Als ihm seine Eltern vor acht Jahren erzählten, dass sie sich wegen ihres hohen Alters nicht mehr um das Ferienhaus kümmern könnten und deswegen an einen Verkauf denken würden, da hat Clemens Bargholz nicht lange gezögert. Er kaufte ihnen das Ferienhaus ab - und das, obwohl die Immobilie komplett saniert werden musste. Schließlich besaß die Familie das Haus samt Ferienwohnungen schon seit Jahrzehnten, Geld reingesteckt aber hatte sie in dieser Zeit nur selten. Heute kann Bargholz sagen: "Die Investition hat sich gelohnt. Rückblickend war das die richtige Entscheidung."
Das Haus steht in St. Peter-Ording, einer Touristenhochburg an der Nordsee. Hier sagt man "Moin", egal zu welcher Tageszeit, es gibt Häuser mit Dächern, die aussehen wie Stroh, und eine Promenade mit Souvenirshops und Fischbrötchen-Imbissen. Die Menschen kommen vor allem hierher, um am kilometerlangen Sandstrand spazieren zu gehen. Clemens Bargholz ist hier quasi aufgewachsen. "Es ist mein zweites Zuhause, als Kind waren wir so oft hier", sagt er. Auch deswegen wollte er das Haus auf jeden Fall kaufen: Der Zahnarzt hängt an diesem Stück Kindheit.
Aufgewachsen ist Bargholz in Hamburg, dort lebt er auch heute noch. Immer mal wieder aber kommt er nach St. Peter-Ording, macht mit seiner Familie in einer der vier Wohnungen selbst Urlaub. Die anderen drei Unterkünfte vermietet er das ganze Jahr über - auch, um damit zusätzliche Einkünfte zu erwirtschaften. "Jetzt gerade verdiene ich noch nicht richtig viel daran. Aber langfristig betrachtet lohnt sich das sicherlich", sagt Bargholz. Zunächst muss er seinen Kredit abbezahlen. Und das dauert noch ein paar Jahre.
Bargholz ist zwar kein Superreicher, kein Millionen-Erbe, Sportass, Industrieller oder Top-Model, die sich eine Villa am Mittelmeer als zweites Zuhause leisten können. Aber er ist einer von vielen in Deutschland: 2020 lebten laut einer Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach bereits 1,26 Millionen Bundesbürger in einem Haushalt, dem eine Ferienimmobilie gehört, entweder in Deutschland oder im Ausland.
Und es werden immer mehr. In Zeiten von Inflation, Kriegen und niedrigen Zinsen versuchen viele, ihr Geld möglichst sicher anzulegen und auch noch ein bisschen Rendite herauszubekommen. Ferienimmobilien, die sich vermieten lassen, sind deshalb gefragt. Was gibt's Schöneres als ein Rückzugsdomizil in einer Ferienregion, das als Home-Office nutzbar ist, in dem man während des Urlaubs kostenlos wohnen kann und mit dem sich auch noch Geld verdienen lässt? Besser scheint's nicht zu gehen.
Doch lohnt sich der Kauf einer Ferienwohnung wirklich? Vor drei Jahren noch hätte Zahnarzt Bargholz die Frage rundheraus mit "Ja" beantwortet. Dann kam Corona - und die Einnahmen sind für eine Zeit lang um 100 Prozent weggebrochen. Deswegen sei er mit so einer Aussage nun etwas vorsichtiger, auch wenn er die Durststrecke verkraften konnte. "Das kann aber durchaus auch ein riskantes Investment sein", sagt er.
Eine Finanzexpertin rät den meisten Kunden von Ferienwohnungen ab. Doch eben nicht allen
Die unabhängige Finanzexpertin Stefanie Kühn sieht das ähnlich. Ob sie zu einer Ferienimmobilie vor allem zum Geld verdienen raten würde? "Nein", sagt Kühn, ohne zu zögern. "Als Geldanlage funktioniert das nicht." Dann rattert sie gleich eine Reihe von Gründen runter: Die Finanzierung ist sehr viel schwieriger als bei herkömmlichen Immobilien. Dienstleister für diejenigen, die sich als Vermieter nicht um alles selbst kümmern wollen, verlangen eine Menge Geld fürs Vermitteln, das Betreuen von Gästen, das Kümmern um Handwerker und Putzkräfte. Es gibt hohe Nebenkosten, und man kann schlimmstenfalls Eigentümer einer Bruchbude werden, wenn man sich mit Immobilien und dem jeweiligen Markt nicht auskennt.
Kauft man - anders als Bargholz - eine Ferienimmobilie im Ausland, um vielleicht auch mal dem regnerischen Deutschland zu entfliehen, gibt es außerdem ein paar Fallstricke: Man müsse sich auskennen mit dem ausländischen Recht und am besten sprachkundig sein. Ohne ein Wort Spanisch oder Italienisch mit den örtlichen Behörden zu verhandeln, ist praktisch unmöglich. Und das Wichtigste: Man binde sehr viel Geld auf einmal, sagt Expertin Kühn. Umschichten gehe da nicht so leicht.
Eine Ferienimmobilie sei besonders immobil. Bei normalen Immobilien sei hingegen zumindest die Vermietung einfacher und besser zu kalkulieren. Auch die Stiftung Warentest zieht nach einer Untersuchung von Angeboten für deutsche Ferienimmobilien das Fazit: "Der Kauf einer Ferienwohnung ist keine sichere Geldanlage, sondern eine unternehmerische Investition mit Chancen und Risiken."
