EZB-Verfahren:Jedes Wort wiegt schwer

European Central Bank President Mario Draghi Announces Interest Rate Decision

EZB-Präsident Mario Draghi will die Deflation in der Euro-Zone mit Staatsanleihenkäufen bekämpfen.

(Foto: Bloomberg)
  • Die EZB blickt gespannt nach Luxemburg. An diesem Mittwoch verliest Pedro Cruz Villalón, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), seinen Schlussantrag im Verfahren um das OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions").
  • Es geht darum, ob die EZB Staatsanleihen aufkaufen darf, um die Euro-Zone vor einer Deflation zu schützen - und darum, ob die Notenbanker richterlicher Kontrolle unterliegen.

Von Wolfgang Janisch

Die entscheidenden Worte werden auf Spanisch gesprochen. An diesem Mittwoch verliest Pedro Cruz Villalón, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, seinen Schlussantrag im Verfahren um das OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") der Europäischen Zentralbank (EZB). Also jenen Staatsanleihenankauf, den Mario Draghi in seiner legendären Londoner Rede vom Sommer 2012 zur Rettung des Euro angekündigt hatte - so wirkungsvoll, dass die EZB den Plan nie in die Tat umsetzen musste.

In der Verhandlung im Oktober hatte Cruz Villalón, der ein paar Jahre in Freiburg studiert hat, seine Fragen in bestem Deutsch gestellt, aber für den Schlussantrag hat der einstige spanische Verfassungsgerichtspräsident seine Muttersprache gewählt.

Jedes Wort aus Luxemburg wiegt schwer

Vor allem die EZB wird sehr gespannt nach Luxemburg blicken. Denn in dem Verfahren geht es - jenseits von OMT - auch um die Frage, inwieweit die unabhängige Institution letztlich doch einer richterlichen Kontrolle unterworfen ist. Da die EZB kurz vor einer Entscheidung über den Ankauf von Staatsanleihen zur Bekämpfung von Deflationsgefahren steht, wiegt jedes Wort aus Luxemburg schwer.

Freilich ist der neuerliche EZB-Plan deutlich anders gelagert; ein unmittelbares Präjudiz dafür wird das laufende Luxemburger Verfahren jedenfalls nicht liefern. Nicht minder interessiert warten die Richter des Bundesverfassungsgerichts auf die Worte des Spaniers. Sie haben dem EuGH den Fall vorgelegt - und dabei der EZB vorgeworfen, sie habe ihre Befugnisse überschritten. Sollte der EuGH die Einschätzung der Karlsruher Kollegen schlicht ignorieren, stünde ihm ein handfester Konflikt ins Haus.

Logik der Märkte darf nicht gestört werden

Allerdings spricht einiges dafür, dass zumindest der Generalanwalt den deutschen Richtern entgegenkommt und eine richterliche Kontrolle der EZB zumindest im Grundsatz bejaht. Zwar lehnte in der Verhandlung im Oktober die Front der Euro-Länder geschlossen den Karlsruher Vorstoß ab. Doch wenn man den EuGH-Richtern genau zuhörte, konnte man schon vermuten, sie könnten am Ende den Schuster mahnen, dass er bei seinem Leisten bleibt: dass also die EZB sich auf die Geldpolitik beschränkt, anstatt sich in die Wirtschaftspolitik einzumischen, für die sie kein Mandat hat.

Der Vertreter der EU-Kommission machte deutlich, wie das gehen kann. Bei Anleihenkäufen müsse sichergestellt sein, dass die Staaten der Logik der Märkte unterworfen blieben und dadurch zur Sparsamkeit angehalten würden. Dazu diene etwa die Stillhaltefrist, die laut OMT-Programm zwischen der Emission der Anleihen und ihrem Ankauf liegen müsse. Zudem dürfe die EZB ihre Karten nicht frühzeitig aufdecken; Ankündigungen, ob und in welchem Umfang gekauft werde, müsse sie unterlassen.

Konfrontation mit Karlsruhe?

Nun ist das Verfahren mit dem Antrag Cruz Villalóns noch nicht zu Ende. Zwar folgt der EuGH häufig den Anträgen der Generalanwälte, aber gerade in spektakulären Verfahren war darauf in letzter Zeit kein Verlass. Dennoch gibt es Umstände, die für einen vorsichtigen Kurs des EuGH sprechen. Also für den Verzicht auf eine Konfrontation mit Karlsruhe, dem mächtigsten Verfassungsgericht in Europa, dessen Rechtsprechung großen Einfluss namentlich auf die Gerichte osteuropäischer Staaten hat. Sich mit ihm anzulegen, wäre auch für den selbstbewussten EuGH ein kühnes Unterfangen.

Sollte der Spanier also für eine vermittelnde Position plädieren, könnte dies im EuGH auf fruchtbaren Boden fallen. Die EZB könnte damit vermutlich leben, zumindest dann, wenn das Gericht der Kommission folgt. Sie plädiert dafür, der EZB trotz gerichtlicher Kontrolle den nötigen Spielraum für komplexe wirtschaftliche Fragen einzuräumen.

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