Fair gehandelte Limonade:Trinken hilft!

Charitea, Lemonaid - der Erfolg von Bionade produziert Nachfolger. Nach dem Motto "öko war gestern, öko-sozial ist heute" verkaufen ein Ex-Entwicklungshelfer und ein früherer Werber aus St. Pauli fair gehandelte Limonade. Und wollen damit nicht nur Geld verdienen.

Kristina Läsker

Es hatte so gut ausgesehen. Zumindest aus der Ferne. Dann flog Paul Bethke selbst nach Sri Lanka, um sich ein Bild zu machen. Er fuhr in die Berge, wo auf endlos weiten Feldern der Tee für den Export angepflanzt wird. Bethke ließ sich von hier aus grünen Tee nach Hamburg schicken. Von einer Kooperative, die Arbeitern höhere Löhne zahlt und "Fair-trade"-zertifiziert ist. Aber die Farm enttäuschte Bethke. "Die setzten ihr Geld nicht sinnvoll für die Gemeinschaft ein", sagt er. Weshalb er den Auftrag lieber an eine benachbarte Kooperative vergab. Eine, die ein Altenheim hat, einen Kindergarten und anständige Unterkünfte. "Die Teepflücker haben hier Häuser statt Hühnerställe."

Lemonaid-Gründer Jakob Berndt, Paul Bethke (re.): Trinken hilft

Lemonaid-Gründer Jakob Berndt, Paul Bethke (re.): Trinken hilft

(Foto: engerfoto.de)

Der Wechsel kam teuer. Er müsse der zweiten Kooperative deutlich mehr Geld bezahlen, erzählt der 30-Jährige. Was für viele Unternehmer ein guter Grund wäre, anderswo einzukaufen. Nicht so für Bethke. Im März 2009 hat er mit seinem Schulfreund Jakob Berndt, 30, eine etwas andere Getränkefirma gegründet. Nun sitzen die beiden in verwaschenen Jeans und Turnschuhen im Hamburger Stadtteil St. Pauli in einer ehemaligen Fabrik, die ihnen als Büro dient, und erzählen ihre Geschichte: Seit zwei Jahren verkaufen sie fünf Sorten Eistee und Limonade mit so hübschen Wohltäter-Namen wie "Charitea" und "Lemonaid".

Das klingt nicht nur sozial, sondern ist es auch. "Trinken hilft", heißt der Leitspruch der Gründer. Denn sie wollen nicht nur Kohle machen, sie wollen auch die Welt verbessern. Deshalb verwenden sie nur Zutaten aus biologischem Anbau, die fair gehandelt werden. Von jeder verkauften Flasche fließen zudem fünf Cent in gemeinnützige Projekte. "Wir sind angetreten, ein sozial gerecht gefertigtes Produkt herzustellen", sagt Berndt.

Öko war gestern, öko-sozial ist heute

Das trifft einen Nerv. Mehr Menschen denn je suchten nach einem nachhaltigen Lebensstil und änderten ihr Kaufverhalten, glaubt Christoph Harrach von der Gesellschaft Karmakonsum. "Konsum ist für viele ein erster einfacher Weg, sinnvoller zu leben", sagt der Trendforscher. Das gilt auch für Limonade. Vorgemacht hat es die Bionade in den neunziger Jahren. Die Bio-Brause aus der Rhön hatte erfolgreich auf chemiefreie Inhalte und Retrodesign gesetzt. "Bionade hat den Markt für Ökogetränke geöffnet", sagt Harrach. Inzwischen aber finde ein Wandel statt. Vielen Menschen werde fairer Handel wichtiger. Nach dem Motto: Öko war gestern, öko-sozial ist heute.

Doch wie erfindet man eine gerechte Brause, eine Anti-Kapitalisten-Cola? Einen nachhaltigen Softdrink, der nicht nach Reformhaus aussieht. Der so hipp ist, dass die jungen Städter in Szenevierteln wie Prenzlauer Berg, Münchner Glockenbach oder Hamburger Schanze ihn an der Bar verlangen und dafür mehr bezahlen als für all die anderen Mixgetränke. Denn genau das hat die Lemonaid Beverages GmbH in nur wenigen Monaten geschafft. Obwohl eine Flasche Lemonaid oder Charitea bis zu zwei Euro im Geschäft kostet und bis zu 3,20 Euro in der Gastronomie.

