Technik-Messe CES:Kannste knicken

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Klappe auf, Klappe zu: Eine Frau präsentiert auf der CES das faltbare Handy/Tablet FlexPai. (Foto: AFP)
  • Mehrere Hersteller bringen faltbare Smartphones auf den Markt.
  • Sie sind aber nur ein Evolutionsschritt auf dem Weg zum "nächsten großen Ding" der Tech-Industrie.
  • Als nächstes sind biegbare Bildschirme auf Lautsprechern, ausrollbare Tastaturen, geschwungenes Touchscreen-Bediensystem fürs Auto.

Von Claus Hulverscheidt und Jürgen Schmieder, Las Vegas

Der Ballsaal Palm A im dritten Stock des Hotels Mandalay Bay ist so ein Ort in Las Vegas, den man nur findet, wenn man wirklich muss: piefiges Ambiente, der wohl hässlichste Teppich in der Geschichte der Menschheit, und auf der Bühne stellt ein freundlicher junger Mann den kaum 100 Menschen im Publikum die auch nicht gerade bahnbrechende Frage: "Und nun?"

Sie wollen einem auf der Technikmesse CES ja immer "The Next Big Thing" zeigen, das nächste große Ding, das die Welt revolutionieren wird. Wahnwitzige Bühnen haben die Aussteller dafür gestaltet, megalomanische Stände aufgebaut, aufwendige Präsentationen organisiert, und doch ist es oft so, dass die wirklich spannenden Dinge in den kleinen Hinterzimmern stattfinden. So auch an diesem Morgen im Ballsaal Palm A: Der junge Mann auf der Bühne heißt Bill Liu, er ist Gründer und Chef des chinesisch-amerikanischen Unternehmens Royole, und er präsentiert nicht nur das nach eigenen Angaben "erste faltbare Smartphone der Welt". Er lässt vielmehr auch durchblicken, wie der nachfolgende Schritt aussehen könnte - das tatsächlich nächste große Ding der Technikbranche.

"Ziemlich cool, oder?"

"Es gibt ein Problem", sagt Liu, "das bislang niemand adäquat lösen konnte: Die Leute wollen einerseits einen möglichst großen Bildschirm für ihr Smartphone, gleichzeitig soll das Gerät aber bitte schön so klein bleiben, dass man es stets bei sich haben kann." Da hat er wohl recht: Das Telefon ist zum permanenten Begleiter der Menschen geworden, wird es nicht genutzt, liegt es herum oder verschwindet in der Hosen- oder der Handtasche. Alle bisherigen Versuche, es dauerhaft irgendwo am Körper zu fixieren, scheiterten: Entweder waren der Bildschirm zu groß und die Befestigung zu grobschlächtig, um es am Arm zu tragen, oder aber die Bildschirmqualität war derart bescheiden, dass die Menschen auf Smartwatches oder intelligente Brillen lieber verzichteten.

Liu hält nun also ein Smartphone hoch, das Flexpai heißt, über einen biegbaren Bildschirm verfügt und zum Tablet wird, wenn man es auseinanderklappt. Er steckt es in seine Hosentasche, um zu beweisen: Kann man locker mitnehmen, das Ding. Auch zeigt er Videos in bester Auflösung, um den Leuten zu versichern, dass es tatsächlich keinen Qualitätsverlust gibt - und dann sagt er das, was auch Apple-Gründer Steve Jobs bei solchen Präsentationen immer sagte: "Ziemlich cool, oder?"

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Ja, ziemlich cool - und doch zugleich erwartbar. Denn auch der koreanische Tech-Gigant Samsung veröffentlicht seit Monaten in einer Art Salami-Taktik Hinweise auf ein faltbares Telefon und dürfte in wenigen Wochen die komplette Wurst vorstellen, das Galaxy F. Der Konkurrent LG wollte bereits auf der CES ein solches Handy zeigen, musste die Präsentation jedoch trotz vieler Patente und hoher Investitionen verschieben. Die anderen großen Hersteller arbeiten ebenfalls an Smartphones mit faltbaren Bildschirmen, Experten gehen davon aus, dass Apple, Motorola und Huawei womöglich noch in diesem Jahr entsprechende Handys auf den Markt bringen werden. In der einfachsten Ausführung dürften sie etwa 1300 Dollar kosten.

Faltbare Geräte sind nur ein Evolutionsschritt

Wer Liu nun zuhört, der erfährt, dass die faltbaren Geräte tatsächlich wohl noch nicht das nächste große Ding sein werden, sondern nur ein Evolutionsschritt auf dem Weg dorthin. Es gibt bei den Herstellern zwei unterschiedliche Ansätze: Die einen arbeiten an Geräten, die einem Mini-Buch ähneln und den biegsamen Bildschirm im zusammengeklappten Zustand in ihrem Innern verbergen. Faltet man das Gerät auseinander, verwandelt es sich in ein großes Smartphone - oder ein kleines Tablet.

Andere Geräte wie das Flexpai, und hier wird es spannend, haben den Bildschirm dagegen auf der Außenseite. "Und nun?", fragt Liu also in gespielter Harmlosigkeit, und dann zeigt er, woran seine 1,7-Milliarden-Dollar-Fabrik in Shenzhen bereits arbeitet: biegbare Bildschirme auf Lautsprechern, ausrollbare Tastaturen, geschwungenes Touchscreen-Bediensystem fürs Auto. Und so ganz langsam schwant den Menschen im Publikum, wohin die Reise gehen könnte: Durch die Möglichkeit, Handys mit Touchscreen-Bildschirm auf der Außenseite ohne Qualitätsverlust falten und biegen zu können, eröffnet sich den Herstellern die Chance, das Problem der Bildschirmgröße und Tragbarkeit zu lösen und ein Gerät zu schaffen, das nicht mehr wie ein Telefon herumgetragen werden muss, hinunterfallen kann und vergessen wird.

Denkbar ist vielmehr ein Smartphone, das an die Schnapp-Armbänder der achtziger Jahre erinnert: ein biegsames Gerät, das wie ein breiter Armreif an der Stelle getragen wird, wo heute meist die Uhr sitzt. Das Uhrzeit, Nachrichten oder Live-Videos aus dem Kinderzimmer zeigt oder sich auch - wenn man es nicht nutzt - in ein hübsches Modeaccessoire verwandeln lässt: mit Silberreif-Look für den einen, mit Metallica- oder Lady-Gaga-Optik für den anderen. Nimmt man den Armreif ab, faltet er sich auseinander und wird zum Smartphone-Tablet-Hybrid mit glasklarem Bildschirm.

Sicher, es gibt noch eine ganze Reihe ungelöster Fragen, etwa die, wie sich ein am Arm getragener Bildschirm gegen Kratzer, Schmutz und Schweiß schützen lässt. Der Anfang für das "Next Big Thing" aber scheint gemacht - nicht auf einer der Pomp-Bühnen der CES, sondern in einem abgelegenen Ballsaal mit dem hässlichsten Teppich der Menschheitsgeschichte.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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