Facebook:So tolle Zahlen - und keiner guckt hin

Facebook: Facebook ist mit seiner App auf vielen Smartphones vertreten.

Facebook ist mit seiner App auf vielen Smartphones vertreten.

(Foto: William West/AFP)

Facebook wächst weiter und verdient immer besser. Aber die Debatte wird bestimmt vom nächsten Skandal.

Von Malte Conradi, San Francisco

Diesen Tag hatte Mark Zuckerberg sich vermutlich anders vorgestellt. Endlich mal wieder positive Nachrichten, endlich mal wieder glänzen nach all dem Ärger um laschen Datenschutz, um Vertrauensverlust und auch um schwindendes Wachstum. Und tatsächlich waren die Zahlen gut, die Facebook an diesem Mittwoch vorstellte, sehr gut sogar: 30 Prozent mehr Umsatz als vor einem Jahr, noch einmal mehr Nutzer, selbst in Europa und in den USA, wo die Zahlen zuletzt stagnierten, und ein Rekordgewinn von 6,9 Milliarden Dollar in den letzten drei Monaten 2018. Die Analysten waren überrascht, der Aktienkurs schnellte im inoffiziellen Handel nach Börsenschluss um fast zwölf Prozent nach oben - und der Konzernchef war sehr stolz.

Aber dann reden wieder alle nur über Probleme. Typisch Facebook, heißt es, die lernen es wohl nie. Am Tag zuvor hatte das Nachrichtenportal Techcrunch berichtet, dass Facebook Nutzern ein Taschengeld dafür bezahlt hatte, dass sie auf ihrem iPhone ein bestimmtes Programm installieren. Manche der Nutzer waren Teenager, einige erst 13 Jahre alt. So konnte Facebook Daten abgreifen, auch wenn die Nutzer Facebook gerade nicht geöffnet hatten. Bewegungsdaten etwa, Informationen darüber, wie lange und wofür sie ihr Smartphone nutzten und mit wem sie telefonierten. Auch private Mitteilungen und E-Mails waren für Facebook sichtbar.

Das ist erst einmal nichts Ungewöhnliches oder gar Verbotenes. Viele Unternehmen zahlen Geld für Daten, Autoversicherer etwa geben Kunden Rabatte, die ihre Fahrweise überwachen lassen, Lebensversicherer überwachen die Fitness ihrer Kunden. Im Laufe des Mittwoch kam aber Schwung in die Sache, weil der iPhone-Hersteller Apple sich von Facebook hintergangen fühlt. Apples Richtlinien erlauben solch ein Datensammeln nämlich nicht. Erst im vergangenen Juni hatte Apple eine ganz ähnliche App aus seinem App Store verbannt. Nun hatte Facebook eine derartige Funktion durch eine Hintertür wieder eingeführt.

Schon ging es in der Debatte nicht mehr um die guten Geschäftszahlen Facebooks, sondern nur noch darum, wie diese Zahlen offenbar zustande kommen: um jeden Preis und ohne Rücksicht. Was Facebook da treibe, sei nicht nur eine Frechheit den Nutzern gegenüber, sondern auch ein direkter Angriff auf Apple, sagt eine Mitarbeiterin des iPhone-Herstellers, die namentlich nicht genannt werden will. "Was ist nur los mit denen?"

Und tatsächlich ist es erstaunlich, wie Facebook zurzeit einen Skandal auf den nächsten häuft. Haben nicht der Gründer Mark Zuckerberg und die Facebook-Chefin Sheryl Sandberg die vergangenen Jahre vor allem damit zugebracht, sich zu entschuldigen und Besserung zu geloben?

Apple zieht der Facebook-App den Stecker

Es ist erst wenige Tage her, dass eine Medienrecherche ans Licht brachte, wie Facebook sich jahrelang wissentlich daran bereicherte, dass Kinder mit den Kreditkarten ihrer Eltern große Summen in Facebook-Spielen ausgaben. Mitarbeiter erwogen, von den Spielern zu verlangen, die Kreditkartennummer erneut einzugeben, entschieden sich dann aber dagegen, um den Profit nicht zu gefährden. Teilweise kamen so Rechnungen über mehrere Tausend Dollar zustande.

