Fehmarn:Bomben im Belt

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Minensprengung im Meer. In Deutschlands Nord- und Ostsee werden noch 1,9 Millionen Tonnen Kampfmittel aus den Weltkriegen vermutet.

(Foto: Liesa Johannssen/imago/photothek)

Minensprengungen gefährden das Schutzgebiet um den geplanten Fehmarnbelt-Tunnel. Die Grünen schätzen, dass bis zu 110 000 Quadratmeter Fläche zerstört worden sind.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Nun wird die Debatte um die sensible Region Fehmarnbelt auch noch explosiv. Erst entdeckten Taucher im Auftrag der Naturschutzorganisation Nabu an der Trasse des geplanten Ostsee-Tunnels zwischen Deutschland und Dänemark vor wenigen Monaten Riffe, die geschützt sein müssten. Das könnte den Bau mindestens verzögern, der Fund ist Teil einer Klage gegen das Milliardenprojekt. Jetzt wurde bekannt, dass Minensprengungen in dem Meeresschutzgebiet erhebliche Schäden angerichtet haben.

Im August sprengte die Bundesmarine im Zuge eines Nato-Manövers in der Ostsee 42 britische Grundminen aus dem Zweiten Weltkrieg, 39 davon im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt. Das bestätigte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die der SZ vorliegt. Eine erste Analyse zeige, dass im Bereich eines geschützten Riffs "ein ca. 5 m breiter und 1,5 m tiefer Krater entstanden ist", so die Antwort. Tiere und Pflanzen seien "im Krater und in einem Umkreis von ca. 10 bis 30 m um den Krater zerstört" worden.

Das Verteidigungsministerium ignoriere das Naturschutzrecht, monieren die Grünen

Der Nabu spricht von der Missachtung geltenden Naturschutzrechts und einem "Komplettversagen der Politik im Umgang mit dem Problem der Kriegsaltlasten". Die Ökologen fordern "eine verantwortungsvolle nationale Strategie im Umgang mit den Munitionsaltlasten", auch vor freigesetztem TNT und anderen Giftstoffen wurde bereits gewarnt. Das Verteidigungsministerium scheine "bestehendes Naturschutzrecht komplett ignoriert zu haben", meint Steffi Lemke, parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Naturschutzpolitik der Grünen.

Unmittelbar am Korridor, wo die Tunnelröhren verlegt werden sollen, fanden die Detonationen offenbar nicht statt. Doch in jedem Fall sage auch dieser Vorfall etwas über den Stellenwert von Schutzgebieten, findet Kim Detloff, beim Nabu Leiter der Abteilung Meeresschutz. Es geht im Streit um den Fehmarnbelt um einen besonderes empfindlichen Bereich: 70 Prozent des Wasseraustausches zwischen Nord- und Ostsee erfolgt durch diese bis zu 35 Meter tiefe Meerenge, sie hat laut Bundesamt für Naturschutz "eine Schlüsselfunktion" für marine Arten, darunter Schweinswale, Muscheln, Krebse.

Um die Planungen für die sogenannte Feste Fehmarnbeltquerung wird derweil weiter gezankt, schon ist vom "Stuttgart 21 des Nordens" die Rede. Ein etwa 18 Kilometer langer Tunnel mit Straßen und Schienen soll die Insel Fehmarn und Lolland verbinden, das 7,4 Milliarden Euro teure Bauwerk finanzieren weitgehend die Dänen. Die einen werben für eine neue Nähe von Skandinavien und Mitteleuropa, die anderem halten das Vorhaben für verkehrspolitisch unsinnig und ökologisch gefährlich. Gegner klagen, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig prüft die Einwände. Der Bundesrechnungshof schätzt, dass die deutsche Schienenanbindung mindestens 3,5 Milliarden Euro statt ursprünglich 800 Millionen Euro kosten werde, die Bahn spricht von maximal 2,8 Milliarden Euro. Kritiker verweisen auch auf Waffenreste im Meer.

1,9 Millionen Tonnen Kampfmittel aus den Weltkriegen werden in Deutschlands Nord- und Ostsee vermutet, kürzlich beschloss die Umweltministerkonferenz ein Konzept zur Munitionsräumung. Die Sprengung der Minen im Fehmarnbelt nennt die Bundesregierung "sofortige Abwehr von Gefahr für Leib und Leben". Die Grünen haben die Folgen der 39 Sprengungen im Meeresschutzgebiet Fehmarnbelt hochgerechnet und kommen auf "eine Zerstörung von bis zu 110 000 Quadratmetern oder einer Fläche von bis zu 27 Fußballfeldern".

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