Facebook:Durchleuchtet

Wie das soziale Netzwerk die Daten seiner Nutzer filtert, um sie dann mit gezielter Werbung zu überfluten.

Von Angela Gruber

Warum zeigt Facebook Werbung für Hundefutter, obwohl man selbst gar kein Haustier hat, oder Anzeigen für den neuesten Bauchweg-Roller, obwohl man ein Sportmuffel ist? Wer sich solche Fragen schon einmal gestellt hat, kann auf Facebook interessante Erkenntnisse gewinnen. Nutzer können sich anzeigen lassen, in welche werberelevanten Kategorien das Netzwerk sie eingeordnet hat. Sie können auch ihre vermeintlichen Präferenzen bearbeiten oder löschen.

In der Liste tauchen meist Hunderte Kategorien auf, Facebook nennt sie Einstellungen. Ein Schlagwort kann Mann oder Frau lauten, Medizin, Bibel oder Kultur. Andere Begriffe wirken skurril. Wer in seiner Liste sieht, dass mit dem eigenen Profil Kategorien wie "Stelldichein", "Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen", "Werder Bremen", "Heiliges Römisches Reich" oder "Ringe des Saturn" verknüpft sind, wird das nicht immer nachvollziehen können, vor allem wenn er kein Fußball- und Astronomie-Fan ist.

Eltern

Mütter und schwangere Frauen sind ein attraktives Ziel für Facebook und Werbetreibende.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

Der Facebook-Algorithmus werde aber immer treffsicherer, beobachtet Roland Eisenbrand von der Informationsplattform Online Marketing Rockstars. "Ich habe mal die Band-Seite eines Freundes geliked, Panzerfisch Rhodan. In der Kategorienliste kam dann bei mir der lateinische Fachbegriff für Panzerfisch", sagt Eisenbrand. Mittlerweile sei das Ergebnis nicht mehr enthalten. "Facebook gelingt es immer besser, solche Fehler der semantischen Analyse auszulöschen. Die Liste enthält immer noch Skurrilitäten, aber deutlich weniger als früher." In Zukunft dürfte es also weniger solcher fehlgeleiteter Werbeversuche auf Facebook geben.

Wie alle großen Plattformen versucht Facebook, Werbung zu schalten, die vom Nutzer wirklich angeklickt wird. Firmenchef Mark Zuckerbergs Versprechen an die Werbetreibenden lautet: Sie können Anzeigen so gezielt schalten, dass sie nur geringe Streuverluste haben und Menschen erreichen, die tatsächlich potenzielle Käufer sind. Das macht Anzeigen auf Facebook attraktiv. Und teuer. "Facebook hat das Online-Marketing umgekrempelt. Fast alle Firmen stecken ihr Budget jetzt lieber in zielgerichtete Facebook Ads statt in Bannerwerbung", sagt Marc Stahlmann, Geschäftsführer beim Fachportal Onlinemarketing.de. Aus Sicht von Facebook machten auch scheinbar unsinnige Zuordnungen Sinn, sagt Stahlmann. "Klar ist da auch viel Datenmüll dabei, die Kategorien werden von einem Algorithmus zugewiesen. Aber wenn einige wenige relevante Kategorien zutreffend zugewiesen werden und Facebook ohne große Streuverluste zum Beispiel Katzenbesitzer oder Schwangere identifizieren kann, dann ist das schon interessant für die Werbebranche."

Anzeigen blocken

So finden Nutzer ihr Facebook-Werbeprofil: Über das Menü "Einstellungen" und "Werbeanzeigen" auf den Button "Werbeanzeigen basierend auf meinen Einstellungen" klicken und dann "Einstellungen für Werbeanzeigen aufrufen" anwählen. Außerdem lassen sich neue Interessen hinzufügen, die Facebook noch nicht erkannt hat. Facebook warnt allerdings: Wenn Einträge gelöscht werden, würden weiter Werbeanzeigen angezeigt. Außerhalb von Facebook können Nutzer die Onlineseite youronlinechoices.eu ansteuern, um interessenbasierte Onlinewerbung für verschiedene Anbieter auszuschalten. SZ

Um zu entscheiden, welche Werbeanzeigen Facebook einblendet, analysiert es Daten aus verschiedenen Quellen: Welche Seiten haben dem Nutzer gefallen? Welche Anzeigen hat er angeklickt? Facebook macht bei diesen Fragen aber nicht halt. Das Unternehmen verfolgt auch Aktivitäten außerhalb von Facebook. Zudem ergänzt es das Nutzerprofil um Angaben, die Werbetreibende schon über den Nutzer haben und mit Facebook teilen, zum Beispiel seine Mailadresse. Wer sich neu einrichten will und online nach einem Sofa sucht, sieht seinen Favoriten aus dem Netz deshalb plötzlich auf Facebook in den Werbeflächen auftauchen.

Das kann für Nutzer auch zum Problem werden. Eisenbrand von Online MarketingRockstars hat im letzten Jahr auf eine umstrittene Möglichkeit des Targeting aufmerksam gemacht: Werbetreibende konnten als Zielgruppe ihrer Anzeige Nutzer auswählen, denen Facebook Interessen wie "Kinderpornografie", "Missbrauch" oder "Vergewaltigung" zugeordnet hatte. In eine solche Kategorie konnte man rutschen, wenn man etwa die Seite eines Vereins gegen Missbrauch geliked hatte. "Mittlerweile hat Facebook die irreführenden Targeting-Kategorien gelöscht", so Eisenbrand.

Wie schwer es ist, dem Online-Profiling zu Werbezwecken zu entgehen, hat ein Experiment der US-Soziologin Janet Vertesi gezeigt: Sie versuchte, ihre Schwangerschaft online geheim zu halten. Keine Online-Marketingfirmen und Netzwerke wie Facebook sollten mitbekommen, dass sie ein Kind erwartet. Schwangere Frauen sind ein attraktives Ziel für Werbetreibende. Vertesi wollte keine Windelwerbung und Schnuller-Angebote im Browser sehen. Sie verbot allen Bekannten, auf Facebook über ihre Schwangerschaft zu schreiben oder verdächtige Posts auf ihrer Seite zu hinterlassen. Um Babybedarf online zu suchen, verwendete sie das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Ihr Fazit: Um ihre Schwangerschaft zu verheimlichen, hätte sie online wie eine Kriminelle agieren müssen, die ihre Spuren verwischen will.

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