Süddeutsche Zeitung

Facebook:Spuren verwischen im Netz

Eine neue Funktion von Facebook zum Datenschutz könnte das Geschäftsmodell des Konzerns treffen. Denn die Nutzer können damit verhindern, dass sie fast durchs gesamte Netz verfolgt werden.

Von Simon Hurtz, Berlin

Im Mai 2018 kündigte Mark Zuckerberg eine neue Funktion an, die Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zurückgeben sollte. An diesem Dienstag startet "Off-Facebook Activity" (OFA) in Irland, Spanien und Südkorea. Die Funktion soll "in den kommenden Monaten" in anderen Ländern freigeschaltet werden.

Hält Facebook sein Versprechen ein, werden die Nutzer sich bald einen Teil ihrer Privatsphäre zurückholen können. Für das Unternehmen ist es ein Risiko: OFA ist eine mächtige Funktion, die Facebooks Datensammlung signifikant verkleinert. Wenn viele Menschen davon Gebrauch machen, wird das Werbegeschäft leiden.

Aber das Unternehmen nimmt das in Kauf, der öffentliche Druck nach mehr Privatheit ist mittlerweile zu groß geworden.

Derzeit können Nutzer nur Daten betrachten und löschen, die sie direkt bei Facebook hinterlassen, etwa Likes, Kommentare und Nachrichten, oder Fotos und Videos, die sie in der App hochladen. OFA wird Nutzern Kontrolle über Daten geben, die andere Apps und Webseiten an Facebook übermitteln.

Wer die Funktion aufruft, sieht alle Informationen sortiert nach Datum, kann sich Details anzeigen lassen und Daten entfernen - einzeln oder alle auf einmal. Außerdem können Nutzer Facebook anweisen, diese Informationen künftig nicht mehr mit ihrem Profil zu verknüpfen.

Mit den sogenannten "Facebook Business Tools" hat das Unternehmen das Web verwanzt. Es überwacht Nutzer im Netz und registriert fast jeden Klick. Diese kostenlosen Werkzeuge ermöglichen den Betreibern Einblicke, wer ihre Apps und Seiten nutzt - geben die Daten aber auch an Facebook weiter. Das Unternehmen schaut Milliarden Menschen beim Surfen über die Schulter. Ein Großteil der deutschen Nachrichtensites, darunter auch die SZ, sammelt mit Hilfe von Facebook Daten, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren. Facebook erklärt die Praxis selbst mit einem Beispiel: Ein Nutzer sucht online nach einem Schuhmodell, ohne den Kauf abzuschließen. Wenn die Seite die Facebook-Tools nutzt, erfährt Facebook davon. Dann wird die Information mit dem entsprechenden Konto verknüpft, und der Nutzer sieht in seinem Newsfeed Werbung für die Schuhe, nach denen er gesucht hat.

OFA ist mächtig, aber nicht allmächtig: Facebook selbst nutzt den Begriff "Verlauf entfernen" - tatsächlich löschen lassen sich die Daten nicht. Es wird lediglich die Verknüpfung mit dem eigenen Facebook-Konto aufgehoben. Das Unternehmen behält die Informationen und sammelt sie auch in Zukunft. Nutzer sehen weiter die gleiche Zahl an Anzeigen, nur sind diese möglicherweise weniger personalisiert. Facebook versichert, dass sich die Daten rückwirkend nicht mehr einzelnen Nutzerprofilen zuordnen lassen.

Wer Facebooks Datensammlung einschränken will, muss selbst tätig werden. Statt OFA einfach für alle Nutzer zu aktivieren, bietet Facebook die Funktion nur optional an. Ein paar Klicks sind zwar kein großes Investment, doch erfahrungsgemäß macht nur ein Bruchteil der Nutzer von solchen Opt-in-Lösungen Gebrauch.

Als Zuckerberg die Funktion im Mai 2018 erstmals ankündigte, hieß sie noch "Clear History". Damals sagte Facebook, es werde "einige Monate" dauern. Im Dezember erklärte Facebook die Verzögerung mit technischen Problemen und versprach, dass im Frühjahr Tests mit Nutzern beginnen sollten. Im Mai 2019 kündigte ein Blogeintrag die "schrittweise Einführung in den kommenden Monaten" an.

Anderthalb Jahre später hat "Clear History" einen neuen Namen und scheint tatsächlich Realität zu werden. Die Entwicklung sei sehr aufwändig gewesen, heißt es bei Facebook. Man habe sich monatelang mit Unternehmen, Datenschützern und Organisationen ausgetauscht, Tests mit Nutzern durchgeführt und OFA an deren Rückmeldungen angepasst.

Facebooks Geschäftsmodell beruht auf personalisierten Anzeigen. Es verspricht Werbekunden, dass sie auf Facebook die höchste Chance haben, Menschen zu erreichen, die sich tatsächlich für ihre Produkte interessieren - weil Facebook seine Nutzer so gut kennt wie kaum ein anderer Konzern. Je mehr Daten Facebook sammelt, desto exakter lassen sich Nutzer bestimmten Zielgruppen zuordnen. Wenn viele Menschen OFA aktivieren und die Datensammlung einschränken, verliert Facebook einen Teil dieser Informationen.

In den vergangenen Monaten informierte Facebook Aktionäre, Investoren und Werbekunden über mögliche Auswirkungen von OFA. Sie könne das Tracking und Targeting erschweren und damit auch Facebooks Werbegeschäft bremsen. Wohl auch deshalb aktiviert die Firma die Einstellung nicht automatisch.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2019
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