Familienunternehmen:"Leute entlassen - das war nie meine Sache"

Metz ist einer der drei verbliebenen TV-Hersteller in Deutschland. Die Eigentümerin und der Geschäftsführer über ein Leben für die Firma.

T. Riedl u. U. Ritzer

Seit 68 Jahren arbeitet Helene Metz, 84, beim Fernsehbauer Metz - einem der verbliebenen drei TV-Hersteller in Deutschland. Der Eingang des Unternehmens ist mit Holz vertäfelt, im Vorzimmer des Geschäftsführers Norbert Kotzbauer, 46, steht neben einem modernen PC eine Schreibmaschine der Marke Triumph-Adler. Hier wurde deutsche Wirtschaftsgeschichte gestaltet. Jetzt sucht das Unternehmen, das seine Wurzeln Ende der 30er Jahre hat, seinen Platz in der Zukunft.

Metz, dpa

Helene Metz besucht noch oft die TV-Fertigung in Zirndorf, auch wenn Norbert Kotzbauer die Geschäfte schon lange leitet.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Frau Metz, die Wirtschaft laviert durch eine der schlimmsten Krisen seit langem. Sie sind seit 1941 bei Metz. Haben Sie so etwas wie jetzt schon erlebt?

Helene Metz: Im Wirtschaftsleben gibt es immer wieder Krisen. Das hat schon im Krieg angefangen: Durch Bomben haben wir 1945 unser Warenlager verloren. Anschließend wurden unsere Forderungen in der französischen und der russischen Zone eingefroren. Dann gab es kaum Rohstoffe für die Fertigung. Ein Auf und Ab.

SZ: Sie sehen die aktuelle Wirtschaftslage also recht entspannt?

Metz: Nein. Man muss aufpassen, ordentliche Arbeit leisten und rechtzeitig gegensteuern. Ich habe eine gute Mannschaft, die ihre Augen offenhält.

SZ: Wie sehr betrifft Metz die Krise?

Norbert Kotzbauer: Einerseits kaum. Denn in diesen Zeiten sparen die Menschen zwar, gönnen sich aber einiges ganz bewusst. Hinzu kommt die Nachfrage nach einer neuen Technik: Es gibt in Deutschland 26 Millionen alte Bildröhrengeräte. Die werden nach und nach durch moderne LCD-Flachbildfernseher ersetzt. Andererseits kämpfen wir gegen den Preisverfall. Im ersten Halbjahr sanken die Preise für LCD-Geräte um ein Fünftel. Wir werden 2009 einige Prozente unter dem Umsatz von 145 Millionen Euro im vergangenen Jahr bleiben. Das ist kein Beinbruch, zuvor haben wir gut zugelegt.

SZ: Wenn es so gut lief: Warum haben Sie die Firma eigentlich nie verkauft?

Metz: Daheim habe ich einen dicken Stapel mit Angeboten: nach dem Tod meines Mannes von Konzernen, später von Finanzinvestoren. Heute sind diese Schreiben wegen der Krise weniger geworden. Aber zu verkaufen und mitzuerleben wie Betriebe schließen, Leute entlassen werden - das war nie meine Sache.

SZ: Grundig, Nordmende, Telefunken oder Saba - viele bekannte deutsche Marken sind in der Vergangenheit untergegangen. Was haben die falsch gemacht?

Metz: Das war alles sehr unschön. Was en détail passiert ist, wissen wir nicht. Man kann aber sagen, dass es Zeiten gab, in denen viele immer größer werden wollten, auf Stückzahlen geschaut haben - ohne Rücksicht auf die Finanzen. Das hat mein Mann auch immer beklagt.

SZ: Und was lief bei Metz anders?

Metz: Viele Geräte wurden damals über den Großhandel verkauft. Mein Mann hat aber die Entscheidung getroffen, mit dem Einzelhandel zusammenzuarbeiten. Mit der Einkaufsgenossenschaft Funkberater - heute Euronics - wurde 1963 die Vereinbarung per Handschlag besiegelt. Das hat heute noch Bestand. Die Großhändler von einst dagegen sind zumeist lange verschwunden.

SZ: Fachhändler haben Metz gerettet?

Kotzbauer: Ja, das kann man so sagen.

SZ: Jetzt machen Media Markt, Saturn & Co. und Internetshops dem Fachhandel das Leben schwer. Müssten Sie da nicht reagieren?

Kotzbauer: Die Zahl der Fachhändler sinkt, aber den gut geführten Fachhandel, der sich in Sachen Beratung und Service auskennt und sich so vom Preiskampf mit Elektronikdiscountern abgrenzt, dem gehört die Zukunft. Ein Drittel der Umsätze beim Fernsehverkauf machen Fachhändler. Je komplexer und komplizierter Fernsehgeräte werden, desto eher wünschen die Kunden Beratung und Hilfe. Das gilt gerade für die Generation 50 plus, also einen Großteil unserer Zielgruppe.

