Facebooks Börsengang:Was Facebook seinen Investoren verspricht

Im Börsenprospekt von Facebook stehen kalte Zahlen und warme Worte. Das soll die Anleger locken. Schwärmerisch spricht Mark Zuckerberg von seinem Baby. Doch der Prospekt zeigt auch Risiken auf - die Anzeigen auf Facebook funktionieren schlecht. Und es gibt bereits eine Ahnengalerie von einst erfolgreichen Netzwerken, die heute keiner mehr nutzt.

Bastian Brinkmann

Mark Zuckerberg weiß, was er nicht kann. "Ich denke, wir sind gut darin, etwas zu erschaffen, das genau den Wünschen der Leute entspricht", sagte der Facebook-Gründer letztens in einem Interview. "Aber wir sind nicht automatisch gut darin, in klaren Worten zu sagen, was diese Wünsche sind."

Deswegen hat sich Mark Zuckerberg Hilfe geholt, um den Börsenprospekt zu formulieren, um den potentiellen Investoren eine Geschichte zu erzählen. Mit dem Prospekt will Facebook bald an die Börse gehen und so Kapital einsammeln - zunächst fünf Milliarden Dollar für einen Teil der Unternehmensaktien. Dem Unternehmen könnte so ein Wert von 75 bis 100 Milliarden zugeschrieben werden, damit würde Facebook viele etablierte Konzerne überholen.

Ein Börsenprospekt besteht aus warmen Worten und kalten Zahlen. Und die sehen bei Facebook so aus:

[] 2011 hat das Unternehmen 3,7 Milliarden Dollar Umsatz gemacht, ein rasantes Wachstum im Vergleich zu 2010 (fast zwei Milliarden) und 2009 (777 Millionen).

[] Der Gewinn lag im vergangenen Jahr bei ziemlich genau einer Milliarde Dollar. Facebook erreicht damit eine Umsatzrendite von etwa 27 Prozent, ähnlich wie auch in den vergangenen Jahren: 2010 kam Facebook auf 606 Millionen Gewinn, 2009 auf 229 Millionen.

[] Die Nutzerzahlen sind beeindruckend: 845 Millionen zählte Facebook zuletzt, die sich mindestens ein Mal im Monat eingeloggt haben. Doch auf dem Heimatmarkt in den USA wächst Facebook nur noch langsam, aber auf hohem Niveau. Von September bis Dezember 2011 stieg die Zahl der täglich aktiven Nutzer von 124 auf 126 Millionen - eine Entwicklung, die auch Facebook Fatigue genannt wird.

Zu Geschäftsberichten gehört auch, dass das Unternehmen klar darlegen muss, welche Risiken es für den Geschäftsbetrieb sieht. Facebook spricht beispielsweise davon, dass es schon andere soziale Netzwerke gab, die sehr populär waren, dann aber jäh in der Nutzergunst abstürzten - bekannte Beispiele sind Myspace und StudiVZ. Facebook sieht sich des Weiteren mit zukünftigen Rechtsstreitigkeiten konfrontiert, Patent- und Urheberrechtsverletzungen. Die könnten teuer werden, heißt es in der Schrift.

Der Börsengang könnte einige wertvolle Mitarbeiter sehr reich machen. Würden sie ihre Anteile verkaufen, Millionäre werden und bei Facebook kündigen, würden sie eine große Lücke hinterlassen. Das Unternehmen sagt, es stehe außerdem unter Innovationsdruck, der gehöre zur Unternehmenskultur - doch Neuerungen wie beispielsweise die Timeline kommen nicht immer gut an. Auch das könnte Nutzer und damit die Basis des Geschäftsmodells verschrecken.

Dazu kommt: Facebooks Einkommen stützt sich zum überragenden Teil auf Anzeigen - darüber generieren sich 85 Prozent der Gelder. Doch die Anzeigen funktionieren nicht besonders gut. Anzeigenkunden sähen das Facebook-Modell manchmal als "experimentell und ohne beweisbaren Effekt", steht im Börsenprospekt. Auch Kapitalgeber bewerteten das Anzeigen-Modell von Facebook bereits als nicht gerade nachhaltig - oder gar als einem betrügerischen Schneeballsystem ähnlich, weil die Anzeigen so nutzlos seien.

