oder Mitte sind die einzigen Wohnungen, die noch frei sind, Ferienunterkünfte.

Die sollen jetzt wieder zurück auf den Mietmarkt. Der Bezirk Mitte hofft auf mehr als tausend Ferienapartments, die nun für Berliner frei werden. Airbnb hat bereits zahlreiche Angebote aus dem Netz genommen. Am Donnerstag gab es die erste Niederlage vor Gericht. Eine Frau, die ihre 66-Quadratmeter-Wohnung weiter an Feriengäste vermieten will, scheiterte beim Berliner Verwaltungsgericht: Sie könne ja auch an der Wohnung verdienen, wenn sie diese regulär vermiete.

Große Worte: „Man kann einen Trend nicht verhindern, nur weil man ihn verbietet.“

Tatsächlich scheint der Siegeszug von Portalen wie Airbnb oder Wimdu unaufhaltsam zu sein: Mindestens 14,5 Millionen Übernachtungen in Deutschland entfallen laut einer aktuellen Studie auf private Vermieter.

Kritiker wie die Apartment Allianz Berlin, in der sich einige Hundert Besitzer von Ferienwohnungen zusammengeschlossen haben, glauben allerdings nicht, dass die Berliner Wohnungsnot nun gelindert wird. 50 000 Menschen ziehen jedes Jahr in die Hauptstadt, die Zahl der offiziell gemeldeten Ferienapartments beträgt gerade mal 6300, mit dem Graumarkt dürften es insgesamt 23 000 Wohnungen sein.

Groß ist hingegen die Arbeit, die auf die ohnehin schon überlastete Berliner Verwaltung zukommt. Um das Verbot durchzusetzen, sollen nun Bürger verdächtige Wohnungen anonym im Internet melden. In der Touristen-Metropole Berlin wird es also bald auch Touristen-Spitzel geben.

Petzen im Internet, das gibt es in Hamburg nicht - doch die Hansestadt hat als eine der ersten Städte in Deutschland schon vor zwei Jahren auf die steigende Beliebtheit von Portalen wie Airbnb reagiert. Das "Wohnraumschutzgesetz" in Hamburg gibt seither klare Regeln vor: Wer mehr als die Hälfte seiner Wohnung privat vermietet - oder auch die ganze Wohnung mehr als die Hälfte des Jahres - macht sich strafbar.

Hotelbetreiber haben keinen Grund zur Beschwerde

Zum Erliegen gekommen ist das Geschäft deshalb nicht, 4500 Wohnungen sollen laut Studie in Hamburg als Ferienunterkünfte zweckentfremdet werden. Zehn Vollzeitstellen gibt es für den Wohnraumschutz in Hamburg, die Prüfer beobachten die Internetportale und kontrollieren stichprobenartig. Dass sie nur einen Bruchteil jener, die gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen, erwischen, versteht sich von selbst.

Für die von massivem Wohnraummangel geplagte Stadt mögen 4500 illegal genutzte Unterkünfte ein Ärgernis sein, dazu kommen die entgangenen Steuern - doch zumindest die Betreiber der klassischen Hotels müssen sich nicht beschweren: Die offiziellen Übernachtungszahlen in Hamburg haben sich binnen zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Hamburg und Berlin haben sich also für einen harten Kurs entschieden - anderswo hingegen ist man deutlich wankelmütiger. Zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2007 hatte die Landesregierung das Verbot der Zweckentfremdung aufgehoben - angesichts des hohen Leerstands und schrumpfender Städte. Erst fünf Jahre später, als Wohnungen im Rheinland knapper und knapper wurden, räumte das Land den Städten wieder ein, per Satzung gegen die Zweckentfremdung vorzugehen. Doch da hatte der Siegeszug von Airbnb und Wimdu längst begonnen.

Seit Juli 2014 ist die Zweckentfremdung von Wohnungen in Köln wieder verboten. Die Satzung greift aber nicht rückwirkend, und das ist ein Problem für Josef Ludwig. Der Leiter des Wohnungsamts spürt gemeinsam mit fünf Mitarbeitern immer wieder Wohnungen auf, die dauerhaft an Touristen statt an Einheimische vermietet werden. "Doch viele Anbieter können Bestandsschutz geltend machen", sagt Ludwig. Sie weisen nach, dass ihre Ferienwohnung länger besteht als die Wohnraumschutzsatzung.

Damit sind sie fein raus. Ludwigs Team kommt nur schwer an die Daten der Vermieter. "In vielen Fällen würden wir die genaue Adresse und den vollen Namen eines Anbieters erst erfahren, wenn wir Testbuchungen durchführen würden." Das darf das Wohnungsamt aber nicht. Deshalb ist Ludwig auf Hinweise von genervten Nachbarn angewiesen.

Die Übernachtungsportale aber wollen die neuen Verbote nicht kampflos hinnehmen. Wimdu zog Mitte April vor das Berliner Verwaltungsgericht, mit einem Gutachten des Verfassungsrechtlers Helge Sodan. Er ist überzeugt, dass das Berliner Zweckentfremdungsgesetz in die Berufs- und Eigentumsfreiheit eingreift. Eine Entscheidung soll im Juni fallen. "Man kann einen Trend nicht verhindern, nur weil man ihn verbietet", heißt es bei Wimdu.

Vermieter la Barré gehört zu den Verlieren. Er wird sein Geschäft aufgeben müssen. Wenn er in Berlin unterwegs ist, sieht er, wie überall Apartmentwohnungen für Touristen hochgezogen werden. Gebaut von Hotels oder Investoren, für die das Zweckentfremdungsverbot ein lukratives Geschäftsfeld eröffnen dürfte. Ferienwohnungen, glaubt la Barré, werde es immer geben, aber sie würden wohl bald alle gleich aussehen, "so wie das Motel One". "Wir sind Individualisten, bei uns lebt man wie im Kiez. Dieses Berlinersein wird es dann nicht mehr geben."

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Quelle:
SZ vom 30.04.2016/mahu
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