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Fast Food:Und, schmeckt's?

Die Deutschen kaufen gerne Fast Food, aber muss es stets ein fettiger Burger sein? Nein, die Kunden wollen immer häufiger Salate, Suppen oder einfach mal ein Wurstbrot. McDonald's und Burger King tun sich da schwer.

Von Max Hägler

Umsatzeinbruch also bei Burger King. Wie war es auch anders zu erwarten bei dem Burger-Brater, nach diesen Fernsehbildern vor einigen Tagen, die von miesen Arbeitsbedingungen berichteten und von Mitarbeitern, die zwecks Kostenersparnis den Müll mit ihren Füßen kleintrampeln und den vermeintlich frischen Zutaten, die dann umetikettiert werden, damit sie länger als Beilage auf dem Grillgut landen können.

"Das hat uns hart getroffen", sagt Andreas Bork, Deutschland-Chef von Burger King. Denn wer so etwas gesehen hat, geht zumindest für den Moment weniger gern in diese Läden. Wobei es die ganze Branche trifft: "Wir leiden deswegen alle gerade", sagt ein Topmanager eines Wettbewerbers.

Ist das Leiden nur eine Momentaufnahme, oder ist die Zeit der ungesunden Fast-Food-Restaurants vorbei? Die Zeit der börsennotierten US-Großkonzerne, die mit ihren standardisierten Hamburgern die Innenstädte bestimmt haben und auch den Speiseplan der rastlosen Gesellschaft?

Immer seltener wird gekocht, immer öfter aus der Hand gegessen

McDonald's, die mächtige Konkurrenz von Burger King, schwächelte bereits vor der Fernsehreportage des Undercover-Journalisten Günter Wallraff ein wenig: Seit 1971 verkauft McDonald's Burger und Fritten in Deutschland. Los ging's in München und seitdem stetig aufwärts. Auch das half dem Börsenkurs des Weltkonzerns weiter, der sich zwischen 2003 und 2012 beinahe verfünffachte. Doch jetzt scheint - wie passend - der Sättigungsgrad erreicht, zumal in Deutschland: Im wichtigsten Markt in Kerneuropa gingen im vergangenen Jahr die Erlöse zurück, erstmals seit dem Markteintritt.

"Nein, das kennzeichnet sicher nicht das Ende des Fast Foods", sagt Gesa Schönberger. Sie ist promovierte Ökotrophologin und Geschäftsführerin der Heidelberger Rainer-Wild-Stiftung, die sich für gesunde Ernährung einsetzt. "Wir essen viel aus der Hand, das ist ein ganz eindeutiger Trend, der sich auch nicht umkehren lässt." Immer seltener wird daheim gekocht, weil die Zeit fehlt, weil die Jobs die Menschen auseinanderbringen.

Man könnte meinen, dass dies die Ernährungswissenschaftlerin in Rage bringt. Das Gegenteil ist der Fall: "Fast Food ist zu Unrecht sehr negativ besetzt", sagt Schönberger. Es impliziere, dass man sich zu süß, zu fett und zu salzig ernähre. Und - stimmt das nicht? Wie bei so vielem im Leben sei auch hier das rechte Maß und die Abwechslung entscheidend, sagt die Wissenschaftlerin, reine Dogmatik zudem unpraktikabel: "Man kann ja nicht ständig mit einer Möhre in der Tasche herumlaufen, wenn das auch am gesündesten wäre."

Entscheidend ist aber auch, dass mittlerweile das Angebot deutlich größer geworden ist bei den schnellen Mahlzeiten. Tatsächlich teilt sich die Branche immer weiter auf. Fast Food bedeutet hierzulande nicht mehr nur Whopper (Burger King) oder Big Mac (McDonald's). "Heutzutage überlegen die Menschen zuerst, in welcher Kategorie sie essen wollen und dann entscheiden sie sich für die Marke", sagt Burger-King-Chef Bork. Das macht den Platzhirschen aus den USA zu schaffen.

In Berlin etablieren sich Dutzende Streetfood-Küchen

In jeder deutschen Großstadt überbieten sich derzeit Szenegastronomen mit Burgerläden. Bereits 19-mal in Deutschland ist etwa die neue Kette "Hans im Glück" vertreten, die ihre Läden im skandinavischen Birkenstil einrichten und den US-Konzernen Marktanteile abknapsen.

Und dann gibt es eben auch immer mehr Fast-Food-Kategorien. Denn Geschmack ändert sich, das wissen sie in den USA am Besten: Als im Jahr 1925 mehrere tausend New Yorker nach ihrem Lieblingsessen gefragt wurden, landeten Hamburger noch auf Platz 19 - hinter Kuhzungen und Spinat.

In der Gegenwart und in Deutschland ist der Wechsel der Geschmäcker am augenfälligsten in Berlin: In der Kreuzberger Markthalle oder an der Spree haben sich Dutzende Streetfood-Küchen etabliert, egal ob peruanisch, schwäbisch oder italienisch. Beim "Heißen Hobel" gibt es Käsespätzle. Ein Israeli serviert "Iranian Love Bombs": Tomate mit Granatapfelsoße, Aprikose und Cranberry. Und alles nicht zu teuer: Der zehn Euro-Schein reicht für Speis und Trank. Bei Burger King oder McDonald's kostet ein Menu zwischen sechs und acht Euro.