"Wir wollten kein Achtziger-Jahre-Klebezeug"

Begonnen hat alles in der Küche von Jakob Berndt. Tee aus Sri Lanka, Rohrzucker aus Paraguay und Limettensaft aus Brasilien: Wochenlang hantierten die beiden mit Säften, Teesorten, Gewürzen und suchten nach dem ökologisch makellosen Rezept - ohne Zusätze oder Aromen. Bethke hatte eine klaren Geschmack auf der Zunge: Die Limonade sollte so schmecken wie der frisch gepresste Limettensaft, den es auf Sri Lanka an jeder Ecke gibt - und den er früher oft getrunken hatte. Wir wollten kein Achtziger-Jahre-Klebezeug", sagt er.

Bethke hat auf Sri Lanka sein Abitur gemacht. Dann studierte er Volkswirtschaft in Europa und ging zurück nach Sri Lanka, wo er ein Dreivierteljahr als Entwicklungshelfer für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit arbeitete. Er war enttäuscht davon, wie phantasielos so viel Geld ins Land gepumpt worden sei, sagt er. "Das war totale Verschwendung." Damals begann er davon zu träumen, lieber die Bauern vor Ort zu fördern. Mit fairen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen.

Auch Berndt war von einer Idee getrieben. Er wollte mehr Sinn in seinen Alltag bringen - und kündigte dafür Ende 2008 seinen Job. Fünf Jahre lang hatte der studierte Kulturwirt bei der Werbeagentur Jung van Matt in Hamburg gearbeitet. Als strategischer Planer hatte er an Kampagnen für große Auftraggeber mitgewirkt. Für Mercedes, BMW, Yellostrom. Erfüllt habe ihn die Arbeit bei der renommierten Agentur trotzdem nicht, sagt er. "Ich wollte etwas Sinnvolleres machen als Reklame."

Von Messe zu Messe reisten die beiden Limonadenerfinder, um einen Abfüller zu finden. Doch die meisten Betriebe winkten ab. Keiner wollte frischen Tee aufbrühen, in der hoch industrialisierten Massenabfertigung fehlen dafür die Maschinen. Für die Limonade wollten die Firmen lieber Konzentrate einsetzen als Limettensaft. "Die haben uns alle einen Vogel gezeigt", sagt Berndt. Nach 200 Absagen erklärte sich schließlich ein Familienbetrieb aus Nordbayern bereit, eine Charge von 40 000 Flaschen zu liefern.

Berndt und Bethke kurvten derweil auf Rädern durch Hamburg. Ihre Limo hatten sie in großen Bottichen dabei. Damit zogen sie von Szenebar zu Szenebar und versuchten, die skeptischen Wirte zu überzeugen. Wie den Starkoch Tim Mälzer, der in Hamburg ein Restaurant betreibt. "Der Mälzer hat schon gekauft, bevor es Flaschen gab", erzählt Bernd.

Dabei sind die Flasche und ihr Aussehen extrem wichtig. "Coolness ist ein wesentlicher Faktor für Erfolg bei nachhaltigen Produkten", sagt Trendforscher Harrach. Weshalb Bethke und Berndt extra nach Stockholm flogen und sich an das Designbüro BVD wandten. Hier werden sonst Ikea, H&M und Absolut Wodka durchgestylt. Die schwedischen Designer mochten die Idee und entwarfen für wenig Geld eine runde Flasche mit puristischem Schriftzug. Auf Papieretiketten wurde verzichtet, ästhetisch sind weiße Buchstaben auf grünem Glas geprägt.

Am schwierigsten sei die Suche nach Geldgebern gewesen, erzählen die beiden Gründer. Es war 2008, mitten in der Wirtschaftskrise. "Keine gute Zeit, um Geld einzuwerben", sagt Berndt. Doch die Jungs hatten kaum eigene Mittel und brauchten einen Kredit. Den erhielten sie schließlich von der Hamburger Sparkasse, die Stadt Hamburg hatte sich vorher bereit erklärt, für einen Ausfall zu bürgen.

Doch Bethke und Berndt machen es ihren Investoren auch nicht leicht: Obwohl sie inzwischen 700 Läden in vielen deutschen Großstädten beliefern, strebten sie kein schnelles Wachstum an, so Bethke. Dieses Jahr wollen sie 750.000 Flaschen verkaufen und etwa eine Million Euro umsetzen. Über Gewinne würden sie sich freuen, sein muss das aber nicht. "Wir wollen das Produkt nicht verramschen."

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