Facebook-App Onavo:Es stand im letzten Satz

Facebook-App Onavo: Millionen nutzen eine App namens Onavo, um angeblich sicherer zu surfen, zum Beispiel auf die Facebook-Seite. Doch die App gehörte Facebook.

Millionen nutzen eine App namens Onavo, um angeblich sicherer zu surfen, zum Beispiel auf die Facebook-Seite. Doch die App gehörte Facebook.

(Foto: Wilfredo Lee/AP)

Eine App verspricht Nutzern Sicherheit. Tatsächlich überträgt sie Daten an Facebook. Während Apple durchgreift, schaut Google zu.

Von Simon Hurtz

Ausgerechnet Facebook bietet seit Jahren eine App an, die Nutzern verspricht, deren Privatsphäre zu wahren. "Onavo Protect hilft dabei, dich und deine Daten zu schützen", heißt es in der Beschreibung im Apple-Store. Kaum ein Unternehmen sammelt so eifrig Informationen über seine Nutzer wie Facebook. Wie glaubwürdig ist das Versprechen also?

Vier Pinocchios auf einer Skala von eins bis fünf, meint Apple. Anfang des Monats teilte das Unternehmen Facebook mit, dass die App "Onavo Protect - VPN Security" gegen die Richtlinien des Apple-Stores verstoße. Wie das Wall Street Journal berichtet, sollen sich Vertreter beider Seiten vergangene Woche mehrfach getroffen haben, um die Angelegenheit zu besprechen. Das Resultat: Facebook entfernt das Programm aus dem Store.

iPhone- und iPad-Nutzer können die App nicht mehr herunterladen. Wer sie bereits installiert hatte, erhält keine Updates mehr. "Wir arbeiten hart dafür, die Privatsphäre und Daten unserer Nutzer im gesamten Apple-Ökosystem zu schützen", sagt ein Sprecher. Offenbar sieht Apple genau diese Werte durch Facebooks App bedroht. Sie verletze die Entwickler-Vereinbarungen und sammle mehr Informationen als erlaubt.

Für Apples Durchgreifen gibt es Gründe. Auf den ersten Blick ist Onavo VPN gar nicht als Facebook-App zu erkennen. Entwickler sei eine Firma namens Onavo, Inc., und erst im letzten Satz der Beschreibung taucht erstmals das Wort Facebook auf. "Da wir ein Teil von Facebook sind, nutzen wir diese Informationen auch, um Facebooks Produkte und Dienste zu verbessern", steht dort.

Allerdings führt die App ihren Zweck ad absurdum. Wer ein Virtual Private Network (VPN) nutzt, will seine Privatsphäre schützen. Der Dienst verhindert, dass Internetprovider oder Wlan-Betreiber nachvollziehen können, welche Seiten man im Netz aufruft. Das klappt aber nur, wenn der VPN-Anbieter vertrauenswürdig ist und selbst die Privatsphäre seiner Nutzer achtet. In diesem Fall heißt der Anbieter Facebook und hat großes Interesse daran, alles zu erfahren, was Nutzer mit ihrem Smartphone anstellen. Die Daten laufen über Facebooks Server und werden ausgewertet. Als "Spyware" bezeichnete der bekannte Apple-Blogger John Gruber Onavo, und der Technikdienst Gizmodo vergleicht das mit einem datensaugenden Vampir.

Anfang des Jahres schrieb die Nachrichtenseite Techcrunch, dass damals bereits mehr als 33 Millionen Menschen die App heruntergeladen hätten. Seitdem dürften noch einige Millionen hinzugekommen sein, da Facebook damals begonnen hat, Onavo auch direkt zu bewerben. "Wir haben Nutzer immer darüber informiert, welche Informationen gesammelt und wie diese genutzt werden", sagt ein Facebook-Sprecher. Doch ob wirklich alle den vagen Satz in der App-Beschreibung gelesen und verstanden haben, ist fraglich.

Ihr Vertrauen war für Facebook extrem wertvoll. 2013 übernahm Facebook die israelische Firma Onavo und nutzte deren App fortan, um herauszufinden, wofür sich Menschen interessieren und wie sie kommunizieren. Onavo zeichnet nicht nur die besuchten Webseiten auf, sondern überträgt auch die Apps, die Nutzer installiert haben.

Diese Erkenntnisse halfen Facebook, um langfristige strategische Entscheidungen zu treffen. Unter anderem erhielt das Unternehmen wichtige Informationen über den Konkurrenten Snapchat. Onavo soll auch maßgeblich zu einem von Facebooks wichtigstem Käufen beigetragen haben. Die Daten hätten Facebook gezeigt, dass 99 Prozent der Android-Nutzer in Spanien Whatsapp installiert hatten, berichtete das Wall Street Journal im vergangenen Jahr. Daraufhin habe sich Facebook im Februar 2014 entschieden, Whatsapp zu kaufen. Damals kritisierten viele Analysten den hohen Preis von etwa 20 Milliarden Dollar. Heute chatten mehr als anderthalb Milliarden Menschen über Whatsapp, der Dienst ist ein Vielfaches Wert. Ganz verzichten muss Facebook auf die Onavo-Daten auch in Zukunft nicht: Im Google-Play-Store bleibt die App verfügbar. "Protect Free VPN" nennt Facebook sie dort. Zwischen zehn und 50 Millionen Android-Nutzer haben sie heruntergeladen, mehr als 200 000 Menschen haben sie mit durchschnittlich 4,4 von 5 Sternen bewertet.

Wer seine Privatsphäre wirklich schützen will, sollte zu einem anderen VPN greifen. Viele Webseiten mit VPN-Tests kassieren Provisionen für ihre Berichte, dementsprechend ist Vorsicht angebracht. Nur wenige kostenlose Produkte sind empfehlenswert. Die meisten vertrauenswürdigen Anbieter verlangen einige Euro pro Monat.

Vielen in der IT-Branche gelten das kostenlose Proton VPN und der kostenpflichtige Dienst von F-Secure als gute VPN-Dienste.

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