SZ: 50 plus - mit Verlaub - das klingt im Vergleich zu anderen, eher hippen Elektromarken ein wenig verstaubt.

Kotzbauer: Bitte, Madonna ist auch schon älter als 50 Jahre. Aber im Ernst: Metz richtet sich an eine agile Klientel mit den finanziellen Mitteln und dem Wunsch, sich eine besondere Qualität zu leisten. Für diese Menschen ist das eine Frage der Lebenseinstellung.

SZ: Trotzdem: Metz gilt als bieder.

Kotzbauer: Wir wollen ja gar keine Lifestyle-Marke sein, wir arbeiten aber an unserem Auftreten, um dieses zeitgemäßer zu machen. So schauen unsere Geräte heute schon viel schicker aus, Nussbaumoptik war gestern. Es wird allerdings keine 180-Grad-Wende geben. Die Marke Metz soll moderner und aktueller werden - nicht modisch. Die Grundphilosophie wird sich nicht ändern.

Metz und Kotzbauer über die Produktion in Zirndorf

SZ: Ihre Firma produziert alle Geräte in der Nähe von Nürnberg. Wie lange können Sie sich das bei der Billigkonkurrenz aus Asien noch leisten?

Kotzbauer: Wir werden auch künftig in Zirndorf produzieren. Das geht, weil wir uns auf keine Preisschlachten einlassen. Würden wir das tun, wäre der Standort Deutschland nicht mehr tragbar.

SZ: Made in Germany steht zwar auf den Fernsehern. Aber das Gros der Materialien kommt doch aus Asien, oder?

Kotzbauer: Wir fertigen natürlich keine Bauteile wie Chips oder das Display. Aber wir wählen jedes Bauteil aus, kombinieren und verarbeiten es mit unserem Wissen. Viele Komponenten gibt es nur noch in Asien, doch Qualität beginnt mit der Auswahl der Lieferanten. Manches, wie zum Beispiel ein Netzteil, wird nach unseren Vorgaben gefertigt. Wir kleben eben nicht nur unser Logo drauf.

SZ: Zur Funkausstellung zeigt Metz einen TV, der weiß, ob das Garagentor offen steht. Andere Hersteller bringen Geräte mit Funkverbindung zum Internet oder Festplatten. Wo soll das hinführen?

Kotzbauer: Internet auf dem Fernseher erfährt gerade die dritte oder vierte Wiedergeburt. Für uns bleibt das Gerät der Mittelpunkt des häuslichen Lebens. Wir führen solche Technologien erst ein, wenn sie ausgereift sind und einfach zu bedienen. Unsere Kunden hätten kein Verständnis, wenn bei ihrem Metz-TV etwas nicht richtig funktionieren würde. Bild und Ton stehen im Vordergrund - erst dann folgen weitere Funktionen.

SZ: Surfen im Netz, Anschauen von Urlaubsbildern oder Einschalten der Alarmanlage über den Fernseher. Können Sie das noch bedienen?

Metz: Ich habe viel zu wenig Zeit zum Fernsehen und benutze bei weitem nicht alle Funktionen. Aber wenn mir meine Freundinnen erzählen, was die alles mit dem TV machen, staune ich schon.

SZ: Wie stark sind Sie denn bei Metz noch im Tagesgeschäft engagiert?

Metz: Soll ich das in Prozenten ausdrücken? Manchmal mehr, manchmal weniger - den operativen Betrieb leiten meine zwei Geschäftsführer. Beide arbeiten eng zusammen, deshalb habe ich mein früheres Büro geräumt ...

Kotzbauer: ... und ein neues bezogen.

Metz: Ja, jetzt sitze ich einige Meter weiter. Habe aber noch alles im Auge.

SZ: Mit 84 sind die meisten Ihrer Altersgenossen schon Jahre daheim.

Metz: Das ist hier so etwas wie mein zweites Zuhause. Ich bin so lange im Betrieb, habe die Firma mit meinem Mann aufgebaut, sie ihm zuliebe und für die Kunden und Mitarbeiter fortgeführt.

SZ: Wie ist es, Herr Kotzbauer, täglich das Geld von Frau Metz auszugeben?

Kotzbauer: Jeder weiß, das Unternehmen gehört Frau Metz. Das schafft ein besonderes Vertrauensverhältnis. Frau Metz strömt Menschlichkeit aus und prägt damit die Unternehmenskultur. Außerdem haben sie und ihr Mann immer Wert auf flache Hierarchien gelegt. Das soll nicht den Anschein von absoluter Friedfertigkeit erwecken, auch wir müssen wirtschaftlich arbeiten - aber der Rahmen ist gut. In erfolgreichen wie auch in schwierigen Zeiten kann man in Ruhe arbeiten.

SZ: Haben Sie Vertrauen in das, was Herr Kotzbauer mit Ihrem Geld macht?

Metz: (lacht) Ja, umfassendes - sonst hätte ich mein Zimmer nicht geräumt.

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