Facebook, Google und Apple:Dieser Plan soll die Macht der Superkonzerne zügeln

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An der Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien. Wenn Konzerne die Märkte zu sehr dominieren, rufen sie Argwohn hervor.

(Foto: picture alliance/AP Photo)
  • Ein von Forschern entwickelter Plan könnte die Macht riesiger Konzerne bremsen.
  • Die Idee: Ein globales Anti-Kartell-Netzwerk soll verhindern, dass Unternehmen wie Facebook oder Google zu mächtig werden und dadurch den Kunden schaden.
  • Mit dem Vorschlag soll sich nun auch das Beratungsgremium der deutschen G-20-Präsidentschaft befassen.

Von Alexander Hagelüken und Markus Balser

Im Sport sind Superstars fast immer beliebt. In der Wirtschaft ist das anders. Wenn Konzerne wie Amazon, Google oder Facebook Märkte zu sehr dominieren, rufen sie Argwohn hervor. Zu wenig Wettbewerb erzeugt gigantische Gewinne und schadet meist dem Kunden. Jetzt ist für die 20 großen Wirtschaftsnationen ein globales Anti-Kartell-Netzwerk im Gespräch, um den Einfluss solcher Konzerne zu begrenzen. Der Vorstoß soll auch die Spaltung der Gesellschaften in Arm und Reich bremsen.

"Superstars haben exzessive Marktmacht, durch die sie Preise erhöhen können, ohne viele Kunden zu verlieren", kritisiert die Ökonomieprofessorin Dalia Marin, die den Vorschlag für ein Beratungsgremium der deutschen G-20-Präsidentschaft entwickelt hat. Die Digitalisierung fördere den Trend zum Monopol. Etwa, weil Plattformen wie Facebook oder die Suchmaschine Google immer mehr Besucher anziehen, je größer sie werden - die schiere Größe verspricht Besuchern mehr Kontakte oder mehr Suchtreffer. Rivalen wie Myspace, Studi-VZ oder Yahoo geraten ins Abseits.

Diesen Größeneffekt gibt es in herkömmlichen Branchen wie der Autoindustrie so nicht. Gleichzeitig verursachen zusätzliche Besucher den digitalen Plattformen kaum Kosten, was riesige Gewinne verspricht - anders als bei der Autoindustrie muss ja nicht für jeden Kunden ein neuer Wagen gebaut werden. Der amerikanische Forscher David Autor weist mit Kollegen einen generellen Trend zu Superstars in der Wirtschaft nach (PDF). So verdoppelte sich in den USA in den vergangenen 30 Jahren der Marktanteil der größten vier Handelskonzerne. In wichtigen Industriebranchen erhöhten die Top vier ihren Anteil von 38 auf 43 Prozent - eine Entwicklung, die sich mit der Digitalisierung seit den Nullerjahren beschleunigt.

Auch die Globalisierung fördert Superstars, weil sie den produktivsten Konzernen eine weltweite Ausbreitung erlaubt, während weniger wettbewerbsfähige kleine Firmen in den einzelnen Ländern schrumpfen. Für die Kunden verheißt das nichts Gutes: "Marktmacht muss neu definiert werden", fordert Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbands. Die Spielregeln müssten international so gestaltet werden, dass keine neuen Monopole entstehen.

Dalia Marins Vorschlag sieht vor, dass sich die Kartellbehörden einzelner Staaten nicht mehr nur locker austauschen, sondern regelmäßig treffen und eng kooperieren. So hätten Verfahren mehr Schlagkraft als etwa jenes, das die EU-Kommission gegen Microsoft wegen der Unterdrückung konkurrierender Software zum Abspielen von Musik und Videos anstrengte. Damals zwang Brüssel Microsoft zwar zu Änderungen, doch ohne ähnliches Vorgehen in den USA und Asien blieb die Wirkung begrenzt. Recherchieren Kartellbehörden künftig gemeinsam, können sie schneller handeln. Weil sich Technologien rasch wandeln, kommen nationale Behörden oft zu spät - sie brauchen Jahre, um einen wasserdichten Schuldspruch hinzubekommen, der Klagen hoch bezahlter Konzernanwälte standhält.

