Süddeutsche Zeitung

Familienunternehmen:Der Weg ist das Ziel

Familienunternehmen gehen mutig ins Ausland, das zeigt eine Studie. Bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder sind sie jedoch vorsichtig.

Elisabeth Dostert

Bei der Expansion ins Ausland agieren börsennotierte deutsche Familienunternehmen genauso mutig wie Konzerne mit breitem Streubesitz. Deutlich vorsichtiger sind sie aber dann, wenn es darum geht, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Da bewegen sie sich lieber auf bekanntem und naheliegendem Terrain, während die Konkurrenz sich häufiger auf völlig neue Sparten einlässt. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie des Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) an der Technischen Universität München.

Die Untersuchung basiert auf Daten deutscher Aktiengesellschaften, die im Zeitraum von 2002 bis 2006 mindestens ein Jahr im Prime Standard der Deutschen Börse notiert waren, dem Segment mit den höchsten Anforderungen. Insgesamt waren das etwa 400 Firmen. Anders als von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen, halten Gründerfamilien durchschnittlich rund ein Fünftel des Grundkapitals an diesen Unternehmen. Sie sind damit bei weitem die bedeutendste Aktionärsgruppe in Deutschland.

Aber nicht alle Firmen im Prime Standard taugten für die Studie. Finanzdienstleister und Firmen mit unklarer Gesellschafterstruktur wurden nicht berücksichtigt. Übrig blieben für den Vergleich 339 Betriebe, darunter ehemalige Staatsunternehmen wie die Lufthansa, Unternehmen genossenschaftlichen Ursprungs wie Südzucker, Konzerabspaltungen wie Infineon und durch Unternehmerfamilien gegründete Firmen.

Mut zum Risiko

Von den untersuchten 339 Firmen erfüllten 220 die Definition eines Familienunternehmens: die Familie des Gründers hält mindestens ein Viertel des Kapitals und/oder mindestens ein Familienmitglied sitzt im Vorstand oder Aufsichtsrat.

Beim Gang ins Ausland scheuen die Familien keine Risiken, sagt Ann-Kristin Achleitner, Inhaberin des KfW-Stiftungslehrstuhls für Entrepreneurial Finance und wissenschaftliche Direktorin des CEFS. Sie hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Christoph Kaserer sowie Markus Ampenberger und Thomas Schmid die Studie verfasst.

"Der Wettbewerbsdruck bestimmt die geographische Diversifikation, nicht die Eigentümerstruktur", erklärt Ampenberger. "Viele Familienunternehmen haben es in ihrer Nische zu einer weltweit führenden Marktposition gebracht", sagt Achleitner. Das Paradebeispiel dafür ist das europaweit größte Softwarehaus SAP, aber auch der Konzern Wacker Chemie oder das Solarunternehmen Solarworld.

Gefahr bei regionaler Ausweitung

Bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder agieren die Familien getreu dem alten Spruch "Schuster bleib bei deinen Leisten". Pfleiderer hat sich stets auf Holzwerkstoffe konzentriert, IDS Scheer auf Software im Bereich Geschäftsprozessmanagement. Konzerne im Streubesitz entfernen sich auch gerne mal weiter vom ursprünglichen Kerngeschäft. Auch dafür finden sich im Prime Standard viele Beispiele, eines davon ist Linde. "Die inhaltliche Diversifizierung birgt immer Risiken", sagt Kaserer. "Es gibt ja auch genügend Beispiele von Konzernen, die über eine allzu gestreckte Diversifizierung gestolpert sind."

Daimler hat das par excellence demonstriert. Während das Unternehmen in den 80er Jahren unter der Führung von Edzard Reuter der Vision eines integrierten Technologiekonzerns nachjagte mit Ausflügen in die Elektronik (AEG) oder die Luft- und Raumfahrt (Dasa), besann es sich in den 90er Jahren auf seine Kernkompetenz: den Automobilbau. Und lieferte dann mit der Übernahme des US-Konkurrenten Chrysler 1998 wieder ein Paradebeispiel dafür, dass nicht nur eine Diversifikationsstrategie in völlig andere Geschäftsbereiche, sondern auch eine regionale Ausweitung Gefahren birgt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Wege Unternehmen gehen können - und welche Unterschiede im Risikoverhalten bestehen.

