Fachkräftemangel:Hochqualifizierte meiden Deutschland

Die Republik im Dilemma: Obwohl etliche Unternehmen verzweifelt Fachkräfte suchen, stagniert die Zahl der hochqualifizierten Zuwanderer nach Deutschland.

Roland Preuß

Dies geht aus Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Koalitionspolitiker fordern eine Überprüfung des Zuwanderungsrechts.

Fachkräftemangel: Deutschland braucht dringend mehr qualifizierte Einwanderer, so der Präsident des DIW, Klaus Zimmermann.

Deutschland braucht dringend mehr qualifizierte Einwanderer, so der Präsident des DIW, Klaus Zimmermann.

(Foto: Foto: dpa)

Das Bundesamt in Nürnberg, das dem Bundesinnenministerium untersteht, zählte im vergangenen Jahr gerade einmal 466 Hochqualifizierte aus Nicht-EU-Ländern, die sich in Deutschland niederlassen durften - zehn Fälle mehr als im Vorjahr. Die Regelung ist für Wissenschaftler, Professoren und Führungskräfte der Wirtschaft aus Ländern wie Indien, Russland oder China gedacht und gilt als Königsweg nach Deutschland, weil sie von Anfang die Perspektive bietet, dauerhaft im Land bleiben zu können. Angestellte müssen ein Jahresgehalt von mindestens 85.000 Euro nachweisen, um in den Genuss der Regelung zu kommen.

Vom Spezialitätenkoch bis zum Ingenieur

Mit einer lediglich befristeten Arbeitserlaubnis kamen 2007 rund 22.700 Menschen ins Land, fast ein Drittel weniger als im Vorjahr, als noch 32.600 Menschen einreisten. Diese Gruppe umfasst in der Regel Arbeitnehmer mit einer weiten Bandbreite an Qualifikationen, die vom thailändischen Spezialitätenkoch bis hin zum Diplomingenieur reicht.

Lediglich bei den Selbständigen gab es einen Anstieg auf niedrigem Niveau von 2370 (2006) auf 2850 (2007) Fälle. Hier dürfte sich die Lockerung des Zuwanderungsrechts vom vergangenen Sommer auswirken. Bis dahin musste ein Selbständiger eine Million Euro investieren und zehn Arbeitsplätze schaffen, um für mindestens drei Jahre bleiben zu dürfen. Die Große Koalition hatte diese Zahlen auf eine halbe Million Euro und fünf Arbeitsplätze halbiert.

Der Fachkräftemangel gilt in vielen Unternehmen angesichts der guten Wirtschaftslage als Wachstumsbremse. Eine Studie für das Bundeswirtschaftsministerium kam im vergangenen August zu dem Ergebnis, dass das Fehlen von qualifiziertem Personal der deutschen Volkswirtschaft jedes Jahr bis zu 20 Milliarden Euro kostet. Das Papier des Instituts der deutschen Wirtschaft sieht Engpässe vor allem in technologischen Schlüsselbranchen wie Maschinenbau, Metall- und Elektroindustrie und dem Fahrzeugbau. Hochqualifizierter Nachwuchs fehle in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, sagte der SZ, es sei wegen der guten Konjunktur eher ein Anstieg der Zuwanderung zu erwarten gewesen. "Man muss die Zahlen als Warnsignal sehen." Deutschland benötige dringend mehr qualifizierte Einwanderer. Zimmermann warf der Großen Koalition Versagen bei der Zuwanderung vor. Sie habe "alles getan, um das Image eines reservierten Landes aufrechtzuerhalten".

Hochqualifizierte meiden Deutschland

Die neuen Zahlen fachten die Debatte in der Koalition über die Zuwanderungspolitik neu an. Der Wirtschaftsexperte der SPD-Fraktion im Bundestag, Rainer Wend, forderte eine Lockerung der gesetzlichen Anforderungen. "Unser Standort bleibt nur wettbewerbsfähig, wenn wir die besten Leute hierher holen." Zuwanderung werde jedoch nach wie vor als Bedrohung empfunden. Sowohl in der SPD als auch der Union gibt es Widerstände gegen mehr Fachkräfte. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat ebenso wie das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium eine weitere Öffnung der Grenzen bisher abgelehnt. Dies gilt bei mehr als drei Millionen Arbeitslosen in Deutschland als politisch schwer vermittelbar.

In der SPD wird befürchtet, dass eine Zuwanderung zu Lasten der Weiterbildung von Arbeitslosen geht. Gewerkschaften verweisen auf Zehntausende arbeitslose Ingenieure in Deutschland, die zunächst vermittelt werden müssten. Wend sagte dazu: "Die Leute müssen verstehen, dass Spezialqualifikationen, die die Unternehmen brauchen, nicht durch ein bisschen Nachschulung von Langzeitarbeitslosen erreicht werden können." Trotzdem müssten Erwerbslose weiterhin "wo immer möglich" fortgebildet werden. Nötig seien die Senkung der Einkommensgrenze für Hochqualifizierte und Erleichterungen für ausländische Studenten, die in Deutschland ihren Hochschulabschluss machten.

Der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Michael Meister, sagte, es wanderten viel zu wenige Spitzenkräfte zu. "Damit können wir nicht dem Anspruch gerecht werden, Hochtechnologieland zu bleiben." Auch Meister plädierte dafür, über Lockerungen nachzudenken. "Niedrigere Einkommensgrenzen gehen in die richtige Richtung." Allerdings seien auch die Unternehmen gefragt, durch eine weitsichtige Personalpolitik heimische Fachkräfte heranzuziehen.

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