Trotzdem kann der Kauf einer Ferienimmobilie, egal ob in Strandnähe oder in den Bergen, die richtige Entscheidung sein. Das sagt auch Kühn, die ihren Kundinnen und Kunden eher davon abrät. Doch eben nicht allen. "Für diejenigen, die Geld auf der hohen Kante liegen haben und schon immer von einem Ferienhaus oder einer Ferienwohnung geträumt haben, kann das sinnvoll sein." Vor dem Kauf sollte man aber für sich selbst unbedingt herausfinden, wofür die Ferienimmobilie überhaupt sein soll. Zum Urlauben im eigenen Zuhause? Oder vor allem fürs Vermieten und Geld verdienen? Oder für einen Mix aus beiden Elementen? Zahnarzt Bargholz sagt: "Man muss sich darüber klar sein, was man will."
"Den Wert einer Immobilie kann ich nicht täglich nachlesen, da steht nirgends ein Preisschild"
Kühn rät, unbedingt vor dem Kauf das Investment gut durchzurechnen und dabei die Kosten für Finanzierung, Ausstattung, laufende Ausgaben sowie den Aufwand für die professionelle Vermarktung ehrlich zu kalkulieren. So sieht es auch der Vorsitzende des Deutschen Ferienhausverbandes, Göran Holst. Er glaubt, dass viele Menschen mental mit einer Ferienimmobile besser zurecht kommen als mit einer Anlage in Aktien. Man müsse sich nicht ständig Sorgen machen, wegen des Aufs und Abs der Kurse. "Den Wert einer Immobilie kann ich nicht täglich nachlesen, da steht nirgends ein Preisschild", sagt Holst.
Dennoch müssen potenzielle Käufer und Käuferinnen schon genau hinschauen. Auch bei Ferienimmobilien gilt der Grundsatz: "Lage, Lage, Lage", sagt Finanzexpertin Kühn. Es müsse ein besonderes Highlight geben, die Berge, einen Skilift, das Meer. Irgendetwas, das es in den meisten Wohngegenden eben nicht gäbe. Außerdem sollte man die Gegend sehr, sehr gut kennen und am besten selbst schon oft dort Urlaub gemacht haben.
Das empfiehlt auch Bahne Bahnsen, pensionierter Lehrer und erfahrener Ferienwohnungsbesitzer aus Flensburg. "Ich schaue mir immer an, wo die Wohnung oder das Haus liegt. Ist die Umgebung angenehm? Würde ich mich hier wohlfühlen?" Bahnsen selbst hat sich sein allererstes Ferienhaus bereits mit 24 Jahren gekauft. Damals erbte er Geld von seiner Oma, es müssten so 100 000 Mark gewesen sein, schätzt er heute. Genau weiß er es nicht mehr.
Auch heute besitzt er das Haus in Dänemark noch, ein wenig stolz schickt er schnell über WhatsApp ein Bild: mitten in den Dünen steht das Haus, grün angestrichen, es hat ein Reet-Dach und eine große Glasfront auf der einen Seite. Etwas urig das Ganze, aber auf eine charmante Weise. "Ein Unikat", sagt Bahnsen. Eigentlich hatte er es nur für private Zwecke gekauft, er hatte damals schon zwei kleine Kinder und wollte, dass sie viel Zeit in der Natur verbringen können und nicht nur in der Stadt. "Ich habe diese ganze Lebensqualität gekauft", sagt Bahnsen. "Erst später habe ich gemerkt, dass ich damit Geld verdienen kann."
Sein "Hobby" hat Bahnsen zu einem reichen Mann gemacht
Das Ganze ist nun schon über 50 Jahre her, seitdem hat er nie aufgehört mit dem Kaufen und Verkaufen von Ferienimmobilien. Und später kamen dann auch Mietwohnungen dazu. Es sei ein Art Hobby für ihn, wenn auch ein sehr zeitaufwändiges: Drei Stunden Arbeit seien es seit 50 Jahren täglich gewesen, sich um alles zu kümmern. "Es erfordert Zeit, man muss sich darum kümmern und alles erhalten", sagt Bahnsen. Insgesamt besitzt er heute 30 Immobilien, zeitweise waren darunter neun Ferienimmobilien. Mittlerweile hat er aber nur noch zwei: eben jenes Ferienhaus in Dänemark und dann eine Finca auf Mallorca in Spanien.
Sein "Hobby" hat Bahnsen zu einem reichen Mann gemacht; mehr als 20 Millionen Euro könnte er wohl erlösen, wenn er alle Immobilien zu Geld machen würde. "Eine Ferienimmobilie ist immer eine gute Kapitalanlage gewesen in den letzten 50 Jahren", ist Bahnsen überzeugt. Er hat jedoch einen entscheidenden Vorteil gegenüber "gewöhnlichen" Käufern. Er kennt sich richtig, richtig gut aus mit Immobilien. Er kann heruntergekommene Häuser auch selbst renovieren. Er kümmert sich gerne um vieles selbst.
Bei Aktien sehe das ganz anders aus: "Da habe ich null Ahnung von", sagt Bahnsen. Deswegen rät er auch all jenen, die über einen Kauf nachdenken: Man sollte in das investieren, womit man sich gut auskennt. Aber auch für Bahnsen ist Geld nicht alles. Er kann mal eben nach Spanien fliegen und dort Urlaub machen, in seiner eigenen Unterkunft, in der er jede Tasse und jeden Stuhl selbst ausgesucht hat - und hat gemeinsame Zeit mit seiner Familie. Zahnarzt Bargholz geht es bei seiner Ferienwohnung ebenfalls um einen Ort, wo die ganze Familie zusammenkommen kann. Und vielleicht wird es auch für seine Kinder später mal ein zweites Zuhause sein, so wie für ihn.