FC Bayern:Mia san App

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Ein Teilnehmer des Hackathons arbeitet mit einem dreidimensionalen Abbild des Bayern-Torhüters Manuel Neuer. (Foto: Fred Joch/FC Bayern)

Der FC Bayern München lädt Fans aus aller Welt zu einem Hackathon ein, um digitale Fan-Erlebnisse zu entwickeln. Daran zeigt sich: Auch im Sport wird Technologie immer wichtiger.

Von Marlene Thiele, München

Es gibt Bier, es gibt Brezen und - am wichtigsten - es gibt mehr als 100 technische Gadgets, mit denen Programmierer spielen können. Shuttlebusse fahren zwischen Hostel und der Allianz-Arena hin und her, die Arbeitstage sind auf 15 Stunden festgelegt. Der FC Bayern hat für seinen ersten Hackathon 220 Fans aus 40 Ländern in seine Arena in Fröttmaning eingeladen, um dort Fan-Erlebnisse der Zukunft zu entwickeln.

Die Arena bietet 75 000 Plätze, der FC Bayern hingegen hat mehr als 43 Millionen Facebook-Fans - die weitaus meisten Fans erleben den Verein also virtuell. Daher geht es bei den Hackdays wie bei jedem Hackathon darum, nützliche Software zu entwickeln. Die Teilnehmer sind größtenteils Programmierer, Entwickler und Designer, die in Dreier- bis Fünfer-Teams Apps oder Anwendungen erfinden und herstellen. Um Geld geht es keinem, es gibt hier auch nur Sachpreise zu gewinnen. Im Vordergrund steht das gemeinsame Programmieren. "Es ist eine tolle Gelegenheit interessante Kontakte in der ganzen Welt zu knüpfen", sagt Maximilian Klinke, 22. Der Oberbayer programmiert gemeinsam mit einem Produktentwickler aus Hannover, einem Designer aus Schweden und einer amerikanischen Entwicklerin eine Augmented Reality-Anwendung, die das Fußballspiel am Bildschirm mit Zusatzinformationen erweitern soll.

Die vier sitzen an einer Tischgruppe in einem Foyer der Allianz-Arena, neben den Laptops stehen leere Cola-Flaschen und ein Teller mit Brezen und Frischkäse. Im Raum sind noch rund 20 andere Teams, manche kamen gemeinsam, andere haben sich erst hier gefunden. Gestresst wirkt niemand, obwohl das ganze eigentlich ein Wettbewerb ist. Der Hauptpreis ist eine Reise zum Auswärtsspiel mit der Mannschaft, gewinnen kann ihn nur ein Team. "Ich hätte schon Lust, Bayern auswärts siegen zu sehen", sagt Klinke. "Aber vor allem macht es Spaß, hier zusammen etwas Neues zu entwickeln."

Sport konkurriert gerade bei jüngeren Fans mit anderen Freizeitbeschäftigungen

Von Fans für Fans, darum geht es. Klinke ist Bayern-Fan und spielt selbst Fußball. Er hat keine Angst, dass die technischen Spielereien den eigentlichen Sport ersetzen: "Die Fans, die ins Stadion gehen, gibt es ja immer noch. Nur kann das nicht jeder, weil es nicht genügend Plätze gibt und viele zu weit entfernt wohnen. Da ist es doch besser, die Fans partizipieren virtuell als gar nicht."

Ähnlich sieht es auch Stefan Mennerich, Direktor Medien, Digital und Kommunikation beim FC Bayern: "Wir wollen unsere Fans auf der ganzen Welt erreichen." Die Idee zum Hackathon hatte er letzten Sommer, gemeinsam mit Benjamin Stoll, dem Leiter für Digitale Plattformen, Strategie und Innovationen. Ziel sei es, von den Fans zu erfahren, welche Neuerungen sie sich wünschen, so Stoll. Dabei werde die Technologie immer wichtiger.

