Fahrverbote in Frankfurt:Schwerer Schlag für die Diesel-Hauptstadt

Berufsverkehr in Frankfurt am Main

Frankfurt hat ein Problem: Vier von zehn Fahrzeugen sind ein Diesel.

(Foto: dpa)
  • Auch in Frankfurt drohen nun Diesel-Fahrverbote. Die Autofahrer würde das hart treffen. In keiner anderen deutschen Stadt sind prozentual so viele Dieselautos unterwegs.
  • Der Fall dürfte auch die Debatte um eine Wiedergutmachung der Autohersteller sowie um die Rolle der Politik neu entfachen.
  • In mehreren deutschen Städten stehen Urteile zu Fahrverboten noch bevor. Unklar bleibt, wie die Einhaltung überhaupt kontrolliert werden soll.

Von Susanne Höll, Frankfurt, Markus Balser, Berlin, und Jan Schwenkenbecher

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann ist nicht gut zu sprechen auf den Abgasskandal und die Konzerne, die ihm diesen Schlamassel mit eingebrockt haben. "Die Branche hat die Menschen in diesem Land belogen und betrogen", klagte Feldmann kürzlich. Der SPD-Politiker ahnt, was auf ihn und seine Bürger zukommt. Denn am Mittwoch verdonnerte ein Gericht die nächste deutsche Großstadt wegen schlechter Luft zu einem Diesel-Fahrverbot. Nach Hamburg, Stuttgart und Aachen wird damit auch Frankfurt von Richtern zum Einhalten der Abgasgrenzwerte und zu radikalen Mitteln gezwungen.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden gab am Abend eine entsprechende Entscheidung bekannt. Demnach muss die Stadt schnell handeln. Die Richter verlangen ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge der Norm Euro 4 und älter sowie für Benziner der Norm Euro 1 und 2 bereits ab Februar 2019. Für Euro-5-Diesel solle ein Fahrverbot ab September 2019 gelten. Das sei nötig, weil alle übrigen vom Land Hessen in Betracht gezogenen Maßnahmen für bessere Luft in "angemessener Zeit" kaum Effekte hätten, kritisierte das Gericht. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe.

Das Urteil macht klar, wie ernst die Lage beim Abgasproblem in deutschen Städten ist. In 65 deutschen Städten überstieg die Schadstoffbelastung der Atemluft im vergangenen Jahr noch immer die gesetzlichen Grenzwerte. Doch bislang lehnt die Politik harte Einschnitte ab. Die ersten und bisher einzigen Fahrverbote gibt es seit 1. Juni in Hamburg. Sie gelten für zwei Straßenabschnitte im Stadtteil Altona, 600 Meter und 1,6 Kilometer lang. Konkrete Pläne gibt es noch in Stuttgart, wo ab kommendem Januar keine Diesel-Fahrzeuge mehr in die Umweltzone fahren dürfen.

In keiner anderen Stadt könnte ein Fahrverbot die Bürger so hart treffen wie in Frankfurt. Denn die Stadt ist eine Art Diesel-Kapitale des Landes. Mit 43 Prozent ist der Anteil so hoch wie in keiner anderen deutschen Großstadt. In Berlin liegt er bei 26, in Hamburg bei 35 Prozent. Von den Dieselautos, die mit Frankfurter Kennzeichen unterwegs sind, dürfen künftig nur noch 48 Prozent durch die Innenstadt fahren - alle Fahrzeuge mit einer Euro-6-Norm. Immerhin 74 000 Fahrzeughalter müssten dann um das Zentrum der Stadt einen Bogen machen. Noch nicht mitgerechnet: 350 000 Pendler, die täglich nach Frankfurt fahren und von denen viele mit Dieselautos unterwegs sind.

Ausgerechnet kurz vor der Landtagswahl in Hessen am 28. Oktober steht die schwarz-grüne Regierung um Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) damit vor unangenehmen Entscheidungen. Das hessische Umweltministerium muss für Fahrverbote einen neuen Luftreinhalteplan vorlegen. Wann das geschehen kann, ist ungewiss. In Frankfurt rechnete man erst im kommenden Jahr mit einer neuen Regelung. Das Landesumweltministerium wollte sich nicht festlegen. Dort hieß es: "Die Fortschreibung von Luftreinhalteplänen erfolgt unabhängig von Landtagswahlen."

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