Europäische Zentralbank:Twitter ist "keine Straße ins Nirgendwo"

ECB President Lagarde takes part in a news conference in Frankfurt

Hat den Nutzen von Twitter längst erkannt: EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Die EZB möchte näher ran an die Menschen, das soziale Netzwerk soll dabei helfen. Präsidentin Christine Lagarde weiß schon, wie es geht.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Hilft die Nutzung von Twitter, um die breite Öffentlichkeit zu erreichen? Eine spannende Frage, die man spontan mit "ja" beantworten möchte. Doch bei der Europäischen Zentralbank, die das Thema in einer aktuellen Studie untersucht hat, liegt die Sache ein wenig anders.

Die Währungshüter haben zwei Jahrzehnte lang größtenteils mit wissenschaftlicher Abgehobenheit gewirkt und auch entsprechend kommuniziert: von Expertin zu Experte. Nicht von Geldpolitikerin zu Bürger. Die Reden der Notenbanker sind für Ungeübte bis heute in vielen Fällen eine Zumutung. Ohne Master-Abschluss in Ökonomie versteht man kaum etwas. EZB-Präsidentin Christine Lagarde möchte das ändern. Schon zu ihrem Amtsantritt 2019 versprach sie, die Notenbank solle näher ran an die Bürger und einfacher kommunizieren.

Die Französin hat die Frage zum Nutzen von Twitter für sich selbst schon lange beantwortet. Lagarde nutzte bereits als Chefin des Internationalen Währungsfonds das soziale Netzwerk intensiv. Inzwischen folgen ihr 707 000 Menschen, das sind rund 50 000 mehr als die EZB aufweisen kann. Es vergeht kaum ein Tag, an dem Lagarde und ihr Team nichts posten. Auf vielen der Fotos, die sie teilt, strahlt sie, wirkt nahbar. Dazu kommen Zusammenfassungen von Pressekonferenzen in kurzen Sätzen, aber auch Gratulationen zum neuen Job eines Freundes oder Kollegen sowie immer wieder Lob, etwa für konstruktive Treffen mit Politikern in Brüssel.

Lagarde geht raus in die Gesellschaft und beackert wichtige Themen jenseits der spröden Geldpolitik, darunter Klimaschutz und Frauenrechte. Sie mag und beherrscht dieses Agenda-Setting, virtuell und im richtigen Leben. So auch diese Woche auf einem Ortstermin in Frankfurt. Der Anlass: 25 Jahre Wirtschaftsinitiative Frankfurt Rhein Main. Lagarde stand in Schwarz gekleidet am Pult und brachte die rund 120 Gäste schnell auf ihre Seite: Ein paar Sätze auf Deutsch, ein kurzes Zitat von Goethe, dem Sohn der Stadt, dazu etwas Persönliches: "Ich fahre manchmal mit dem Fahrrad durch Frankfurt, mit Helm, damit mich niemand erkennt." Schon gab es Lacher und zum Abschluss stehende Ovationen.

Es war ihr erster öffentlichen Auftritt in Frankfurt seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Der Fotograf der EZB schoss Fotos für den Lagardschen Twitter-Account, wo sie am nächsten Tag auch geteilt wurden. Der Text dazu: "Wir, die EZB, sind glücklich, Frankfurt und die Rhein-Main-Region als unsere Heimat zu haben."

Die Bafin twittert gar nicht

Die EZB nimmt Twitter übrigens deutlich ernster als die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Die deutsche Behörde unterhält bis zum heutigen Tag keinen eigenen Account. Darauf musste die Bafin im Februar noch einmal ausdrücklich hinweisen, aus aktuellem Anlass. "Der Bafin ist ein gefälschter Account in ihrem Namen beim Nachrichtendienst Twitter bekannt geworden", hieß es in einer Pressemitteilung.

Aber zurück zur Eingangsfrage und zur hauseigenen EZB-Studie: Erreicht die Notenbank via Twitter die Nicht-Experten in der Gesellschaft? Die nüchterne, aber Twitter-taugliche Antwort: Der Einsatz des sozialen Netzwerks sei "keine Straße ins Nirgendwo".

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