Diese Entwicklung gibt es nicht nur im Fußball, sagt André Bühler, Leiter des Deutschen Instituts für Sportmarketing: "Da sich die Mediennutzung unter Fans elementar verändert hat, müssen Sportorganisationen darauf reagieren und sich verstärkt mit dem Thema soziale und digitale Medien auseinandersetzen." Fußballvereine müssten zunehmend neue Wege gehen, um die Fans an die eigene Vereinsmarke zu binden. Das liege daran, dass die Vereine sich durch Überkommerzialisierung und zahlreiche Skandale immer mehr von ihren Fans entfremden. Zudem konkurriere der Sport gerade bei jüngeren Fans mit vielen anderen Freizeitbeschäftigungen.

Die Vereine wollen zudem auch über die 90 Minuten Fußballspiel hinaus präsent sein. Videos auf Facebook und Fotos auf Instagram sind längst Pflicht - die Kür sind spezielle Inhalte in verschiedenen Sprachen für die internationalen Fans, Apps mit Analysen und Hintergrundinformationen und Seherlebnisse, die mehr als zweidimensional sind. Jeder Verein buhlt mit anderen Ideen um die Fantreue.

Für den FC Bayern sind die Hackdays besonders wichtig, betont Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern: "Sie sind der Auftakt unserer Bemühungen, ein weltweiter Benchmark in der Digitalisierung eines Fußballvereins zu werden." Es sei klar kommuniziertes Ziel der Veranstaltung, gute Ideen gemeinsam mit den jeweiligen Teams weiterzuentwickeln, sagt Stoll: "In den USA finden die Veranstalter von Hackathons oft talentierte Mitarbeiter."

Unterstützt wird der FC Bayern von UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung an der TU München, sowie den Sponsoren Adidas, Audi, DHL, SAP, Siemens und Telekom, die bei den Hackdays jeweils eine Challenge ausrichten. Die Teilnehmer haben sich schon bei der Bewerbung entschieden, ob sie lieber für Audi das Fanerlebnis im Auto optimieren oder für Adidas die emotionale Bindung an die Produkte verstärken wollen. Die Sponsoren hoffen auf gute Ideen für die Kunden von morgen, dafür bieten sie Expertise und finanzieren das Event, inklusive Fahrtkosten und Unterkunft für alle. Die Gewinne lohnen sich nur für Fans. "Wer hier mitmacht, soll das wirklich wollen", betont Mennerich. "Uns ist es wichtig, trotz aller Innovationen nicht zu vergessen, wer wir sind." Damit das auch den Erfolgsfans der vergangenen Jahre bewusst wird, zeigt Mennerich bei der Eröffnung Schwarz-Weiß-Fotos auf Großleinwand: Das Gründungslokal in München-Schwabing, die Mannschaft der 1970er Jahre, einer Zeit, in der das Fan-Sein nicht über ein Poster an der Wand hinausging.

Trotz aller Digitalisierung: Fußball bleibt ein analoger Sport

Inzwischen werde der Profi-Sport immer mehr zum Entertainment, sagt André Bühler vom Institut für Sportmarketing. "Aber trotz aller Digitalisierung bleibt Fußball ein analoger Sport, bei dem 22 echte Menschen mit einem echten Ball auf zwei echte Tore spielen." Auch Mennerich betont, dass der Verein mit den Innovationen zwar um die weltweite Währung Aufmerksamkeit konkurriere, das Spiel auf dem Platz aber stets das wichtigste sei.

Auch das Siegerteam rückt den Sport wieder in den Vordergrund, durch eine innovative App, die dem Nutzer spontan kurze, sportliche Aufgaben stellt. Wer sie löst, bekommt Rabatt im Adidas-Fanshop. Und so bleiben auch die erfinderischsten Fußballfans beim Erfolgsrezept: Sport, Fanliebe und eine Prise Kommerz.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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