Auch Siemens-Chef Joe Kaeser fordert wegen der Vernetzung der Wirtschaft eine globale Wettbewerbspolitik. Kaeser beklagt, in China seien zwei Bahntechnik-Konzerne zur weltweiten Nummer eins fusioniert, ohne dass Brüssel ein Verfahren einleitete - was sicher geschehen würde, falls die kriselnden europäischen Anbieter als Gegenreaktion auf die Chinesen fusionieren. "Wir müssen dafür sorgen, dass auf globaler Ebene die gleichen Spielregeln für alle gelten", so Kaeser kürzlich.

Forscher sehen Superkonzerne als mitverantwortlich für Spaltung der Gesellschaft

Nach Marins Plan soll sich ein Kartell-Netzwerk stark um neue Wettbewerber kümmern: "Die Superstars verhindern oft, dass neue Firmen in den Markt eintreten." Facebook etwa wird vorgeworfen, Kernideen des sozialen Netzwerks Snapchat zu kopieren, nachdem eine Übernahme des missliebigen Rivalen misslungen war. "Das Netzwerk muss dafür sorgen, dass Konkurrenten eine Chance haben", fordert die Ökonomin, die an der Uni München lehrt.

Außerdem müsse das Netzwerk neue Konzepte entwickeln, wie Marktmacht in der digitalen Ära überhaupt zu messen ist. Entsteht Dominanz nicht schon, indem Google Unmengen an Daten seiner Kunden sammelt? Und indem Facebook den Kurznachrichtendienst Whatsapp kaufte, der noch wenig Umsatz machte, aber viele Nutzer hatte? Womöglich sind nicht wie bisher in der Wettbewerbskontrolle Umsatz, sondern Nutzer der bessere Indikator für Dominanz. Daten seien die neue Währung, warnt auch Verbraucherschützer Müller.

Die Idee eines globalen Netzwerks, die in den nächsten Wochen auf G-20-Treffen präsentiert wird, passt zur Haltung von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Das Bundeskartellamt bekommt künftig mehr Möglichkeiten, Übernahmen in digitalen Branchen zu untersuchen. Etwa wenn das gekaufte Unternehmen zwar weniger als fünf Millionen Euro Umsatz in Deutschland macht, der Kaufpreis aber über 400 Millionen Euro liegt. Im "Weißbuch Digitale Plattformen" fordert Zypries, Kartellämtern sollten unfaire Praktiken dominanter Anbieter und wettbewerbshemmende Fusionen leichter stoppen können.

Sozialer Zusammenhalt in Gefahr

Ihr Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) hatte 2014 sogar ins Gespräch gebracht, Google zu zerschlagen. Den Vorschlag Marins wollte das Ministerium nicht kommentieren. Es verweist auf bestehende Kooperationen der Kartellämter. So fördere das International Competition Network die Durchsetzung des Kartellrechts. Allerdings geht es dabei um eine informelle Projektarbeit in Arbeitsgruppen. Forderungen nach einem Weltkartellamt gibt es mindestens seit den Neunzigerjahren. Sie kamen vom ordoliberalen Wirtschaftsstaatssekretär Otto Schlecht genauso wie von Oskar Lafontaines Finanzstaatssekretär Claus Noé. Wolfgang Kartte, lange Jahre Chef des Bundeskartellamts, sagte damals: "Wir laufen Gefahr, uns dem Regiment einer immer kleiner werdenden Zahl privater Machtzentren und ihrer weltweit agierenden Manager auszuliefern, die sich selbstbewusst Global Player nennen".

An Marins Vorstoß ist unter anderem neu, dass sie die Superstars für die Spaltung der Gesellschaft mitverantwortlich macht. In den Nachkriegsjahrzehnten floss in den G-20-Staaten konstant 70 Prozent der Wirtschaftsleistung als Lohn an die Arbeitnehmer. Inzwischen ist die Lohnquote auf 58 Prozent gefallen. Die Ursache ist etwa der Ersatz von Menschen durch Roboter und Software. Auch die Konzentration der Marktanteile lässt die Lohnquote sinken, fand US-Forscher David Autor heraus. "Wenn die Ungleichheit zu stark wird, gefährdet das den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft", warnt Dalia Marin. "Der Rückenwind für Populisten in allen Ländern zeigt, welche Probleme entstehen."

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