Für den restlichen Umsatz sorgt praktisch Zynga. Das ist die Firma, die Spiele entwickelt hat wie "Farmville" und "Mafia Wars", die die User entweder stundenlang vor dem Bildschirm fesseln oder deren Notifications die Nichtspieler einfach nur nerven. Zyngas Geschäftsmodell: Nahezu süchtig machende Spiele entwickeln und dann dem Nutzer die Möglichkeit geben, sich für ein paar Dollar einen Fortschritt nicht zu erspielen, sondern zu erkaufen. Der Chef von Zynga gilt als Hardliner, der mit Zuckerberg eine enge Partnerschaft zwischen der Spieleplattform und Facebook ausgehandelt hat. Facebook macht zwölf Prozent Umsatz mit solchen Zynga-Spiele-Einkäufen und ist damit von dem Zocker-Konzern abhängig, der selbst erst im Dezember an die Börse gegangen ist.

Als einer der schärfsten Konkurrenten wird Google genannt. Der Internetriese kann allerdings auf Facebook hinabschauen: Umsatz und Gewinn sind aktuell rund zehn Mal so groß. Doch liegt Facebooks Wachstum deutlich über dem von Google. Facebook bezeichnet im Prospekt die Wettbewerbssituation allgemein als sehr hart.

Die Rolle von Mark Zuckerberg als Entscheider bei Facebook wird im Börsenprospekt festgeschrieben. Er hält 28,2 Prozent der Stimmrechte bei Facebook, wird dort aufgeführt. Schafft es Facebook auf einen Unternehmenswert von 100 Milliarden Dollar, würden Zuckerbergs Anteile also auf einen Schlag 28 Milliarden wert sein. Außerdem kontrolliere er zusätzlich die Stimmrechte anderer Personen. Als CEO führt er offiziell die Geschäfte, hat sich aber für das operative Geschäft schon lange Management-Profis geholt, wie 2008 Sheryl Sandberg von Google. Der Prospekt beschreibt auch, was passiert, wenn Zuckerberg stirbt: Die Verantwortung gehe dann auf jemanden über, den er noch zu Lebzeiten ausgesucht habe.

Die warmen Worte finden sich vor allem im Brief von Mark Zuckerberg an die Investoren. "Facebook wurde ursprünglich nicht als Konzern erschaffen", schreibt Zuckerberg. "Es wurde kreiert, um eine soziale Mission zu erfüllen - um die Welt offener und vernetzter zu machen." Ihm gehe es um persönliche Beziehungen, durch die unsere Gesellschaft funktioniere. Dieser Gründungsmythos zieht sich durch den Prospekt. Investoren werden gewarnt, dass Facebook vielleicht Entscheidungen treffe, die nicht kurzfristig für Gewinn sorgen, aber diesem langfristigen Ziel dienen würden. Ein Beispiel dafür: 425 Millionen Menschen nutzen Facebook mobil auf dem Handy, die Facebook-App für unterwegs ist eine der am meisten heruntergeladen Smartphone-Anwendungen. Doch Werbung liefert Facebook mobil bislang nicht aus. Das, verspricht der Prospekt, könne sich allerdings ändern.

Zu den Gewinnern eines Börsengangs gehören neben Zuckerberg und seinen Mitarbeiten die frühen Investoren von Facebook. So hat die Wagniskapital-Firma Accel Partners im Jahr 2005 Facebook-Anteile für 12,7 Millionen Dollar gekauft - die entsprechen heute 11,4 Prozent der Firma. Kann Facebook auf eine Bewertung von 100 Milliarden kommen, sind diese Anteile also 11,4 Milliarden wert - fast das 1000fache des ursprünglichen Investmens. Auch der Künstler David Choe kann sich freuen: Er wurde für Gemälde im Facebook-Unternehmenssitz in Anteilen bezahlt - die nun bis zu 200 Millionen Dollar wert sein könnten.

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