Diese Häufung von Skandalen ist der Grund dafür, dass der jüngste Fall so kritisch gesehen wird, kritischer sicherlich, als das bei einem anderen Unternehmen der Fall gewesen wäre. "Es ist, als sei es Facebook einfach egal, dass das Image inzwischen im Keller ist. Es geht ihnen offenbar einzig und allein um Wachstum und leider schaden diese Dinge ihrem Wachstum nicht", sagt die Apple-Mitarbeiterin.

Offiziell teilte Apple mit, was Facebook getan habe, sei ein "klarer Bruch der Abmachungen" zwischen den beiden Unternehmen. Eine diplomatische Formulierung, die das Entsetzen über das Verhalten Facebooks nur dürftig überdeckt.

Die Feindschaft zwischen Apple und Facebook, zwischen den Chefs Tim Cook und Mark Zuckerberg, nimmt seit Monaten an Schärfe zu. Cook macht den Kollegen in Menlo Park seit dem vergangenen Jahr immer wieder schwere Vorwürfe wegen deren Umgang mit Nutzerdaten. Erst kürzlich rief er den US-Kongress erneut dazu auf, dem Geldverdienen mit persönlichen Daten strenge Grenzen zu setzen. Ein ungewöhnlicher Vorgang im Silicon Valley, wo man sonst darauf bedacht ist, immer nur Nettes über die anderen zu sagen.

Im Laufe des Tages zog Apple dann dieser Facebook-App den Stecker, indem es ihr das sogenannte Entwickler-Zertifikat entzog. Diese erlauben es Programmierern, Apps für das Betriebssystem iOS außerhalb von Apples App-Store anzubieten. Eigentlich sollen diese nur Unternehmens-intern genutzt und nicht an Endnutzer verteilt werden, wie es Facebook aber mit seiner Datensammel-App nun getan hat. Mit dem Entzug des Zertifikates werden auch alle Testversionen anderer Facebook-Apps unbrauchbar. Wenn Apple diese Blockade länger aufrechterhält, könnte das zu einem großen Problem für Facebook werden. Entwickler können dann nämlich keine Apps mehr auf dem iPhone testen und weiterentwickeln. In Apple hat Facebook einen neuen und einen mächtigen Feind gefunden, sein einziger ist es nicht. In den vergangenen zwei Jahren hat Facebook praktisch im Alleingang dafür gesorgt, dass inzwischen auch in den USA über strengere Datenschutzregeln diskutiert wird, die am Ende die ganze Branche treffen dürften. "Facebook beweist weiterhin sein Bestreben, uns allen über die Schulter zu sehen, zu beobachten, was immer wir tun, um damit Geld zu verdienen", sagte der demokratische Senator Richard Blumenthal. Zuckerbergs leere Versprechen reichten nicht aus, es sei nun an der Zeit für die Wettbewerbsschützer, einzuschreiten.

Tatsächlich gibt Facebook mit jedem weiteren Skandal einer Debatte Nahrung, die noch vor wenigen Jahren reichlich absurd schien: Die um eine staatliche Zerschlagung oder zumindest strengere Regulierung des Unternehmens. So äußerte sich am Mittwoch auch der angesehene New Yorker Marketingprofessor und Unternehmer Scott Galloway: "Was wohl überfällig ist und wahrscheinlich kommen wird, ist irgendeine Art von Eingriff der Regierung."

Doch bis es so weit ist, sind zumindest iPhone-Nutzer - eine weitere erstaunliche Volte dieser Geschichte - nicht durch staatliche Regeln geschützt, sondern durch die freiwilligen Entscheidungen eines Unternehmens: von Apple.

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