Familienunternehmen:"Möbel werden in diesem Jahr noch einmal teurer"

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Die Pleiten in der deutschen Möbelindustrie reißen nicht ab. Nach der Insolvenz des Branchenführers Schieder und der Schieflage anderer Produzenten sieht Michael Stiehl, Vizepräsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie, weitere Unternehmen in Gefahr.

Stefan Weber

SZ: Herr Stiehl, niemand in Europa gibt Jahr für Jahr mehr Geld aus für Möbel als die Deutschen. Das Exportgeschäft brummt. Dennoch gibt es in der Branche immer wieder Pleiten wie zuletzt Schieder oder auch Flötotto.

Michael Stiehl: "Die Deutschen knausern derzeit beim Möbelkauf." (Foto: Foto: Rauch Möbelwerke)

Michael Stiehl: Richtig ist, dass die Deutschen derzeit beim Möbelkauf knausern. Im vergangenen Jahr haben sie erneut weniger in die Einrichtung ihrer Wohnung investiert.

SZ: Weil sie auf Grund der zum 1. Januar 2007 erfolgten Erhöhung der Mehrwertsteuer schon fleißig 2006 Möbel eingekauft hatten.

Stiehl: Nicht nur deshalb. Die drastischen Preiserhöhungen für Energie und Lebensmittel haben viele Verbraucher vor allem im vierten Quartal 2007 veranlasst, Geld zurückzulegen statt eine neue Sitzgruppe zu kaufen. Schließlich sind deutlich weniger Wohnungen und Häuser gebaut worden. Auch das hat die Möbelnachfrage gedämpft.

SZ: Nach Einschätzung von Komsumforschern haben die Verbraucher dieses Jahr wieder mehr Geld im Portemonnaie.

Stiehl: Davon wollen wir profitieren. 2008 verspricht auch im Inland ein recht ordentliches Möbeljahr zu werden. Und im Export erwartet die Branche wie schon im Vorjahr erneut ein zweistelliges Plus.

SZ: Wenn sich die Branche nächste Woche zur imm cologne, der weltweit größten Möbelmesse, trifft, wird auch von Preiserhöhungen die Rede sein. Das wird die Lust am Möbelkauf kaum steigern.

Stiehl: Ja, Möbel werden dieses Jahr noch einmal teurer, im Durchschnitt zwischen drei und fünf Prozent. Das geht gar nicht anders. Denn die Rohstoffpreise, allen voran für Holz, sind zuletzt drastisch gestiegen. Auch der Transport ist deutlich teurer geworden. Auf der anderen Seite hat sich aber auch die Qualität der Produkte verbessert. Ich erwarte nicht, dass die notwendigen Preiserhöhungen die Nachfrage spürbar bremsen.

SZ: Die Möbelindustrie ist stark mittelständisch geprägt; im Möbelhandel geben dagegen einige wenige Einkaufsverbände und große Handelsketten den Ton an. Diese Kräfteverhältnisse machen es für die Hersteller nicht leicht, höhere Preise durchzusetzen.

Stiehl: Die Kräfte sind ungleich verteilt. Der Möbelhandel besitzt immer noch eine gewaltige Übermacht. Aber diesmal führt an Preiserhöhungen kein Weg vorbei. Alle Hersteller haben mit deutlich gestiegenen Materialkosten zu kämpfen. Ihnen bleibt keine andere Wahl, als diese Verteuerungen an die Abnehmer weiterzugeben.

SZ: Im deutschen Möbelhandel gibt es erhebliche Überkapazitäten. Die Ladenbetreiber überbieten sich mit Rabattaktionen und werden weiter versuchen, die Einkaufspreise zu drücken.

Stiehl: Noch einmal: Die Industrie kann die höheren Belastungen nicht allein tragen. Schon 2007 fielen die Preiserhöhungen sehr viel geringer aus, als es auf Grund höherer Materialkosten notwendig gewesen wäre. Was den Kampf um Möbelkäufer angeht, so habe ich den Eindruck, dass viele Händler inzwischen nicht nur auf den Preis setzen, sondern auch ihre Beratungskompetenz stärker in die Waagschale werfen.

SZ: Die Beschaffungsalternativen für den Handel werden zudem immer geringer, weil die Pleitewelle in der Industrie kein Ende nimmt. In den vergangenen zehn Jahren haben 500 von einstmals 1600 Herstellern dichtgemacht. Mehr als 45000 Beschäftigte haben seit 2000 ihren Arbeitsplatz in der deutschen Möbelindustrie verloren. Geht die Auslese weiter?

Stiehl: Der Bereinigungsprozess ist noch nicht zu Ende. Im Frühjahr, wenn die Bilanzen vorliegen und über Kredite verhandelt wird, könnte es weitere Insolvenzen geben.

SZ: Wer ist besonders gefährdet?

