Familienunternehmen:Bei Faber-Castell übernimmt die neunte Generation

Faber-Castell

Bunte Stifte zum Malen und Zeichnen, dafür ist die Firma Faber-Castell bekannt. Das 1761 gegründete Unternehmen ist bis heute in Familienhand.

(Foto: Daniel Karmann/picture alliance)

Ein Machtkampf in der Familie lähmt seit Jahren den ältesten deutschen Stifte-Hersteller. Jetzt soll eine neue Strategie für Ruhe sorgen.

Von Uwe Ritzer, Stein

Das Foto soll die neue Eintracht demonstrieren. Vier augenscheinlich fröhliche junge Menschen, drei Frauen, mittendrin ein Mann. Die Töchter aus zweiter und der Sohn aus erster Ehe von Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell. Im Januar 2016 ist er im Alter von 74 Jahren gestorben, nach vier Jahrzehnten an der Spitze der Familie und ihrer Stifte-Dynastie. Seine Nachfolge ließ er ungeregelt und so setzte unter den Hinterbliebenen ein Kampf um die Macht in dem 1761 gegründeten Unternehmen ein. Nun aber soll alles friedlich geregelt sein. Zumindest soll das Foto diesen Eindruck vermitteln. Die Faber-Castell AG hat es verbreitet, verbunden mit der Botschaft: Die neunte Familiengeneration übernimmt.

Ist es tatsächlich ein Friedensschluss, oder nur ein fragiler Burgfriede, erzwungen auch durch schlechte Geschäfte in der Pandemie?

Zumindest sind die Claims erst einmal abgesteckt. Charles von Faber-Castell, 41, wird mit sofortiger Wirkung Aufsichtsratsmitglied der Faber-Castell AG. Dort sitzt auch weiterhin seine Stiefmutter Mary, 69, die auch den stellvertretende Vorsitz innehat. Seit dem Tod des Firmenpatriarchen vor fünfeinhalb Jahren wirkt die Witwe nach außen wie die Platzhalterin für ihre noch jungen Töchter. Von denen zieht die Älteste, Katharina von Faber-Castell, 33, jetzt in den Verwaltungsrat der A. W. Faber-Castell Unternehmensverwaltung GmbH ein, der alleinigen Aktionärin der AG. Bereits seit 2018 leitet sie den Unternehmensbereich "Corporate Development". Ihre beiden Schwestern, die 25 Jahre alten Zwillinge Victoria und Sarah, erhalten zwar keine Organfunktionen im Firmenkonstrukt, wollen aber ebenso wie Charles und Katharina von Faber-Castell die Zukunft des Unternehmens "gemeinsam und aktiv" mitgestalten, wie es offiziell heißt. "Im vertrauensvollen Miteinander und im offenen Dialog zwischen Gesellschafterkreis, Aufsichtsgremien, Vorstand und der gesamten Belegschaft."

Was wohlklingend daherkommt, ist ein mühsam und hart erarbeiteter Kompromiss. Es hat einige Zeit und eines externen Beraters bedurft, um die Familie auf eine gemeinsame Inhaberstrategie einzunorden und dabei die einzelnen Interessen auszutarieren. Wäre das nicht gelungen, hätte Faber-Castell über kurz oder lang schlimmstenfalls die Zersplitterung gedroht. Die unterschiedlichen Interessenslagen waren so schon kompliziert genug und bedeuteten für die Manager des Unternehmens schwierige und zeitraubende Abstimmungsprozesse. Angeblich haben die US-Amerikanerin Mary von Faber-Castell und ihre Töchter nach dem Tod von Anton-Wolfgang von Faber-Castell gemeinsam verhindert, dass Stiefsohn und -bruder Charles zum Sprung an die Unternehmensspitze ansetzt. Stattdessen zog Witwe Mary anfangs selbst in den Vorstand ein.

Die neunte Generation muss Reformen auf den Weg bringen

Nun seien sich alle Beteiligten aber einig, Faber-Castell als Familienunternehmen zu erhalten, so die Botschaft. Als "aktiver Gesellschafterkreis" wollen die vier Jungen das Unternehmen "in einem familienkontrollierten Modell" aktiv mitgestalten. Mit anderen Worten: Sie begnügen sich also nicht mit den Rollen stiller Gesellschafter, sondern wollen selbst bestimmen und mitmischen. Die Anteile an der Firma hatte ihnen ihr Vater noch zu Lebzeiten in vier gleichen Teilen übertragen. Faber-Castell fertigt mehr als zwei Milliarden Stifte pro Jahr, beschäftigt 6500 Menschen (in Spitzenzeiten waren es 8000) und bewirtschaftet in Brasilien 10 000 Hektar Wald, aus dem das Holz für die Bleistiftproduktion gewonnen wird.

Operativ führt seit März 2020 Stefan Leitz als Vorstandsvorsitzender die Geschäfte. Er kam vom Hamburger Konservenhersteller Kühne nach Stein bei Nürnberg, wo die Faber-Castell AG gleich neben dem Familienschloss residiert. Seither muss sich Leitz als zweiter familienfremder Chef überhaupt in der langen Firmengeschichte nicht nur mit schwierigen Eigentümern herumplagen, sondern auch mit einem gewissen Reformstau im Unternehmen und mit den Folgen der Pandemie. Seit Jahren geht es umsatzmäßig bergab. Das Geschäftsjahr 2019/20 beendete Faber-Castell mit Erlösen von 555 Millionen Euro, im Ende März beendeten Geschäftsjahr 2020/21 dürfte der Umsatz deutlich unter eine halbe Milliarde Euro gesunken sein. 2016/17 waren es noch 667 Millionen Euro. Zur Ertragslage macht Faber-Castell keine Angaben.

Der Umsatzeinbruch ist zum einen Folge der Pandemie, die Faber-Castell vor allem im größten Absatzmarkt Lateinamerika, aber auch in Teilen Asiens spürt. Wenn Schulen und Universitäten monatelang geschlossen sind, werden naturgemäß auch weniger Schreibgeräte gekauft. Das Geschäft mit Kosmetikstiften läuft ebenfalls schlecht. Große Schwierigkeiten bereiten Faber-Castell auch die Abwertung der Landeswährungen in wichtigen Absatzländern wie Brasilien, Peru und Indonesien. In den USA, Deutschland, Australien und Neuseeland seien die Geschäfte hingegen erfreulich verlaufen, so eine Sprecherin. Der Online-Handel habe zugelegt und die auf Künstler und Hobbykünstler spezialisierte Firmensparte weise sogar ein Plus von etwa 30 Prozent auf. Den Absatz beflügeln soll eine starke Präsenz in den sozialen Netzwerken. Neuerdings ist Faber-Castell auf einschlägigen Kanälen vertreten. Ein Geschenk der Firma an sich selbst zu ihrem 260. Geburtstag.

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