Krise bei Meta:Warum Zuckerberg wieder auf Videos setzt

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg

Meta-Chef Mark Zuckerberg will mehr kurze Filme auf seinen Plattformen.

(Foto: Mark Lennihan/dpa)

Die Nutzerzahl von Facebook ist erstmals gesunken, nun fordert Meta-Chef Mark Zuckerberg von seinen Mitarbeitern, sich auf Kurzvideos zu konzentrieren. Das klingt nicht visionär, könnte aber ein cleverer Schachzug sein.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist gar nicht mal so lange her, drei Monate, um genau zu sein, da hat Mark Zuckerberg das nächste große Ding vorgestellt: das Metaverse. Und man hätte damals schon ahnen können, dass da etwas komisch ist. Wie visionär ist einer, der als Avatar in der virtuellen Welt alles sein könnte - ein pangalaktischer Donnergurgler, der Patrizier von Ankh-Morpork oder eine siebenköpfige Schlange - aber für die neue Welt schlicht ein Bild von sich selbst aussucht, inklusive Frisur und Klamotten? Nun ist an Frisur und Klamotten von Zuckerberg nichts auszusetzen; es wirkte dennoch ein bisschen so, als wüssten sie bei Meta nicht, was sie genau mit dem Metaverse anstellen sollen.

Nun musste Zuckerberg sich vergangene Woche mit etwas sehr Konkretem beschäftigen: Am Donnerstag brach der Meta-Aktienkurs um 27 Prozent ein, der Börsenwert sank um 240 Milliarden Dollar - es war der größte Verlust für ein einzelnes Unternehmen in der Börsengeschichte. Der Grund: Zum ersten Mal in der Firmengeschichte sank die Nutzerzahl der Meta-Tochter Facebook. Hat die Firma ihren Zenit überschritten? Zumindest könnte er symbolisch für eine größere Entwicklung stehen. Daher erwarteten viele eine Reaktion von Zuckerberg. Die gab es, doch war sie wenig visionär. Die Botschaft an die Mitarbeiter lautete: Konzentration auf Videos.

Das sagte er in einem sogenannten "All Hands Virtual Meeting" auf Meta Platforms. Das bedeutet: Zahlreiche Mitarbeiter durften teilnehmen, und die Chance, dass das, was dort gesagt wurde, nach außen drang, lag bei 100 Prozent. Heraus kam: Zuckerberg will, dass sich sein Unternehmen um sogenannte Reels kümmert. Das ist das Kurzvideo-Angebot, das dem Social-Media-Konkurrenten Tiktok so sehr ähnelt, dass viele Nutzer ihre Tiktok-Videos einfach in Reels kopieren. Außerdem: Hat Meta im Jahr 2016, als es noch Facebook hieß, nicht schon mal Kurzvideos als Zukunft angepriesen?

Eine Strategie, die damals nicht recht aufgegangen ist

Im Jahr 2022 klingt das recht einfallslos und nach Vergangenheit, zumal die Strategie damals auch nicht recht aufgegangen ist. Seinerzeit hatte Facebook-Managerin Nicola Mendelsohn gesagt, Videos seien für die rasche Aufnahme von Informationen geeigneter als Text: "Müsste ich wetten, würde ich auf Video, Video, Video setzen." Das klang schlüssig damals, Video hatte ein paar Jahrzehnte davor auch den Radio-Star gekillt, nun sollten die Text-Einträge auf sozialen Medien dran sein. Kurze Videos waren damals sehr angesagt, allerdings stellte das Sechs-Sekunden-Video-Portal Vine, das mal mehr als 200 Millionen aktive Nutzer hatte, bereits im Januar 2017 den Betrieb ein.

Kurz-Videos sind zwar schon noch beliebt, wie der Erfolg von Tiktok (mehr als eine Milliarde aktive Nutzer) und Snapchat (319 Millionen, der Konzern Snap vermeldete mit 22,6 Millionen Dollar Gewinn kürzlich das erste profitable Quartal seiner Geschichte) zeigt - nur: Texte und Bilder sind seither nicht verschwunden, und das aus einem einfachen Grund: Videos erfordern eine höhere Aufmerksamkeit, Texte und Bilder lassen sich nebenbei konsumieren und sind deshalb beispielsweise beim Second-Screen-Viewing, also wenn man aufs Handy schaut, während gleichzeitig der Fernseher läuft, weiterhin überaus gefragt.

Die Video-Strategie von Facebook war also nur mäßig erfolgreich, das war zum Beispiel auch daran zu sehen, dass sich das Unternehmen nach einer Klage, es hätte die Statistiken für tatsächlich angesehene Werbung vor Videos geschönt, auf einen Vergleich geeinigt hatte. Es musste 40 Millionen Dollar an Werbetreibende zahlen. Warum setzt Zuckerberg nach diesem desaströsen Quartal nun aber dennoch auf Videos?

Zuckerberg, ein ausgebuffter Geschäftsmann

Es könnte daran liegen, dass Zuckerberg ein ausgebuffter Geschäftsmann ist: Über Meta schwebt die Klage der Bundesbehörde Federal Trade Commission (FTC). Erst vor zwei Wochen entschied Bundesrichter James Boasberg, die Klage zuzulassen, weil es der Behörde gelungen sei zu erklären, dass "Facebook nicht nur Monopolmacht besitzt, sondern auch bereit ist, die Macht wissentlich durch wettbewerbswidriges Verhalten zu festigen". Ziel der Klage ist es, die Dienste Instagram und Whatsapp von Facebook zu trennen, und ein Weg, dies zu verhindern, ist die Antwort auf die Frage: Was ist mit Tiktok?

In der Klage wird der Markt, um den es geht, als "persönliche soziale Netzwerke" bezeichnet; Tiktok als "Service zum Versenden und Konsumieren von Inhalten". Die chinesische Plattform wird ganz bewusst nicht als Konkurrent genannt, weil es bei den Meta-Plattformen um persönliche Beziehungen ginge, bei Tiktok ums Teilen von Inhalten mit Leuten, die man nicht unbedingt kennt. Dieser Unterschied ist bedeutsam, denn: Setzt Zuckerberg auf Reels, die ja ein Tiktok-Zwilling sind, kann er sagen, dass Tiktok sehr wohl ein Konkurrent sei, zumal einer aus China, gegen den sein Unternehmen geschützt werden müsse. Eine Aufsplitterung würde Meta schwächen, und es kann doch wirklich nicht im Sinne einer US-Behörde sein, dem chinesischen Konkurrenten das Feld zu überlassen. So das Kalkül.

Es mag nicht visionär sein, was Zuckerberg da von seinen Mitarbeitern verlangt. Es könnte sich aber als cleverer Schachzug eines cleveren Chefs erweisen.

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