Süddeutsche Zeitung

Fahrrad:Teure Knöllchen

Eine Initiative aus der Hauptstadt Berlin will bundesweit Fahrrad-Rowdys durch höhere Bußgelder bremsen, damit das Fahren in Zukunft sicherer wird.

Von Markus Balser, Berlin

Wie sicher Radfahren in der Hauptstadt ist? Die Polizei führt in Berlin Jahr für Jahr eine ernüchternde Statistik. Zuletzt registrierte sie 7500 Unfälle mit Rad-Beteiligung, 5100 Leicht-, 650 Schwerverletzte und 19 Tote. Zu viele, findet die rot-rot-grüne Koalition, die den Radverkehr in der Stadt mit einem neuen Mobilitätsgesetz sicherer machen will. Das große Ziel: Die Zahl der bei Unfällen Getöteten oder Schwerverletzten soll langfristig auf null sinken.

Am Wochenende wurde bekannt, dass der Senat dafür nicht nur eine bessere Infrastruktur plant - mehr Radwege und sicherere Kreuzungen. Berlin will zur Verkehrssicherheit auch höhere Bußgelder für schwerwiegende Verstöße von Radfahrern durchsetzen. Und das nicht nur in Berlin. Weil das Land die Bußgelder gar nicht auf eigene Faust erhöhen kann, plant man gleich eine entsprechende Bundesratsinitiative, die für ganz Deutschland gelten würde. Ziel sei es, dass "Radfahrende" weniger Unfälle erleiden und sich andererseits verantwortungsbewusster verhalten, heißt es in einem Brief des Chefs der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD).

Aus dem geht auch hervor, was sich ändern könnte. Radler etwa, die auf Gehwegen oder trotz "benutzungspflichtiger" Radwege auf der Fahrbahnen unterwegs sind, müssen möglicherweise bald tiefer in die Tasche greifen. Konkrete Summen nennt der Senat bislang jedoch nicht. Sicher ist man sich nur, dass es eine realistische Chance für den Vorschlag gibt. "Ich gehe davon aus, dass eine Mehrheit der Länder möglich ist", glaubt Böhning.

Doch ob am Ende eine Mehrheit steht, ist äußerst fraglich. Der Bundestag müsste mitspielen. Und auf Bundesebene regt sich bereits Widerstand gegen die Pläne - auch in Böhnings eigener Partei. Strengere Kontrollen seien richtig, "denn das A und O im Kampf gegen Verstöße gegen die Verkehrsregeln ist auch bei Radfahrenden das Entdeckungsrisiko", sagt die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann. Sie bezweifle aber, dass höhere Bußgelder automatisch für mehr Sicherheit sorgen. "Das größte Risiko für Radfahrende sind nicht eigene Regelverstöße, sondern der Auto- und Lkw-Verkehr, zum Beispiel das Rechtsabbiegen von Lastern." Lühmann fordert deshalb stattdessen, "in Lkw technische Hilfsmittel verpflichtend einzuführen, die rechtzeitig vor Radfahrenden warnen".

"Diese Vorschläge haben mit Verkehrssicherheit rein gar nichts zu tun."

Auch in der Union regt sich Widerstand. "Hier sind in der Tat auf dem Rad noch viele Rowdys unterwegs", sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange. "Dafür ist aber zunächst einmal die Länderpolizei zuständig. Es ist keine Lösung, immer nur reflexhaft nach neuen Bundesgesetzen zu rufen." Und auch im Berliner Senat habe der Plan noch seine Gegner, heißt es.

Die Berliner Radfahrerlobby läuft ebenfalls Sturm. Die Initiative "Volksentscheid Fahrrad" kritisiert: "Diese Vorschläge haben mit Verkehrssicherheit rein gar nichts zu tun." Der Senat solle lieber bodentiefe Fenster für Lkw vorschreiben. Das hätte den Tod von fünf Radfahrern verhindern können, klagt die Initiative.

Die Verkehrssenatorin Regine Günther versuchte am Wochenende erst mal die Wogen zu glätten. Die Bundesratsinitiative Verkehrssicherheit sei noch in Arbeit, erklärte sie. Es gebe viele Vorschläge aus Verwaltung, Stadtgesellschaft und Fraktionen. "Und das ist gut so."

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SZ vom 08.01.2018
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