Süddeutsche Zeitung

Nachlass-Regelung:Piëchs goldene Zügel

  • Der langjährige VW-Manager Ferdinand Piëch hat in seinem Testament offenbar festgelegt, dass seine Witwe Ursula bei einer erneuten Heirat finanzielle Nachteile haben soll.
  • Eine solche "Wiederverheiratungsklausel" war vor allem bei Unternehmern lange üblich.

Von Hendrik Munsberg

Ferdinand Piëch war einer der mächtigsten und wohl auch reichsten Automanager des Landes - und ein vielschichtiger Charakter. Sogar zu seiner zweiten Ehefrau Ursula, 63, besaß er großes, aber nicht grenzenloses Vertrauen. "Piëchs Witwe darf nie wieder heiraten", titelte Bild jetzt wenige Tage nach seinem Tod, "sonst verliert sie Millionen". Schon vor etlichen Jahren regelte der Patriarch seinen Nachlass. Sein enormes Vermögen brachte er in zwei Stiftungen ein, nach seinem Tod bekommt seine Frau Ursula dort nun eine herausgehobene Stellung - solange sie nicht neuerlich heiratet. Schon im September 2010 erläuterte Piëch in kleiner Runde sein Vorgehen, in für ihn typisch ironischem Ton: "Da macht man die einfache Regelung, dass sie die starke Stellung nur so lange hat, wie sie ungebunden ist", erklärte er, denn man wisse ja nie - "der Einfluss von zweiter Seite könnte sehr groß sein".

Bernhard Klinger, Münchner Fachanwalt für Erbrecht und Spezialist für Testamentsgestaltung, kennt Piëchs Nachlassregelung nicht aus eigener Anschauung. Was er aber kennt ist, wenn "verstorbene Erblasser noch aus dem Grab heraus regieren wollen". Dies treffe man typischerweise bei Unternehmern an, "in deren Vorstellungswelt" es nicht passe, "dass sie mal nicht mehr g'schafteln und mitwirken können". Nicht wenige strebten deshalb danach, mit derartigen Regelungen "über den Tod hinaus die Leute unter Kontrolle halten" - gewissermaßen an goldenen Zügeln, also einerseits mit Geld zu winken, andererseits mit Entzug bei Fehlverhalten zu drohen.

Klinger zufolge hat es solche Wiederverheiratungsklauseln früher in Testamenten "sehr häufig" gegeben. Dahinter stecke eine "archaische Vorstellung": Wenn die Frau "wieder einen neuen Versorger hat", dann soll das Vermögen - anders als geplant - rückwirkend auf den Tod bezogen "sofort an die Kinder fallen". Ob das auch als posthume Bestrafung gedacht ist, mag Erbrechtsexperte Klinger nicht entscheiden. Er formuliert es lieber so: "Jede Frau wird es sich überlegen, bei einer derartigen Klausel wieder zu heiraten". Er rate seinen Mandanten aber "davon ab, der Ehefrau aus dem Grab das Heiraten zu verbieten."

Besuchspflicht beim Großvater war sittenwidrig, Dackel-Fürsorge nicht

Und wann sind derartige Testamentsregelungen sittenwidrig? Eines der Grundprinzipien im Erbrecht, so Klinger, sei "die Entscheidungsfreiheit, wer mein Erbe werden und ob ich die Erbschaft annehmen soll". Wer in diese Testierfreiheit eingreife und Personen zu etwas zwinge, was eigentlich unangemessen sei, riskiere, dass ein Richter dies als sittenwidrig werte. Der Spielraum dafür, so Klinger, sei jedoch recht groß. Denn "Sittenwidrigkeit" verlange, dass "das Anstandsgefühl aller gerecht und billig denkenden Menschen verletzt" werde. Und im Wortsinn seien das in Deutschland "ganz schön viele".

So verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main Anfang des Jahres die testamentarische Verfügung eines Großvaters als sittenwidrig, der seinen Enkeln auferlegen wollte, ihn zu Lebzeiten "mindestens sechs mal im Jahr" zu besuchen. Durchaus statthaft sei es aber, so Klinger, Erben dazu zu verpflichten, den Dackel des Erblassers "lebenslang artgerecht zu versorgen".

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SZ vom 29.08.2019/vd
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