Süddeutsche Zeitung

Fed-Zinsentscheidung:US-Notenbank erhöht Zinsen - trotz Druck von Trump

  • Die Notenbanker standen vor einem Dilemma: Zwar gab es durchaus gute Argumente dafür, nach allein drei Zinserhöhungen im laufenden Jahr erst einmal innezuhalten.
  • Doch dieser Schritt hätte als Einknicken vor US-Präsident Trump gewertet werden können.
  • Am Mittwochabend gaben die Währungshüter dann ihre Entscheidung bekannt: Der Leitzins steigt tatsächlich auf 2,25 bis 2,5 Prozent.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Feigheit kann man Jerome Powell beim besten Willen nicht vorwerfen, im Gegenteil: Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die US-Notenbank Fed und ihr Chef auch im Zeitalter des Präsidenten Donald Trump ihre Unabhängigkeit zu wahren gedenken, dann haben sie ihn am Mittwochabend geliefert. Trotz aller Warnungen, Drohungen und wütenden Proteste Trumps im Vorfeld hob die Fed-Führung ihren wichtigsten Leitzins, die sogenannte Tagesgeldzielspanne, um einen weiteren Viertelprozentpunkt an - zum vierten Mal in diesem Jahr auf nun 2,25 bis 2,5 Prozent. Der Präsident, der Powell erst vor gut einem Jahr persönlich ins Amt gehievt hatte, dürfte geschäumt haben.

Mit den steigenden Leitsätzen will die Fed die Banken des Landes zu einer Verteuerung von Krediten an Firmen und Verbraucher anregen. Das soll wiederum eine Überhitzung der Konjunktur und rasche, unkontrollierte Preissteigerungen verhindern. Die Vermeidung von Inflation bei gleichzeitig möglichst niedriger Arbeitslosigkeit ist die Kernaufgabe der Notenbank.

Zugleich bedrohen die Währungshüter mit ihrem Kurs jedoch Trumps Vorhaben, das Wirtschaftswachstum mit Gewalt auf Werte über drei oder gar vier Prozent zu steigern. Der Präsident hält es zudem für "ungerecht", dass er mit steigenden Zinsen zu tun hat, während diese in der Amtszeit seines Vorgängers Barack Obama praktisch durchgängig nahe null lagen. Dabei übersieht er jedoch, dass die Fed ihre Politik nicht danach ausrichtet, wer im Weißen Haus regiert, sondern wie es um die Wirtschaft bestellt ist. So musste Obama mit den Folgen der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg klar kommen, während Trump bei Amtsantritt eine gut laufende Wirtschaft vorfand.

Powell machte im Anschluss an die letzte turnusmäßige Sitzung des zinspolitischen Ausschusses in diesem Jahr deutlich, dass die Zinserhöhung allein ökonomische Gründe habe. Zwar räumte er vor Journalisten ein, dass sich die Konjunkturaussichten weltweit ein wenig eingetrübt und die Kursschwankungen an den Börsen ausgeweitet hätten. Dennoch sei der Aufschwung in den USA weiter robust - wovon zwar nicht alle, aber doch viele Amerikaner profitierten. So werde die mit 3,7 Prozent ohnehin historisch niedrige Arbeitslosenquote im kommenden Jahr voraussichtlich weiter auf 3,5 Prozent sinken. Deshalb werde die Fed ihren Kurs der langsamen, stetigen zinspolitischen Normalisierung aus heutiger Sicht auch 2019 fortsetzen. Allerdings sei statt der bisher erwarteten weiteren drei Zinserhöhungen eher mit nur zwei Anhebungen zu rechnen.

Auf Trumps Drohungen im Vorfeld der Ausschusssitzung ging Powell nur indirekt ein. Er betonte, die Fed orientiere sich bei ihren Beschlüssen allein am Mandat, das ihr der Kongress gegeben habe. "Politische Erwägungen haben bei unserer Entscheidung keinerlei Rolle gespielt", betonte er und fügte an: "Nichts wird uns davon abhalten, das zu tun, was wir für richtig halten." Trump, der sich wiederholt in die Arbeit unabhängiger Behörden wie der Fed oder des Justizministeriums eingemischt und Loyalität verlangt hatte, dürfte letztere Aussage als Provokation empfunden haben.

Der Präsident hatte in den vergangenen Wochen wiederholt geklagt, er sei mit seiner Entscheidung von Ende 2017, Powell als neuen Fed-Chef zu nominieren "kein bisschen glücklich". Die Notenbank sei für die Vereinigten Staaten mittlerweile "ein noch viel größeres Problem als China". Es sei "unglaublich, dass die Fed angesichts der Tatsache, dass die Welt um uns herum explodiert, dass Paris brennt und es in China bergab geht, eine weitere Zinserhöhung auch nur erwägt". Was die Konjunkturabkühlung in China oder gar die Demonstrationen in Frankreich mit der US-Geldpolitik zu tun haben sollen, konnte oder wollte Trump allerdings nicht weiter erläutern.

Angesichts der ungewisseren Konjunkturaussichten war die Ausgangslage für die Fed schon ohne die Einmischung des Präsidenten kompliziert. Das gilt umso mehr, als die Notenbank mit dem jetzigen Zinsschritt erstmals seit Ausbruch der Weltfinanzkrise vor zehn Jahren wieder in "neutrale" Gefilde vorstößt, in eine Region also, in der die Geldpolitik das Wirtschaftswachstum weder aktiv befeuert, noch bremst. Nach Schätzung der Währungshüter liegt dieser "neutrale Leitzins" irgendwo zwischen 2,5 und 3,5 Prozent.

Dass die Fed nun gerade einmal die unteren Grenze dieser Spanne erreicht, zeigt, wie wenig Substanz Trumps Dauervorwurf hat, die Notenbank untergrabe mit ihrer Geldpolitik seine Bemühungen um einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung. Vielmehr war es der US-Präsident selbst, der Powell zu den Zinserhöhungen der vergangenen Monate gewissermaßen nötigte: Wer in einen seit Jahren laufenden Aufschwung und eine Phase annähernder Vollbeschäftigung hinein die Steuern radikal senkt, wie Trump es zu Jahresbeginn getan tat, kann sich zwar eine Zeit lang mit zusätzlich aufgeblähten Wachstumsraten schmücken. Er erhöht aber zugleich das ohnehin bestehende Inflationsrisiko.

Trump intensivierte seine Attacken zuletzt noch

Die Aktienbörsen reagierten mit deutlichen Kursverlusten auf die Entscheidung der Fed. Nicht wenige Händler befürchten, dass die Notenbank die Zinsen zu schnell und zu aggressiv anhebt und den Aufschwung damit letztlich abwürgen wird. Der S&P-500-Index verlor zunächst rund zwei Prozent, auch die Renditen an den Anleihemärkten gaben nach. Das dürfte den Ärger Trumps, der sich bis in den Herbst hinein regelmäßig mit den damaligen Kursgewinnen an den Börsen gebrüstet hatte, zusätzlich erhöhen. Nach einer heftigen Talfahrt sind viele Aktien mittlerweile billiger als zu Jahresbeginn. Zahlreiche Anleger haben also Geld verloren.

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SZ vom 20.12.2018/lalse/vd
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