Facebook-Börsengang:Eine Wette auf die Zukunft

Es könnte der größte Börsengang werden, den eine Internetfirma jemals geschafft hat: Beobachter trauen Facebook einen Wert von bis zu 100 Milliarden Dollar zu. Doch wieviel ist das soziale Netzwerk tatsächlich wert? Argumente für und wider die 100-Milliarden-Dollar-These.

Varinia Bernau

Kontra: Die Argumente dagegen

[] Die Furcht vor einer Blase

In den ersten neun Monaten des vorigen Jahres hat Facebook einem Papier für mögliche Investoren zufolge einen Gewinn von 355 Millionen Dollar gemacht. Selbst wenn das Unternehmen diesen verdoppeln würde, wäre der Börsenwert mehr als 100-mal größer als der Gewinn. Zum Vergleich: Bei keinem Dax-Konzern liegt diese Kennziffer derzeit höher als 30.

[] China, der weiße Fleck

Wachstum findet in den Schwellenländern statt. Etwa in China. Zwei Drittel der Haushalte will die Regierung dort erst noch ans Netz bringen. Aber ausgerechnet das bevölkerungsreichste Land der Erde ist auf Facebooks Landkarte noch ein weißer Fleck. Immer wieder wurde spekuliert, ob sich Facebook mit dem chinesischen Internetunternehmen Baidu verbünden könnte, um auch in dem zensierten Land einen digitalen Plaudertreff zu schaffen. Derweil punkten bei den Chinesen die heimischen Anbieter: Das chinesische Facebook-Pendant, Tencent, hat das US-Original bei Umsatz und Gewinn längst überholt.

[] Ärger mit den Datenschützern

Erst vor wenigen Tagen hat Facebook angekündigt, eine Lebenschronik für seine Mitglieder zur Pflicht zu machen - und so einmal mehr Kritik auf sich gezogen. Datenschützer fürchten, dass die Mitglieder des Netzwerkes so immer mehr zu gläsernen Menschen werden. Und sie zweifeln an den Bekenntnissen des Unternehmens, Daten nicht dauerhaft zu speichern. Wie ernst Facebook diese Kritik nimmt, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Firma im April einen Lobbyisten auf den wichtigen deutschen Markt schickt. Er soll in Berlin einen guten Draht zu Politikern knüpfen.

[] Kosten im Patentstreit

Bislang waren Gerichtsprozesse um Patente das Feld, auf dem sich Handyhersteller Schlachten lieferten. Doch je größer Internetfirmen werden, desto mehr geraten auch sie ins Visier: Gegen Facebook wurden der Nachrichtenagentur Reuters zufolge im vergangenen Jahr 22 Patentklagen eingereicht, doppelt so viele wie im Vorjahr. Dadurch könnten ungeahnte Kosten entstehen.

Die Argumente dafür

Pro: Die Argumente dafür

[] Ein Meilenstein für den Austausch

Soziale Netzwerke gab es auch schon vor Facebook. Keines allerdings hat es geschafft, denen, die sich im Internet bewegen, Authentizität zu geben. Das ist das Geheimnis hinter Facebooks Erfolg: Im arabischen Frühling hat sich gezeigt, dass solch ein Werkzeug die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, grundsätzlich ändert: Eine Stimme hat längst nicht mehr nur der, der auch Geld oder Macht hat. Und der Austausch läuft über Ländergrenzen, binnen wenigen Augenblicken. Dies ist das große Versprechen, mit dem Facebook immer mehr Menschen sammelt: 800 Millionen Mitglieder sind es derzeit.

[] Die beste Werbetafel im Netz

Ob Vorlieben oder geheime Wünsche, ob Alter, Geschlecht oder Wohnort - auf Facebook geben die Menschen viel von sich preis. Diese Informationen sind eine wertvolle Währung fürs Werbegeschäft im Internet, weil sich die Anzeigen direkt auf eine Zielgruppe zuschneidern lassen. Ebenso wichtig ist die Dauer, die jemand auf den Seiten von Facebook verweilt. Und das Unternehmen versteht es, diese Zeit in die Höhe zu treiben, indem es etwa Spiele auf seiner Plattform anbietet. Mit Erfolg: Nach Daten des Marktforschers Comscore wird bereits mehr als jedes vierte Werbebanner auf amerikanischen Websites bei Facebook geschaltet. Der nächstgrößere Anbieter Yahoo kommt nur auf jede zehnte; Google nur auf jede zwanzigste.

[] Eine Plattform für andere

Facebook ist auch eine Plattform, über die Anbieter von Onlinespielen ein großes Publikum erreichen. Gut für die Start-ups - und gut für Facebook: Wann immer die Anbieter die Spieler zur Kasse bitten, etwa um sich einen Traktor zum Beackern virtueller Felder beim Spiel "Farmville" zuzulegen, kassiert Facebook ein Drittel. Das Unternehmen versteht es zudem, auch andere Branchen auf diese Plattform zu locken. Über Facebook, so argumentiert das Netzwerk, erhielten Unternehmer einen direkten Draht zu Kunden. In Europa hätten Firmen so einen Mehrwert von bis zu 15,3 Milliarden Euro und 230.000 Jobs geschaffen.

[] Enorme Wachstumsphantasien

Die Sehnsucht nach Wachstum sei trotz der Turbulenzen an den Börsen noch immer enorm, so Risikokapitalgeber. Und keine andere Branche bedient dieses Verlangen nach dem Höher, Schneller, Weiter besser als Internetfirmen. Wer klein ist, kann eben auch schneller wachsen.

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