Zuckerberg und die Politik:Die fünfte Gewalt

Mark Zuckerberg

Mark Zuckerberg hat die Aktienstruktur seines Konzerns so gestaltet, dass er immer das letzte Wort hat. Nun sieht er sich mit einer Rebellion seiner Mitarbeiter konfrontiert.

(Foto: Mark Lennihan/dpa)

Der Streit um den Umgang mit Trumps Beiträgen zwingt den Facebook-Chef, Farbe zu bekennen. Und die Debatte offenbart, wie sehr der US-Präsident auf Zuckerbergs Quasi-Monopol angewiesen ist.

Kommentar von Jannis Brühl

Facebook-Chef Mark Zuckerberg spricht gern von der "fünften Gewalt". Sein Netzwerk spiegele die Stimme des Volkes, eine nötige Ergänzung zu den klassischen vier Gewalten: Regierung, Parlament, Gerichte und Medien. Über die virtuellen Megafone Facebook, Twitter und Co. können Menschen streiten, sich organisieren, für Ziele kämpfen. Doch der Konflikt zwischen US-Präsident Donald Trump und den Social-Media-Unternehmen zeigt, wie sehr Facebook selbst zum Machtfaktor geworden ist. Auslöser sind Beiträge, in denen Trump nach der Tötung des Afro-Amerikaners George Floyd die Stimmung weiter anheizte. Die Spannungen in den USA zwingen nun auch Zuckerberg, politisch Stellung zu beziehen. Das kommt im Betriebssystem des Konzerns eigentlich nicht vor, der unter dem Banner der Meinungsfreiheit agiert.

Die Konkurrenten Twitter und Snapchat haben die Sichtbarkeit von Trump eingeschränkt, nachdem er die Grenzen des Anstands mehrfach überschritten hat. Nun prüft auch Zuckerberg, ob Facebook bei Gewaltdrohungen und Rassismus von Politikern einschreiten soll. Lange zeigte er eine bemerkenswerte Furcht, Amerikas Rechte zu verärgern. Nun wird der Druck aus den eigenen Reihen immer größer. Hunderte Mitarbeiter wollen nicht länger hinnehmen, dass der Präsident ihre Plattform für seine Eskalationsstrategie nutzt.

Trump wiederum will verhindern, dass die Unternehmen sich neu positionieren. Er droht, ihnen ihr wichtigstes Privileg zu nehmen: "Sektion 230", Teil eines Gesetzes aus der Zeit, als Modems laut piepten. Es befreit die Unternehmen weitgehend von der Haftung für Beiträge ihrer Nutzer - im Gegensatz zu traditionellen Medien, die Verantwortung für Inhalte übernehmen. Ein Ende des Privilegs würde Zuckerbergs Geschäftsmodell gefährden. Sein Konzern müsste auf Verdacht hin Millionen Beiträge löschen, was ihn in immer neue Zensurdebatten stürzen würde. Wird Zuckerberg zum globalen Chefredakteur, macht ihn das noch mächtiger - und noch angreifbarer.

In diesem Ringen steht Trump noch mehr unter Druck als Zuckerberg. Die Vehemenz, mit der der Präsident die sozialen Medien einschüchtern will, verrät, wie sehr sein Schicksal mit Facebooks Quasi-Monopolstruktur verknüpft ist. Der Anti-Politiker und seine Form des Schulhof-Bullyings werden ohne Facebook nicht funktionieren. 2016 manövrierte er mit einer beispiellosen Netz-Offensive ebenso die republikanische Elite aus, der er zu vulgär war, wie die Demokraten um Hillary Clinton. Das Anzeigensystem des Netzwerks, das Nutzer je nach Interessen bestimmte Werbung anzeigt, ist das Herzstück seines Wahlkampfs. "Flood the zone with shit" nannte sein Ex-Berater Steve Bannon den Plan, Clintons Wahlkampf in hemmungsloser digitaler Propaganda zu ertränken. Trump will Facebook zwingen, die Schleusen möglichst weit offen zu halten.

Zuckerberg nimmt das Werbegeld gerne, will sonst aber möglichst wenig mit Politik zu tun haben. Nun zwingen ihn seine eigenen Leute dazu. Intern schrieb einer von ihnen von einer "missbräuchlichen Beziehung" zwischen Facebook und dem Präsidenten. Zuckerberg muss sich überlegen, ob er sich aus dieser Beziehung lösen will. Dazu muss er anerkennen, dass nicht seine Nutzer, sondern er selbst die "fünfte Gewalt" geworden ist.

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