Fachkräftemangel:Arbeitgeber fordern bessere Chancen für Flüchtlinge

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Flüchtling bei der Ausbildung in einem Jobtrainingscenter. (Foto: Ronny Hartmann/Getty Images)
  • Hunderttausende Menschen stellen jährlich in Deutschland einen Asylantrag. Der Wirtschaft kommen die potenziellen neuen Arbeitskräfte wie gerufen.
  • Arbeitgeberverbände klagen nun, dass die Hürden für Asylsuchende und Geduldete zur Aufnahme einer Ausbildung zu hoch seien.

Analyse von Thomas Öchsner, Berlin

Sie sind jung, wollen etwas lernen - und kommen der deutschen Wirtschaft wie gerufen. Asylsuchende sind im Durchschnitt deutlich jünger als die ausländische Bevölkerung, die bereits in Deutschland lebt. 2014 war jeder dritte Asylbewerber unter 18 Jahren und jeder zweite zwischen 18 und 35 Jahren. Und ihre Zahl steigt. Im vergangenen Jahr stellten 173 000 Menschen erstmals einen Asylantrag. In diesem Jahr rechnet die Bundesregierung mit 450 000 Asylbewerbern.

Viele dürfen hier bleiben, selbst wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Ende 2014 lebten mehr als 113 000 mit einer sogenannten Duldung in Deutschland, davon 31 000 seit mehr als sechs Jahren. Für die Unternehmen sind unter diesen Menschen viele potenzielle Auszubildende, die gerade kleine und mittelständische Firmen dringend suchen. Die Bundesagentur für Arbeit meldete 2014 offiziell gut 37 000 unbesetzte Ausbildungsstellen. Das Handwerk spricht von jährlich 60 000 Lehrstellen, die leer bleiben.

Doch bei der Berufsausbildung von jungen Asylsuchenden und Geduldeten agiert die Bundesregierung zu zögerlich. Das findet zumindest die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Ihr gehen die beschlossenen oder geplanten gesetzlichen Änderungen "nicht weit genug". Das geht aus einer Stellungnahme der BDA zu den Regierungsvorhaben hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

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Junge Asylbewerber und Ausländer ohne festen Aufenthaltsstatus, die in Deutschland eine Lehre angefangen haben, mussten bisher meist immer wieder zur Ausländerbehörde, um ihre Aufenthaltserlaubnis für drei oder sechs Monate erneuern zu lassen. Die Jugendlichen lebten in der ständigen Angst, abgeschoben zu werden. Anfang Juli beschloss der Bundestag deshalb, dass solche jungen Menschen für die Dauer der Lehre eine Duldung bekommen - aber jeweils nur für ein Jahr. Außerdem dürfen sie nicht älter als 21 Jahre sein, wenn sie ihre Ausbildung beginnen.

Die Arbeitgeberverbände halten dies für keine gute Lösung. So könne ein Unternehmen nicht planungssicher arbeiten. "Diese neue Regelung bringt nicht die notwendige Rechtssicherheit für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe." Auch die Einschränkung auf 21 Jahre sei "zu restriktiv", heißt es in dem BDA-Positionspapier. Hinzu kommt: Nach dem erfolgreichen Abschluss der Lehre und der Übernahme im Betrieb müsste ein Aufenthaltsrecht für zwei Jahre Berufspraxis gesichert sein.

Das fordert auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer: "Eins plus eins plus eins, das reicht nicht." Nötig sei eine feste Bleibezusage für die gesamte Ausbildungszeit plus zwei weitere Jahre danach. Dafür macht sich ebenfalls Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) stark. Es sei nicht zu erwarten, dass Unternehmen in junge Menschen investierten, wenn nicht klar sei, ob sie hier nach der Ausbildung zwei weitere Jahre arbeiten dürften, sagt der Vizekanzler. Er hoffe, dass auch der Koalitionspartner, die Union, sich dafür gewinnen lasse.

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Die Arbeitgeberverbände stören sich weiter daran, dass jungen geduldeten Flüchtlingen der Weg für eine schnelle Förderung versperrt bleibt. Nach den Plänen des Bundesarbeitsministeriums wird ihnen vom 1. Januar 2016 an der Zugang zu Förderhilfen bei der Berufsausbildung und Bildungsprogrammen eröffnet, die für einen Beruf vorbereiten. Dies gilt aber erst nach 15 Monaten Aufenthalt in der Bundesrepublik. Damit seien zahlreiche geduldete junge Menschen "für viel zu lange Zeit" von Hilfen wie der assistierten Ausbildung oder der Berufsausbildungshilfe ausgeschlossen, kritisiert die BDA. Die Förderprogramme müssten sofort "ab Erteilung der Duldung zur Verfügung stehen".

Außerdem sollte die Bundesregierung den Asylsuchenden und Geduldeten auch bei Praktika mehr entgegenkommen. Oft hätten sie wenig Ahnung vom deutschen Ausbildungssystem oder könnten keine Zeugnisse vorweisen. Umso wichtiger seien Praktika. Sie könnten helfen, "sowohl aufseiten der jungen Menschen selbst als auch aufseiten der Betriebe mehr Klarheit zu schaffen". Nur komme es zu solchen Praktika erst gar nicht, weil die Bundesagentur für Arbeit (BA) zunächst prüfen müsse, ob an dieser Schnupperphase im Betrieb nicht ein deutscher Kandidat oder EU-Bürger Interesse habe. Die Arbeitgeber fordern deshalb solche Praktika schnellstmöglichst von dieser Vorrangprüfung zu befreien.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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