Stiehl: Kleine Betriebe, die in Nischen tätig sind, sind weniger krisenanfällig; mittelgroße mit einem Umsatz von 25 Millionen bis 50 Millionen Euro sind da etwas anfälliger. Aber für alle Möbelunternehmen gilt: Ein strenger Blick auf die Kosten wird immer wichtiger. Wer sich nicht ständig um Rationalisierung bemüht, wird es schwer haben.

SZ: Gesetzt den Fall, es geraten tatsächlich weitere Firmen in Schwierigkeiten: Verschwinden dann Kapazitäten vom Markt. Oder kommt es zu Übernahmen?

Stiehl: Beide Varianten sind denkbar. Ich kann mir Übernahmen von Investoren mit dem Ziel, Know-how oder Marktanteile zu erwerben, vorstellen. Denkbar ist aber auch, dass Kapazität vom Markt genommen wird.

SZ: Mit Schieder ist im vergangenen Jahr der größte deutsche Möbelhersteller pleitegegangen. Damit verschwinden Kapazitäten vom Markt, was das Überleben für die übrigen Unternehmen doch leichter macht.

Stiehl: Sicher landet der eine oder andere Auftrag jetzt bei der Konkurrenz. Auch wir bei Rauch haben auf diese Weise von der Schieder-Pleite profitiert, insbesondere bei Kastenmöbeln im unteren Preisbereich. Aber die vielen Schlagzeilen, die der Fall Schieder gemacht hat, haben auch eine Kehrseite.

SZ: Die wäre?

Stiehl: Viele Möbelkäufer sind verunsichert und vorsichtig geworden, insbesondere wenn es darum geht, Anzahlungen zu leisten. Sie sind nicht mehr bereit, Anzahlungen zu leisten, weil sie fürchten, der Hersteller könne insolvent werden. Dann wäre ihr Geld verloren. Auch die Banken sind nach den Erfahrungen mit Schieder bei der Kreditvergabe an Möbelunternehmen sehr viel kritischer geworden. Aus meiner Sicht hat das Ansehen der gesamten Branche durch diese Pleite gelitten.

SZ: Mit Schieder hat es ausgerechnet ein Unternehmen erwischt, das frühzeitig große Teile seiner Fertigung ins Ausland verlagert hatte, wo die Lohnkosten deutlich niedriger sind. Haben denn Firmen, die in Deutschland fertigen, überhaupt noch eine Überlebenschance?

Stiehl: Das muss man vor dem Hintergrund der Sortimentstruktur sehen. Wir bei Rauch produzieren zum Beispiel Kastenmöbel in unteren und mittleren Preislagen ausschließlich in Deutschland und sind damit gut aufgestellt. Wichtig ist, dass man die Kosten im Griff hat und die Produktion so weit wie möglich automatisiert.

SZ: Oder man lässt in China fertigen

Stiehl: Eine Verlagerung der Produktion ist nur dann sinnvoll, wenn der Lohnkostenanteil an einem Produkt sehr hoch ist. Und auch dann muss man spitz rechnen. Denn der teure Transport und die fehlende Nähe zum Markt machen viele bei der Produktion gewonnene Kostenvorteile wieder zunichte.

SZ: Die Schwierigkeiten der Branche haben auch die Kölner Möbelmesse erreicht. Im vergangenen Jahr blieben viele namhafte Hersteller der Veranstaltung fern; die Küchenhersteller verzichteten sogar komplett auf einen Auftritt bei dem nach eigenem Bekunden weltweit bedeutendsten Branchentreff.

Stiehl: Das Konzept der Messe Köln gab aus Sicht der Industrie Anlass zur Kritik: So hatten sich die Messemacher nach unserer Meinung zu wenig um einen internationalen Anstrich der Veranstaltung bemüht. Aber das ist Vergangenheit. Industrie und Messe haben gemeinsam ein neues Konzept entwickelt. Erste Früchte lassen sich schon 2008 ernten. Viele Hersteller insbesondere aus dem Ausland zeigen in Köln wieder Flagge. Aber das kann nur ein erster Schritt sein. Die Veranstaltung muss in den nächsten Jahren weiter an ihrem Profil arbeiten.

SZ: Die Küchenhersteller bleiben der imm cologne aber weiter fern und laden ihre Kunden stattdessen lieber zu Hausmessen oder Regionalveranstaltungen ein.

Stiehl: Das trifft nur teilweise zu. Von den Premiumherstellern ist der eine oder andere wieder dabei und nutzt die Messeplattform aktiv. Das könnte ein Signal für die Massenanbieter sein, die diesmal noch fehlen, 2009 wieder mitzumachen. Gerade den vornehmlich vom Export lebenden Küchenherstellern muss daran gelegen sein, bei einer international bedeutenden Messe mitzumachen.

Michael Stiehl, 49, ist geschäftsführender Gesellschafter der Rauch Möbelwerke in Freudenberg und Vizepräsident des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie.

© SZ vom 10.01.2008/ckn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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