Kartellstreit:Atempause für Facebook

Kartellstreit: Dier Facebook-Zentrale in Menlo Park. Das Unternehmen wird vorerst nicht zerschlagen.

Dier Facebook-Zentrale in Menlo Park. Das Unternehmen wird vorerst nicht zerschlagen.

(Foto: Jeff Chiu/AP)

Ein US-Richter weist die Klage mehrerer Behörden ab, den Konzern zum Verkauf von Instagram und Whatsapp zu zwingen. Die Gefahr einer Zerschlagung ist für das Netzwerk dennoch nicht vom Tisch.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Es sind wahrlich keine einfachen Zeiten für die großen Tech-Konzerne der USA: Politiker debattieren über eine mögliche Aufspaltung der Firmen, der Kongress ist mit gleich sechs Gesetzentwürfen zur Verschärfung des Kartellrechts befasst, und die führenden Industrieländer planen eine globale Mindeststeuer für international tätige Großunternehmen.

Umso erleichterter dürfte man am Montagabend in der Facebook-Zentrale im kalifornischen Menlo Park gewesen sein, als die Nachricht aus dem fernen Washington eintraf: Gleich zwei Klagen der Kartellbehörde FTC sowie fast aller US-Bundesstaaten, das soziale Netzwerk zum Verkauf der vor Jahren übernommenen Konkurrenten Instagram und Whatsapp zu zwingen, sind vorerst gescheitert. Facebook erhält damit zumindest eine Atempause, die auch Amazon, Apple und Google nutzen dürften, um sich gegen die immer lauter werdenden Monopolvorwürfe weiter zu wappnen.

Alle vier Konzerne sind ins Visier der Politik geraten, weil sie nach Meinung vieler Experten in ihren Kerngeschäften eine marktbeherrschende Stellung aufgebaut haben und diese zulasten kleinerer Konkurrenten missbrauchen. Besonders gefährlich ist dabei aus Sicht der Unternehmen, dass sie es sich über die Jahre mit beiden großen US-Parteien verscherzt haben und über keinen natürlichen Bündnispartner mehr verfügen. In der Vergangenheit wussten die Tech-Riesen die Republikaner an ihrer Seite, wenn es darum ging, allzu drastische Markteingriffe des Staats zu verhindern. Die Demokraten wiederum sahen die aufstrebenden Firmen und ihre hemdsärmeligen Chefs lange Zeit als natürliche liberale Bündnispartner in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen an. Beide Verbindungen gibt es so nicht mehr.

"Ein Monopolist ist nicht verpflichtet, seinen Wettbewerbern Zugeständnisse zu machen."

Immerhin: Die jetzigen Urteile von Bundesrichter James Boasberg machen den Firmen gleich in doppelter Hinsicht Mut. Da ist einmal die Entscheidung selbst, die FTC-Klage aus Mangel an stichhaltigen Belegen für eine wettbewerbswidrige Monopolstellung von Facebook abzulehnen und der Behörde lediglich 30 Tage einzuräumen, um ihre Beschwerde nachzubessern. Und da ist zum Zweiten Boasbergs Aussage, dass der zentrale Vorwurf der FTC, Facebook habe Apps von Konkurrenzfirmen bewusst den Zugang zum eigenen sozialen Netzwerk versperrt, für eine Zwangszerschlagung nicht ausreiche. "Ein Monopolist ist nicht verpflichtet, seinen Wettbewerbern Zugeständnisse zu machen", schrieb der Richter in seiner Urteilsbegründung. "Eine entsprechende Weigerung ist selbst dann gesetzeskonform, wenn dahinter allein der Wunsch steht, neue Firmen am Marktzugang oder bereits bestehende Unternehmen am Wachsen zu hindern."

Mehrere Politiker forderten angesichts dieser Aussage bereits schärfere Vorschriften, da den Tech-Konzernen mit dem bestehenden Recht offenkundig nicht beizukommen sei. "Wir müssen unsere Kartellgesetze dringend aktualisieren, um die Herausforderungen einer modernen digitalen Volkswirtschaft zu meistern", sagte die demokratische Senatorin Amy Klobuchar. Auf die Gerichte könne man sich jedenfalls nicht verlassen. Bis zur Verabschiedung strengerer Richtlinien dürfte allerdings viel Zeit ins Land gehen.

Das ist wohl einer der Gründe, warum Facebooks Börsenwert nach Bekanntwerden der Urteile stark zulegte und erstmals die Marke von einer Billion Dollar übertraf. Überhaupt hat die gesamte Zerschlagungsdebatte den Aktienkursen der Großen Vier bisher nicht viel anhaben können. Experten erklären das auch damit, dass eine Aufspaltung der Konzerne womöglich gar keine Werte vernichten, sondern sogar neue schaffen könnte. Anders ausgedrückt: Vielleicht sind die wichtigsten Geschäftsbereiche von Amazon, Apple, Google und Facebook einzeln (noch) mehr wert als im Verbund.

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