Familienunternehmen:Stoff für alle

Die Katag wurde für kleine Textileinzelhändler gegründet, doch nun gewinnen große Filialisten an Gewicht.

Stefan Weber

Da ist die bald 70-jährige Inhaberin eines kleinen Modeladens, die immer noch jedes Jahr zur Messe fährt und sicher zu wissen glaubt, welche bauchfreien Tops bei jungen Mädchen angesagt sind. Oder der 65-jährige Eigentümer eines Bekleidungshauses, der noch gut zehn Jahre arbeiten möchte, weil erst dann sein 15-jähriger Sohn aus zweiter Ehe in der Lage sein wird, die Nachfolge anzutreten. Oder das ergraute Ehepaar, das sein schlecht laufendes Textilkaufhaus nur deshalb noch nicht dichtgemacht hat, weil die alten Leute keine finanzielle Vorsorge getroffen haben.

Solche Geschichten kennt Daniel Terberger zu Genüge. Er ist der Vorstandssprecher der Katag, einer Art Dienstleister für Modehändler: Sie übernimmt den Einkauf und berät bei der Zusammenstellung des Sortiments, hilft bei Ladengestaltung und Werbung und leistet auch Hilfestellung in Finanzfragen.

Europaweite Nummer eins

Entsprechend eng ist der Kontakt des Katag-Managements zu den meist familiengeführten Handelsunternehmen. Beinahe täglich, so erzählt Terberger, erlebe er, welche Dramen sich mitunter in Familienunternehmen abspielen - vor allem, wenn es um Nachfolgefragen gehe. "Daran können Firmen zerbrechen", weiß der 41-Jährige, "für andere ist es die Chance, neuen Schwung zu entwickeln".

In seinem Metier ist das Bielefelder Unternehmen europaweit die Nummer eins. "In Deutschland gibt es keine nennenswerten Mitbewerber", sagt Terberger und bemüht sich zu vermeiden, dass es arrogant klingt. Unter den Kunden sind Fachhändler mit nur einem Laden in der Provinz, ebenso kleine Filialisten - aber auch Ketten wie Wöhrl oder das Warenhaus Hertie.

Angetreten als Robin Hood

Eine auf den ersten Blick so unterschiedliche Klientel bedeutet für die Katag einen ziemlichen Spagat. Angetreten war das Unternehmen einst, wie viele Einkaufsverbände, als eine Art Robin Hood: als Partner der kleinen Händler. Die gerieten immer weiter ins Hintertreffen beim Kampf gegen Großbetriebe, welche dank ihrer Marktmacht hohe Rabatte von den Lieferanten verlangen können. Durch eine gemeinsame Warenbeschaffung wollten die Kleinen ähnlich günstig einkaufen wie etwa Karstadt, Kaufhof und die anderen Großen.

Inzwischen sind viele kleine Modehändler vom Markt verschwunden. Und so finden sich in Terbergers Kundenkartei zunehmend filialisierte Betriebe. Er hält das nicht für verwunderlich, das sei eben ein Abbild der Marktentwicklung, sagt der Katag-Chef.

Auf Seite 2: das schwierige Marktumfeld

Stoff für alle

Verwunderlich finden manche allerdings seine großzügige Definition des Begriffs Mittelstand: "Wer weniger als eine Milliarde Umsatz erwirtschaftet, ist Mittelständler", meint er. Gibt es keinen Widerspruch unter den kleinen Fachhändlern, wenn Großabnehmer wie Wöhrl oder Hertie dazustoßen? Über diese Themen werde jedes Jahr weniger diskutiert, sagt Terberger. "Die anfängliche Aufregung hat sich gelegt." Allen Katag-Kunden gemein sei, dass sie bevorzugte Einkaufsadressen "der bürgerlichen Mitte" seien.

Nervöse Ladenbetreiber

Aber in Zeiten, in denen Textildiscounter wie Kik und Takko jährlich mehrere hundert Läden eröffnen und andererseits Premiumanbieter hohe Zuwächse melden, droht der Mitte die Kundschaft auszugehen. "Dass die Mitte stirbt, ist Unfug", setzt Terberger dagegen. Zwar gebe es eine Polarisierung, vor allem zugunsten der Billiganbieter. Aber das sei keine dramatische Verschiebung.

Die Gewichte in der Katag-Kartei werden sich allerdings in den nächsten Jahren weiter zugunsten der filialisierten Betriebe verschieben, weil sich die Einzelhandelslandschaft verändert. Terberger sagt einen "brutalen Verdrängungswettbewerb" im Textilhandel voraus. Wer eine Umsatzrendite von weniger als drei Prozent erwirtschafte, sei mittelfristig in seiner Existenz bedroht, meint der Katag-Chef. Denn dann sei man nicht in er Lage, notwendige Investitionen zu finanzieren, etwa in die Ladengestaltung.

Betriebe, die wachsen wollten und weitere Standorte planten, benötigten gar eine Umsatzrendite von sechs bis zehn Prozent, um diese Pläne umsetzen zu können. Solche Margen sind im Modehandel freilich dünn gesät: Fachleute schätzen, dass nicht einmal zehn Prozent der Betriebe eine entsprechende Ertragskraft aufweisen. Den 370 Kunden der Katag, die bundesweit mehr als 1100 Läden betreiben, stellt Terberger ein besseres Zeugnis aus: Zehn bis 20 Prozent von ihnen gehörten zur Gruppe der Spitzenverdiener im Modehandel.

"Der Handel braucht uns zum Geldverdienen"

Die Chancen, bald wieder bessere Renditen zu erwirtschaften, stehen nicht gut. Für das Geschäft im März und April vergeben Branchenkenner das Prädikat "katastrophal"; ein "guter Mai" habe das nicht wettmachen können, heißt es. Entsprechend nervös reagierten viele Ladenbetreiber und reduzierten bereits Ende Mai die Preise. Terberger hält in den nächsten drei Jahren ein Umsatzplus von jeweils ein bis zwei Prozent für möglich.

Sein eigenes Unternehmen soll dagegen möglichst fünf Prozent zulegen. Zuletzt war die Katag noch sehr viel flotter vorangekommen: 665 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2007 bedeuteten ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Aber ein Großteil dieses Zuwachses ging auf das Konto neu gewonnener Partnerunternehmen.

Das wird voraussichtlich nicht so weitergehen, denn mit der Auslese im Einzelhandel reduziert sich auch der Kreis möglicher Kunden für den Einkaufsverbund. Dessen Chef sieht dagegen immer noch Potential: "Der Handel braucht uns zum Geldverdienen", meint er.

Im Wettstreit mit vertikalen Anbietern (also Herstellern, die auch eigene Läden betreiben wie H&M oder Zara, inzwischen auch Gerry Weber) müssten Händler stärker ein eigenes Gesicht entwickeln. Dafür seien neben bekannten Marken auch preisgünstige Eigenmarken notwendig. Die liefere die Katag. Ein Poloshirt der hauseigenen Marke Basefield etwa sei im Laden zu einem Drittel des Preises zu haben, der für das Pendant eines renommierten Herstellers verlangt werde - "bei vergleichbarer Qualität", verspricht Terberger. Und auch für den Händler seien Eigenmarken ein Gewinn: Sie sicherten ihm eine höhere Marge.

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