Familienunternehmen: Arbeitsrecht:Chefs mit Bindungsangst

Was Mitarbeiter absichern soll, lässt Unternehmer seufzen: Kleinbetriebe hadern oft mit dem Kündigungsschutz, große Firmen eher mit der Tarifbindung.

Sibylle Haas

Mit dem Kündigungsschutzgesetz will Michael Dopfer nichts zu tun haben. Es ist ihm zu starr und kann aus seiner Sicht einen kleinen Betrieb "ganz schön belasten, weil man bei Entlassungen hohe Abfindungen zahlen muss". Der 42-Jährige ist gelernter Gürtler und Metalldrücker mit Meisterprüfung, er führt einen Metallbaubetrieb mitten in München.

Familienunternehmen: Arbeitsrecht: Wer einen ungeeigneten Kollegen nicht entlassen darf, stellt vorsichtshalber gar niemanden fest an.

Wer einen ungeeigneten Kollegen nicht entlassen darf, stellt vorsichtshalber gar niemanden fest an.

(Foto: Foto: dpa)

Die Firma Josef Dopfer, benannt nach seinem Großvater, dem Unternehmensgründer, ist ein Kleinbetrieb im Stadtteil Haidhausen. In seiner Schlosserei beschäftigt Michael Dopfer momentan elf Mitarbeiter. Für sie gibt es keinen Kündigungsschutz - obwohl dieser laut Gesetz eigentlich schon für Betriebe mit mehr als fünf Arbeitnehmern gilt.

Gute Gründe für eine Kündigung

Das Gesetz zählt Teilzeitkräfte nämlich nur anteilig und Auszubildende überhaupt nicht. Bei Dopfer berechnet sich das so: Er beschäftigt zwei Teilzeitkräfte für höchstens jeweils 20 Stunden in der Woche. Sie werden jeweils mit einem Anteil von 0,5 berücksichtigt; so steht es in Paragraph 23 des Kündigungsschutzgesetzes.

Die drei Auszubildenden werden gar nicht gezählt. Also vier Gesellen, zwei Meister, zwei halbe Kräfte - macht in der Dopferschen Schlosserei zusammen sieben Beschäftigte. Damit müsste ja nun eigentlich das Kündigungsschutzgesetz gelten, weil Dopfer mehr als fünf Leute hat.

Doch seit vier Jahren gilt eine weitere Regel: In Betrieben bis zu zehn Mitarbeitern werden Arbeitnehmer nicht mitgezählt, wenn ihr Vertrag 2004 oder später begonnen hat. Und weil Dopfer vor 2004 weniger als fünf Mitarbeiter hatte, gilt für ihn nach dieser etwas komplizierten Zählweise das Kündigungsschutzgesetz nicht.

Wenn Dopfer entlassen müsste, dann könnte er das also tun, ohne die Gründe zu nennen. Maßgeblich wären lediglich die gesetzlichen Kündigungsfristen, wie sie in Paragraph 622 des Bürgerlichen Gesetzbuches stehen. Unterläge Dopfer hingegen dem Kündigungsschutzgesetz, dann wären Entlassungen schwieriger: Er müsste einen sozial gerechtfertigten Grund vorbringen.

Dieser muss in der Person des Arbeitnehmers liegen (etwa Verlust der Arbeitsfähigkeit) oder in seinem Verhalten (zum Beispiel dauernde Unpünktlichkeit) oder aber durch dringende betriebliche Erfordernisse (wie Auftragsmangel) begründet sein.

Ein Fehlgriff belastet schnell das ganze Team

Auch das Nürnberger Modehaus Wöhrl ist ein Familienunternehmen, aber mit der Schlosserei Dopfer überhaupt nicht zu vergleichen. Wöhrl beschäftigt 2800 Leute - da gibt es keinen Ausweg aus dem Kündigungsschutzgesetz. Doch bei Wöhrl ist man darüber nicht besorgt.

"Ein Unternehmen in unserer Größenordnung muss in der Lage sein, mit dem deutschen Arbeitsrecht klarzukommen", sagt Robert Rösch, Personalvorstand der Rudolf Wöhrl AG. Probleme mit dem Kündigungsschutzgesetz gebe es kaum, so Rösch.

Das Gesetz schütze die Beschäftigten gegen Anheuern und Feuern, und das sei in Ordnung so. "Wenn man sich den Mitarbeiter genau anschaut, bevor man ihn einstellt, und prüft, ob er ins Team passt, ist die Gefahr gering, dass man sich schnell wieder von ihm trennen muss", betont Rösch.

Bei einem kleinen Betrieb wie dem von Michael Dopfer kann ein Fehlgriff rasch das ganze Team belasten. Dopfer ist deshalb sehr vorsichtig. "In den letzten vier Jahren habe ich nur befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, damit meine Schlosserei nicht dem Kündigungsschutz unterliegt", erklärt er.

Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz darf ein Arbeitsvertrag auf höchstens zwei Jahre befristet und innerhalb dieser Zeit nur dreimal verlängert werden. Dopfer allerdings darf einen Arbeitsvertrag innerhalb von fünf Jahren beliebig oft verlängern.