Oder die Münchner Maxvorstadt. Dort hat der DJ Martin Peter die Waldmeisterei aufgemacht. Ein wichtiges Angebot dort: Das gute alte Wurstbrot. Belegt mit Bio-Roastbeef und zubereitet von einem Menschen, der als Wirtssohn nicht vergessen hat, dass Respekt vor Lebensmitteln auch ein Geschäftsfaktor ist: 3,80 Euro kostet es, teurer als beim Metzger, aber machbar. Der Laden läuft.

Und dann natürlich die Döner-Läden: Früher waren es vor allem Buden mit zweifelhaftem Grauschleier an den Wänden und der Standardfrage: "Bisschen scharf?" Die Branche hat sich aber gemausert. Es gibt Fachmessen, wie die "Döga", bei denen Lavasteingrills präsentiert werden oder "Slicer"-Messer, mit denen sich der Spieß schneller schnippeln lässt.

Und Geschwindigkeit ist gefragt: Döner ist ein Wirtschaftsfaktor geworden. In der Branche heißt es, 16 000 Dönerläden mit 60 000 Beschäftigten verkauften täglich drei Millionen Döner Kebaps. Im Jahr 2012 waren Döner bei den Deutschen jedenfalls beliebter als Burger, auf Platz drei und vier folgen übrigens Pizza und Currywurst.

Und wenn es noch einen deutschen Investor mit Reputation als Bestätigung dafür gebraucht hat, dass Fast Food eine Boombranche ist, dann ist der in Schwaben gefunden: In Stuttgart hat vor wenigen Monaten ein neues, etwas anderes Schnellrestaurant aufgemacht, das dank Mosaikkacheln ein wenig nach moderner Moschee aussieht: "Yaz - eine Prise Orient".

Trotz Ausreißer scheint die Qualität zu stimmen

Einer der Geldgeber und Berater ist Erwin Staudt, ehemals Deutschland-Chef von IBM und Ehrenpräsident des VfB Stuttgart. Ihn hat die Idee von Betreiber Erkan Erkul offenbar überzeugt, dass Falafel, Couscous und Köfte rasch, aber ansprechend serviert in Glasschälchen, durchaus Potenzial haben. "In zehn Jahren wollen wir in 50 deutschen Großstädten vertreten sein", heißt es von Erkul selbstbewusst - das wäre dann Systemgastronomie à la McDonald's oder Burger King.

Also doch wieder Industrialisierung. Ein Problem? "Die industrielle Fertigung macht manches intransparenter, aber hat uns viel Gutes gebracht", sagt Wissenschaftlerin Schönberger. Wer wolle denn noch selbst schlachten oder könne bei Frischmilch für Keimfreiheit garantieren?

Tatsächlich scheint in der Fast-Food-Branche trotz der berichteten Ausreißer die Qualität zu stimmen: Als dieser Tage das ZDF Burger King und McDonald's einem großen Vergleich unterzog, attestierte das Labor: Die Fleischqualität gehe bei beiden über das hinaus, was man im Einzelhandel kaufen kann. Auch amtliche Lebensmittel-Überwacher geben derzeit Entwarnung.

Das ist es, was Burger-King-Chef Andreas Bork fuchst: Insgesamt laufe alles sehr ordentlich, würden Standards übertroffen. Nur in den ehemaligen eigenen Läden, die der Konzern vor einem Jahr an den Franchise-Nehmer Yi-Ko verkaufte, da habe es gehakt. "Die letzten drei Jahren liefen sehr gut für uns. Gerade deshalb tut es uns leid, dass wir unsere Gäste jetzt enttäuscht haben", sagt er.

Burger-Angestellte protestieren weltweit

In dieser Woche hat die Zentrale in München die Macht wieder selbst übernommen, am kommenden Montag wird eine Managerin alle Restaurantchefs der 90 Yi-Ko-Filialen zusammenholen und einnorden: Zutaten, die interne Ablauffristen überschritten haben, müssen weggeworfen werden, auch wenn es Kosten verursacht.

Und auch der Umgang mit den Mitarbeitern soll sich bessern. Der bei den Betriebsräten der Yi-Ko GmbH gefürchtet Arbeitsrechtler Helmut Naujoks habe mit Burger King nichts mehr zu tun: "Wir gehen aktiv auf die Gewerkschaft zu und sind bereits in Gesprächen." Die Nachricht kommt zur rechten Zeit: Für den kommenden Donnerstag haben Burger-Angestellte in der ganzen Welt zu Protesten aufgerufen, um auf ihre teils miesen Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen, die in Deutschland insgesamt so mies nicht sind.

Das Ziel des Ganzen: Die Menschen sollen wieder Vertrauen fassen zu Burger King und Burgern insgesamt. Und dazu gehört natürlich das Bekenntnis zum eigenen Produkt: "Ich werde heute sicher noch einen Whopper essen", sagt Bork. Das sei ein Genuss, den er sich regelmäßig gönne.

Ganz so große Emotionen hat die Ökotrophologin Schönberger nicht bei Hackfleischsemmeln - aber auch sie geht mit ihren beiden Kindern ab und an zu McDonald's oder Burger King: "Das gehört zur Kindheit und Jugend." Sie selbst holt sich indes lieber eine Breze, wenn es schnell gehen muss. Oder einen Wrap. Oder eine Suppe. Alternativen gibt es genug.

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SZ vom 10.05.2014/uga
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