Nutzerdaten:Kartellamt kassiert Niederlage gegen Facebook

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Für Behördengänge, Shopping oder Banking: Die EU-Kommission plant eine einheitliche Schnittstelle für digitale Identitätsnachweise. (Foto: Vasily Pindyurin/imago)
  • Das Bundeskartellamt ist vorerst mit dem Versuch gescheitert, Facebook am Zusammentragen von Nutzerdaten zu hindern.
  • Die Behörde wollte vermeiden, dass der Konzern auch die Daten von Whatsapp und Instagram zu einem Profil zusammenfügt.
  • Facebook legte gegen die Anordnungen Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ein - und bekam nun recht.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Als Andreas Mundt zum Schlag gegen Facebook ausholte, wählte er große Worte: "Wir sind dabei, kartellrechtliche Leitplanken in die Internetökonomie einzuziehen", sagte der Präsident des Bundeskartellamts. Die Behörde entschied im Februar, dass der Facebook-Konzern seine Marktmacht missbrauche, wenn er Nutzerdaten auch über die Tochterfirmen Whatsapp und Instagram sowie über fremde Webseiten sammele und zu einem Profil zusammenfüge. Facebook dürfe das nicht ohne explizite Zustimmung der Kunden, verfügte das Kartellamt - und drohte mit Zwangsgeldern, falls das soziale Netzwerk die Geschäftsbedingungen nicht ändere.

Doch nun muss Facebook die Anordnungen doch nicht umsetzen - jedenfalls zunächst nicht: Diese seien "möglicherweise rechtswidrig" und deshalb "einstweilen außer Vollzug". Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf am Montag mitgeteilt. Dort hatte der Konzern Beschwerde eingelegt. Der Streit um das berühmte Häkchen, das alle Facebook-Nutzer einmal gesetzt haben, wird mithin zum Fall für den Bundesgerichtshof (BGH).

Nutzerdaten
:Kartellamt verordnet "innere Entflechtung" von Facebook, Whatsapp und Instagram

Der Konzern darf Daten zwischen den Plattformen künftig nur noch mit expliziter Zustimmung der Nutzer hin- und herschieben. Facebook will das nicht hinnehmen.

Von Benedikt Müller und Jannis Brühl

Das Kartellamt war - nach einem langen Verfahren - zu dem Ergebnis gekommen, dass Facebook-Nutzer Geschäftsbedingungen akzeptieren müssten, die gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung verstießen. Der Konzern sollte seine Konditionen binnen eines Jahres ändern, weist die Vorwürfe aber zurück.

Nun zerpflückt auch das OLG die Anordnungen des Kartellamts: Schon nach einer "bloß summarischen" Prüfung habe der Kartellsenat "ernstliche Zweifel", ob die Verfügungen rechtmäßig sind. Einer der Knackpunkte: Selbst wenn Facebook gegen Datenschutzregeln verstoße, sei das noch lange kein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Es geht also vor allem darum, ob das Kartellamt überhaupt zuständig ist.

Die Wettbewerbshüter seien etwa den Beweis schuldig geblieben, ob die Geschäftsbedingungen eines Konzerns wie Facebook wirklich kundenfreundlicher wären, wenn es mehr Wettbewerb unter sozialen Netzwerken gäbe. Auch von einem "Kontrollverlust" der Nutzer über ihre Daten könne "nicht die Rede sein", heißt es brüsk in dem Beschluss. Das OLG argumentiert, dass die Kunden Facebooks Geschäftsbedingungen lesen können; wer zustimme, mache dies ohne Zwang oder Druck. Alle Menschen könnten abwägen, ob sie das Netzwerk nutzen oder nicht.

Das Kartellamt habe auch nicht ausreichend nachgewiesen, dass Facebook aktuelle oder potenzielle Wettbewerber behindern würde. Die vorläufige Aussetzung ist zwar formal noch keine Entscheidung in der Sache; das eigentliche Beschwerdeverfahren sei anhängig, teilt das OLG mit, ein Verhandlungstermin noch nicht bestimmt. Es sei aber "überwiegend wahrscheinlich", dass die Richter die Verfügungen des Kartellamts aufheben werden.

Erst einmal kann Facebook weiter Daten sammeln wie eh und je

Für die Behörde sei der Beschluss ein harter Schlag, sagt Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: "Das Verfahren gilt als Pionierverfahren gegen die digitalen Giganten und hat als Meilenstein weltweite Beachtung gefunden." Damit gleich beim Düsseldorfer Gericht zu scheitern, sei für das Kartellamt "bitter", so Podszun.

Dessen Präsident Mundt betont indes dennoch, dass Daten ein entscheidender Wettbewerbsfaktor in der Zukunft seien. "Diese Rechtsfragen sind von großer Bedeutung für die künftige wettbewerbliche Verfassung der digitalen Wirtschaft", sagt der 59-Jährige. "Wir sind davon überzeugt, dass wir hier mit dem bestehenden Kartellrecht ordnend eingreifen können." Daher werde seine Behörde nun eine Rechtsbeschwerde zum BGH einlegen.

Rechtsprofessor Podszun lobt zwar den Pioniergeist des Kartellamts, sieht aber ein grundsätzliches Problem im Umgang mit Internetkonzernen: "Selbst wenn das Kartellamt in einigen Jahren in letzter Instanz Recht bekommen sollte, hat sich die Situation bei den sozialen Netzwerken ja schon wieder stark weitergedreht", sagt der Wissenschaftler. In der Zwischenzeit könne Facebook Daten sammeln und zusammenführen wie eh und je.

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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