Fachkräftemangel:Ohne ausländische Kollegen geht es nicht

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Schon jetzt hat das Gastgewerbe einen Ausländeranteil von rund 35 Prozent unter den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. (Foto: Giorgio Fochesato /imago/Westend61)

Die Bundesregierung will es ausländischen Arbeitskräften einfacher machen, in Deutschland einen Job in der Hotellerie und Gastronomie aufzunehmen. Gut so! Dieser Schritt ist überfällig und passt perfekt zum Gastgewerbe.

Kommentar von Sonja Salzburger

Es ist das, was Gastronomen und Hoteliers schon lange fordern: Einfachere Zuwanderungsregeln zum Arbeitsmarkt, um mehr ausländische Mitarbeiter einstellen zu können. Dass die Bundesregierung diesen Wunsch nun erfüllen will, ist eine gute Nachricht für das Gastgewerbe, für alle, die gerne auswärts Essen gehen oder im Hotel Wert auf guten Service legen. Und für die deutsche Wirtschaft insgesamt.

Schon vor der Pandemie hatten Gastronomie und Hotellerie Probleme, Mitarbeiter zu finden. Das lag zum einen an den eher unattraktiven Arbeitszeiten - früh morgens, spät abends und an Sonn- und Feiertagen - aber auch an der schlechten Bezahlung. Bei Letzterer wurde zumindest ein bisschen nachgebessert: So wurden zuletzt Entgelt-Tarifverträge mit Lohnerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich abgeschlossen und die Ausbildungsgehälter stark angehoben. Aber das lockt Köche, Kellner, Zimmermädchen und Rezeptionisten, die sich während der Pandemie, nach monatelanger Kurzarbeit und unsicherer Perspektive, andere Jobs gesucht haben, nicht zurück in die Restaurants und Hotels. Und junge Menschen, die in Zeiten von Corona mit der Schule fertig werden, überlegen sich heute dreimal, ob sie ihre berufliche Zukunft im Gastgewerbe sehen - zu groß dürfte bei vielen die Sorge vor neuen Lockdowns sein und die Angst, dass die Ausbildungsstätten im Winter erneut schließen müssten.

Eine andere Lösung für den Fachkräftemangel gibt es nicht

Laut einer Umfrage des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) von Anfang Juni, suchen mehr als 60 Prozent der gastgewerblichen Betriebe Fach- und Hilfskräfte. Weil es in Deutschland nicht mehr genug Menschen gibt, die bereit sind, in der Branche zu arbeiten, bemühen sich Wirte und Hoteliers seit Langem um Verstärkung aus dem Ausland. Aber bislang bedeutete es für sie einen erheblichen Aufwand, wenn sie Mitarbeiter aus Nicht-EU-Ländern einstellen wollten. Von daher ist es zu begrüßen, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun verkündet hat, mit Arbeitsminister Hubertus Heil und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger intensiv am Abbau von Bürokratie und einer schnelleren Anerkennung von Berufsabschlüssen zu arbeiten. Ausländischen Arbeitskräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist angesichts des Fachkräftemangels dringend geboten, eine andere Lösung gibt es nicht.

Das gilt nicht nur für das Gastgewerbe, sondern auch für viele andere Branchen. Es kann aber nur gelingen, wenn man die Menschen nicht einfach nur rekrutiert und sie hier arbeiten lässt, sondern vorab überlegt, wie man die neuen Kollegen ohne deutsche Sprachkenntnisse und mit einem anderem kulturellen Hintergrund erfolgreich in Deutschland integriert. Das ist kein Selbstläufer, sondern eine anspruchsvolle Aufgabe für den deutschen Staat und für die Betriebe.

Das Gastgewerbe könnte eine Vorreiterrolle einnehmen

Die Zugangsregeln für Jobs im Gastgewerbe schneller zu vereinfachen als anderswo, ist nicht nur geboten, weil hier besonders viele Fachkräfte fehlen. Sie ist vor allem deswegen sinnvoll, weil die Erfolgsaussichten für eine erfolgreiche Integration ausländischer Mitarbeiter bereits heute hoch sind, schließlich hat das Gastgewerbe schon jetzt einem Ausländeranteil von rund 35 Prozent unter den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen. "In keiner anderen Branche ist der Anteil höher", sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges.

Die Zusammenarbeit in internationalen Teams ist in dieser Branche nichts Besonderes, der Arbeitsmarkt bereits heute global. Auch für ambitionierte deutsche Köche ist es beispielsweise selbstverständlich, nach der Ausbildung ein paar Jahre auf Wanderschaft zu gehen, um etwa die italienische oder asiatische Küche kennenzulernen und ihr eigenes Repertoire zu erweitern. Und internationale Hotelketten setzen ihre Mitarbeiter auch heute schon ganz selbstverständlich an verschiedenen Standorten rund um den Globus ein. Es geht hier nicht darum, etwas völlig Neues zu wagen, sondern nur darum, die Spielregeln für das zu vereinfachen, was ohnehin schon passiert.

Von den Erfahrungen bei der Zusammenarbeit internationaler Teams in Deutschlands Restaurants und Hotels könnten dann langfristig auch andere Wirtschaftszweige profitieren und sich Konzepte abschauen, wie die Integration vieler ausländischer Kolleginnen und Kollegen gelingen kann.

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