Süddeutsche Zeitung

Fachkräftemangel:Frauen und Ältere gesucht

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel bescheinigt ein Forschungsbericht Deutschland "respektable Fortschritte". Trotzdem profitieren noch nicht alle von einer steigenden Erwerbsbeteiligung. Die Analyse in Stichpunkten.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Es geht um Ärzte, Ingenieure und Pfleger, aber auch Klempner oder Schweißer. Schon in 20 Berufsgruppen werden Fachkräfte in Deutschland gesucht, wobei die Zahl der Mangelberufe leicht zunimmt. Dennoch würden besonders kleine und mittlere Unternehmen noch zu wenig tun, "um vorhandene Potenziale, die unter anderem bei Frauen, Älteren, gering Qualifizierten und Menschen mit Migrationshintergrund bestehen, besser auszuschöpfen". Dies geht aus dem zweiten Fachkräfte-Fortschrittsbericht des Bundesarbeitsministeriums hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Analyse wird Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Mittwoch dem Kabinett vorlegen.

Am Anfang stand eine alarmierende Zahl: Wegen des Geburtenrückgangs könnten bis 2025 mehr als sechs Millionen Arbeitskräfte fehlen. Die frühere Bundesregierung beschloss deshalb bereits 2011, langfristig mehr ältere Menschen, Frauen und Zuwanderer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In dem Bericht steht nun: Deutschland habe dabei "respektable Fortschritte" gemacht. Diese reichten aber nicht aus. Die Analyse in Stichpunkten:

Weibliche Arbeitskräfte

Von 2005 bis 2012 hat sich die Zahl der weiblichen Erwerbstätigen - gerechnet in Vollzeitstellen - um 1,78 Millionen erhöht. Dies liegt auch daran, dass Frauen deutlich mehr als früher arbeiten, auch mit Kindern im zweiten oder dritten Lebensjahr. Es bestehe jedoch weiter "erhebliches Potenzial zur erhöhten Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben", wird in dem Bericht kritisch angemerkt. So liegt die Wochenarbeitszeit der Frauen mit einem Teilzeitjob im Durchschnitt bei nur 18,6 Stunden. Im EU-Vergleich ist der Wert nur in Portugal noch niedriger. Etwa jede fünfte Frau, die Teilzeit beschäftigt ist, hätte den Wunsch, ihre Arbeitszeit auszuweiten. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass mehr als die Hälfte der nichtberufstätigen Mütter gerne arbeiten würde, "wenn geeignete Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden". Die Angebote sind jedoch regional weiter sehr unterschiedlich: In Sachsen gehen 80 Prozent der Schüler ganztags zur Schule - in Bayern nur gut 11 Prozent.

Ältere

2011 gab es, verglichen mit 1993, siebenmal mehr 61-Jährige, die als Krankenschwester tätig waren - ein Beispiel für den positiven Trend. Die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 55 bis 64 steigt seit Jahren, zuletzt auf 64,1 Prozent in dieser Altersgruppe. Bei den 60- bis 64-Jährigen liegt der Anteil mit 46,5 Prozent aber noch deutlich darunter. Bei dieser Gruppe gebe es weiter "Potenziale, noch stärker zur Fachkräftesicherung beizutragen".

Gering Qualifizierte

Mit dem Wandel hin zur Dienstleistungs-und Wissensgesellschaft ist die Beschäftigung von gering Qualifizierten in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 20 Prozent gesunken. Fast jeder Siebte im Alter von 20 bis 64 Jahren besaß 2012 jedoch keine abgeschlossene Berufsausbildung. Dies gilt allein für 1,4 Millionen junge Erwachsene. Nötig sei daher "eine gezielte Weiterbildung". So wurden, gefördert durch Arbeitsagenturen oder Jobcenter, etwa 319 000 Personen im Jahr 2013 weitergebildet - ein Plus von 6,5 Prozent. Gefragt ist auch das Programm "Spätstarter": In den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres haben knapp 20 000 junge Erwachsene begonnen, sich für einen Berufsabschluss zu qualifizieren. Die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss ist von 7,9 Prozent im Jahr 2006 auf 5,9 Prozent 2012 gesunken.

Ausländer und Zuwanderer

Auch Menschen aus Zuwandererfamilien arbeiten häufiger als früher. Die Arbeitslosenquote von Ausländern war 2012 mit 14,3 Prozent allerdings immer noch doppelt so hoch wie die von Deutschen. Dies liege an mangelnden Sprachkenntnissen, niedrigen Bildungs- und Berufsabschlüssen und der mangelnden Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, heißt es in dem Bericht. "Insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund könnten bislang nicht in gleichem Maße vom Trend einer steigenden Erwerbsbeteiligung profitieren."

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Quelle:
SZ vom 12.03.2014/fie
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