Sie beugt sich hinab, hakt die Arme unter den schweren Körper. Sie zieht ihn hinaus aus den weißen Laken, spürt den Atem in ihrem Nacken. Ein Fuß berührt den Boden, der zweite, nur ein paar Schritte zur Dusche. Die Frau hievt ihre Mutter voran, wie jeden Morgen, Zentimeter um Zentimeter. Stunden voller Mühe, Stunden voller Schweiß.
Doch diese Arbeit ist nichts wert, diese Stunden wird niemand registrieren, wie die weiterer Millionen Frauen in Deutschland. Die Arbeit der anderen aber, die Verträge austarieren und Fahrscheine kontrollieren, die Etiketten kleben und Ziegelsteine wuchten, die auf Bildschirme blicken, in Schnellzügen das Land durchqueren und mit dem Mähdrescher über die Felder ziehen, deren Arbeit ist ziemlich viel wert. Zumindest in den Wirtschaftsstatistiken.
Anhand ihrer entscheiden Politiker etwa über Steuersätze oder Subventionen, in irgendeiner Zahl, in Tabelle 5.4.1 oder 7.8.2, wird am Ende des Jahres die Arbeit des Fahrkartenkontrolleurs oder der Bauingenieurin verborgen sein. Sie wird einen Anteil daran haben, ob die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr wächst oder lahmt. Die Arbeit einer Frau aber, die ihre Mutter pflegt, wen interessiert die schon?
Die Ökonomie ist eine Männerwirtschaft
Wäre die Ökonomie eine von Frauen ergründete Wissenschaft wäre das vielleicht anders, vielleicht wäre ein Verständnis von Wirtschaft erwachsen, das nicht nur Löhne misst, nicht nur Produktion und Importe. Doch die Ökonomie ist eine Männerwirtschaft. Sie strebt danach, die Welt in Zahlen zu fassen, nur vergisst sie dabei mal eben die Hälfte der Bevölkerung.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ignoriert ziemlich viele Aufgaben, die über Jahrhunderte den Frauen zugefallen waren. Kochen, waschen, putzen, alles was in den 50er Jahren eine vorbildliche Hausfrau mit Schürze und Schnellkochtopf übernahm. Alles, was trotz Alice Schwarzer und Vätern in Elternzeit auch heute noch vor allem die Frauen schultern, wenn sie Kinder umsorgen und Eltern pflegen.
Ohne die unbezahlte Arbeit würde eine Gesellschaft zusammenbrechen, würde keine Gemeinde bestehen, keine Familie. Die Deutschen verbringen im Jahr 89 Milliarden Stunden mit unbezahlter Arbeit. Viel mehr Zeit also als die 69 Milliarden Stunden, die ihnen Geld einbringen und trotzdem beschäftigt sich kaum jemand mit diesem gewaltigen Arbeitsvolumen. Die feministischen Ökonominnen forschen fern des Mainstreams, es gibt in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht viele Frauen, die sich mit dem eigenen Geschlecht auseinandersetzen. Wer nach oben will, der wird Ökonomin. Aber keine Feministin. Katharina Mader ist das egal.