Ob sich die größere Risikoaversion generell für die Familienunternehmen in Form höherer Gewinne auszahlt, war nicht Gegenstand dieser Untersuchung. In der Frage verweisen die Autoren auf andere Analysen, die börsennotierten Familienkonzernen sehr wohl eine größere Ertragsstärke bescheinigen, vor allem wenn der Gründer noch aktiv in der operativen Führung ist.

Die Datengrundlage der CEFS-Studie deutet aber darauf hin, dass die Risikoscheu zumindest Einfluss auf die Unternehmensgröße hat. Die Bilanzsumme der Familienkonzerne lag im Durchschnitt bei 1,1 Milliarden Euro, die Umsatzerlöse bei 1,3 Milliarden Euro und die Mitarbeiterzahl bei 6600.

Die familienunabhängigen Konzerne weisen im Schnitt eine Bilanzsumme von 9,7 Milliarden Euro aus, Umsätze von 6,7 Milliarden Euro und 26.000 Mitarbeiter aus. Nicht börsennotierte Familienunternehmen kamen wegen der laut Achleitner "erheblichen Transparenzmängel" zwar für die Studie nicht in Frage. Wegen der gesetzlichen Veröffentlichungspflichten liefern im Prime Standard notierte Konzerne die weitaus solidere Datenbasis. "Aber die Vermutung liegt nahe, dass nicht-notierte genauso agieren wie börsennotierte Familienfirmen", sagt Schmid.

Eines hat die Studie auch gezeigt: Es lohnt sich, was selbst in wissenschaftlichen Untersuchungen selten geschieht, zwischen Firmen zu unterscheiden, bei denen die Familie "nur" Gesellschafter ist wie etwa bei Vossloh oder Henkel und solchen, in denen Familienmitglieder auch in Aufsichtsrat und eventuell sogar im Vorstand sitzen wie beim Autovermieter Sixt der Vorstandschef Erich Sixt oder bei IDS Scheer August-Wilhelm Scheer, Großaktionär und Aufsichtsratsvorsitzender in einer Person.

Der Unterschied macht sich im Risikoverhalten bemerkbar: "Familien, die sich auf die Rolle des Gesellschafters beschränken, neigen zu einer größeren inhaltlichen Diversifikation, um ihre Risiken abzusichern. Sitzt die Familie auch im operativen Management, streuen sie ihre Geschäfte weniger", sagt Ampenberger.

Eigentum führt zu Risikoaversion

Grundsätzlich führt Eigentum zu Risikoaversion, sagt der Wissenschaftler, weil ein Großteil des Vermögens in der Firma steckt und damit auch das private Wohlergehen stark vom Erfolg des Unternehmens abhängt. Wenn aber ein Gesellschafter im operativen Management sitzt, sei das Konfliktpotential zwischen Eigentümern und Management geringer.

Achleitner hat noch einen weiteren Grund für die geringere Diversifikation ausgemacht: das verwandte Humankapital. Wenn wichtige Posten mit Familienmitgliedern besetzt werden, sei die Neigung größer, dem Kerngeschäft treu zu bleiben und keine Ausflüge in unbekanntes Terrain zu wagen.

Einer weiteren Frage gingen die Autoren auf den Grund: Welche Rolle spielen Hedging-Instrumente zur Absicherung von Währungsrisiken? Das Ergebnis: Börsennotierte Familienunternehmen nutzen sie weniger als Konzerne mit breitem Anteilsbesitz. "Das liegt auch daran, dass alle Derivate häufig in einen Topf geworfen werden", sagt Achleitner. "Viele sehen darin Instrumente grenzenloser Spekulation. Derivate gelten als Teufelszeug, in der Finanzkrise mehr denn je."

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SZ vom 30.04.2009/kaf/tob
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