Kündigungsschutz erst ab zwanzig Mitarbeitern

Das liegt daran, dass sein Unternehmen dem Tarifvertrag des Fachverbandes Metall Bayern und der Christlichen Gewerkschaft Metall unterliegt - Tarifverträge dürfen von der gesetzlichen Befristungsregelung abweichen. Das Modeunternehmen Wöhrl schließt ebenfalls befristete Arbeitsverträge ab, allerdings meist nur für ein Jahr und als Probezeit. "Danach muss man wissen, ob jemand passt oder nicht", sagt Rösch.

Michael Dopfer findet, dass das Kündigungsschutzgesetz "erst ab fünfzehn oder zwanzig Mitarbeitern gelten sollte, weil Kleinbetriebe sonst kaum wachsen können". Dann hätte er auch weniger Scheu, jemanden fest einzustellen. Immerhin gehe es bei Kleinbetrieben nicht ums Anheuern und Feuern: "Wenn wir entlassen, dann bleibt uns nichts anderes übrig. Dann geht es uns wirtschaftlich richtig schlecht", sagt Dopfer.

Kleine Betriebe würden familiär geführt, mit einer engen Bindung zwischen dem Chef und seinen Mitarbeitern. Deshalb findet Dopfer auch das Betriebsverfassungsgesetz in manchen Teilen realitätsfern. Danach können in Betrieben mit mindestens fünf ständigen Arbeitnehmern Betriebsräte gewählt werden. "Das finde ich wirklich übertrieben", sagt Dopfer dazu. "Wenn wir ein Problem haben, dann klären wir das im direkten Gespräch. Dazu brauchen wir doch keinen Betriebsrat."

Dopfer weiß allerdings, dass er nichts tun könnte, wenn seine Leute ein solches Gremium wählen wollten. Wöhrl dagegen ist so groß, dass Betriebsräte nicht ungewöhnlich sind: Immerhin arbeiten in manchen Niederlassungen gut 250 Menschen. In 14 von 38 Modehäusern gibt es laut Rösch daher einen Betriebsrat.

Kritik an der Bürokratie

"Wir diskutieren manche Entscheidungen kontrovers", erklärt Rösch. Zugleich sei die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten kooperativ. Die Mitglieder des Betriebsrats sollten sich wirtschaftlich verantwortlich für die Firma fühlen, "denn sie arbeiten ja oft direkt im Verkauf und wissen, was die Kunden wünschen", betont der Personalchef.

"Absolut in Ordnung" findet Michael Dopfer die Vorschriften zum Arbeitsschutz. Dazu gehören regelmäßige Hörtests seiner Mitarbeiter ebenso wie Gesundheitsuntersuchungen durch einen Arbeitsmediziner. "Das ist okay, denn wir wollen, dass unsere Leute gesund bleiben", sagt der Firmenchef. Immerhin kann es für die Schlosserei richtig teuer werden, wenn jemand für längere Zeit krank ist. Dann muss Dopfer nicht nur den Lohn weiterzahlen, sondern eventuell auch für Ersatz sorgen. Bei einem Kleinbetrieb merke man eben sofort, wenn ein Mitarbeiter fehle.

Eines haben das kleine und das große Familienunternehmen gemeinsam: Beide kritisieren vor allem die deutsche Bürokratie. "Wir neigen zu einer endlosen Flut an Formularen", bemängelt Rösch. Das sei etwa der Fall, wenn jemand in Elternzeit gehe. Bei einem Frauenanteil von rund 80 Prozent bei Wöhrl sei die Personalabteilung allein damit gut beschäftigt. Und Dopfer erklärt: "Am meisten stört mich die Fülle an Vorschriften und Maßnahmen. Das kann man als Kleinbetrieb fast gar nicht mehr überblicken." Er selbst macht sich durch die Metall-Innung schlau, in deren Vorstand er schon seit vielen Jahren mitarbeitet. Selbstverständlich sei es für ihn, dass sein Betrieb den Tarifvertrag anwende. "Der Tarifvertrag gibt Rechtssicherheit für unsere Leute und für uns", sagt er.

Wöhrl dagegen sieht sich durch den Tarifvertrag zu sehr festgelegt. "Wir könnten die diesjährige Lohnerhöhung wirtschaftlich nicht verkraften", sagt Personalchef Rösch. Die bayerischen Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaft Verdi haben sich auf ein Lohnplus von drei Prozent und eine Einmalzahlung geeinigt. "Wir verhandeln die Gehälter mit unserem Betriebsrat", sagt Rösch. Bei Wöhrl spiele die leistungsbezogene Bezahlung eine große Rolle. Das Verkaufspersonal erhalte eine Umsatzprovision.

In einem Punkt weicht Michael Dopfer von seinem Tarifvertrag ab: beim Gehalt. "Ich zahle meinen Mitarbeitern mehr, als im Tarifvertrag steht. Für das Tarifgehalt bekomme ich nicht die Leute, die ich gerne beschäftige", erklärt er.

Das Expertenforum Mittelstand ist eine Initiative der Hypo-Vereinsbank und der Süddeutschen Zeitung. Alle Beiträge dieser Reihe unter www.expertenforum-mittelstand.de.

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