EZB-Treffen in Spanien:Ohnmächtige zu Besuch bei Verzweifelten

Zufällig trifft sich die Spitze der Europäischen Zentralbank an diesem Donnerstag ausgerechnet in Spanien. Der Sparkurs hat das Land in die Rezession geschickt, die Menschen demonstrieren. Jetzt merkt auch die EZB, dass sie eine Spaltung der Euro-Zone nicht verhindern kann.

Alexander Hagelüken und Catherine Hoffmann

Die spanische Regierung schickt 2000 Polizisten extra. Wenn sich an diesem Donnerstag die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in Barcelona trifft, wollen wieder Tausende gegen die EU-Sparpolitik protestieren. Weil sich die Sorgen in der Euro-Zone vor allem auf Spanien konzentrieren, wirkt die Ankunft der Zentralbanker in der Stadt wie eine eigens anberaumte Krisensitzung. Doch der Tagungsort ist nur eine Laune des Kalenders, der Termin steht seit Monaten fest.

Children play as demonstrators walk towards them carrying a banner during May Day protests in Bilbao

Demo am 1. Mai in Bilbao.

(Foto: Reuters)

Die EZB-Banker wollen auch gar nicht stärker zur Rettung angeschlagener Euro-Staaten herangezogen werden. Allein: Die Rufe werden immer lauter. Seit die Finanzierungskosten des spanischen Staates bedrohlich steigen, fordern Politiker den erneuten Einsatz der Zentralbank.

Spanien ist schon das neunte Land der Euro-Zone, das in eine Rezession gefallen ist. Rezession heißt: Die Wirtschaftsleistung schrumpft seit mindestens zwei Quartalen. Von den 17 Euro-Staaten stecken inzwischen Belgien, Griechenland, Irland, Italien, die Niederlande, Portugal, Slowenien, Spanien und Zypern wieder im Krisenmodus fest. Deutschland, Estland, Malta und Österreich dürften als nächste Länder in die Rezession rutschen, wenn ihre Statistikämter Mitte Mai neue Zahlen veröffentlichen.

Längst geht es nicht mehr nur um Griechenland, es geht ums Ganze. So gut wie alle Konjunkturindikatoren der vergangenen Wochen deuten drauf hin, dass die Wirtschaft im Euro-Raum schrumpft. Eine milde Rezession soll es werden, glaubt man den Ökonomen; mit einem scharfen Abschwung rechnen die wenigsten. Für das zweite Halbjahr 2012 sagen die Wirtschaftswissenschaftler sogar eine leichte Besserung voraus. Wenn bloß nichts schiefläuft.

Anleger sorgen sich weiter

Ein Blick auf die Renditen von Staatsanleihen zeigt jedoch, dass die Sorgen der Anleger nicht verschwunden sind, ob sich die kriselnden Euro-Staaten das nötige Geld leihen können, um ihre alten Schulden abzulösen. Zwar hat das umstrittene Eingreifen der EZB die Finanzierungskosten von Italien und Spanien seit den Turbulenzen im vergangenen Sommer auf ein erträgliches Maß gedrückt, aber nur vorübergehend.

Ausländische Investoren ziehen sich aus der Finanzierung angeschlagener Euro-Staaten zurück. Im März zum Beispiel verringerten sie ihre Anlagen in spanische Staatsbonds um zehn Prozent. In die Lücke springen heimische Banken, die mit dem billigen Geld der EZB die Anleihen ihres eigenen Landes kaufen. So halten spanische Banken inzwischen Staatspapiere im Wert von 260 Milliarden Euro, vor einem halben Jahr waren es erst 180 Milliarden. Ähnlich ist die Entwicklung in Italien. Doch was, wenn diese Banken weiter ins Wanken geraten?

1000 Milliarden Euro - verpufft

Es sieht so aus, als seien all die großen Anstrengungen der vergangenen Monate verpufft: Ein Kollaps Griechenlands wurde abgewendet, doch die Renditen sind noch immer erschreckend hoch. Eine stattliche Brandschutzmauer wurde errichtet, um zu verhindern, dass sich das Feuer der Krise unkontrolliert ausbreitet. Niemand weiß, ob sie standhält. EZB-Chef Mario Draghi pumpte mehr als 1000 Milliarden Euro in die Banken, um die Gefahr einer Kreditklemme zu bannen - die Gefahr, dass die Banken die Unternehmen nicht mehr mit den nötigen Darlehen versorgen.

Schuldenkrise: Europäische Zentralbank besucht Spanien

Die Europäische Zentralbank ist zu Besuch in Spanien, das als neuntes Land der Euro-Zone in eine Rezession abgerutscht ist.

(Foto: dpa)

Trotz der Geldspritzen ist das Volumen ausstehender Kredite im Euro-Raum sowohl im Februar als auch im März zurückgegangen - um insgesamt sieben Milliarden Euro. Ein Fiskalpakt und neue Regierungen in Griechenland, Italien und Spanien stärkten die Hoffnung, dass Strukturreformen und Sparziele fortan strikt durchgezogen würden. Und doch vertieft sich der Abschwung in der Euro-Zone, rückt die Rezession von den Südländern Richtung Deutschland und Frankreich vor.

Der Schwelbrand hat viele Gründe, der schwerste: Die Turbulenzen um Griechenland, Italien und Spanien im vergangenen Jahr haben das Vertrauen in die Politik und Wirtschaft nachhaltig erschüttert. Das ist in ganz Europa zu spüren. Ablesen lässt sich die Skepsis an Umfragen unter Unternehmern und Verbrauchern. Aber auch harte Zahlen dokumentieren die Malaise: In der Euro-Zone steigt die Arbeitslosenquote unentwegt, auch wenn sie in Deutschland weiter sinkt. Im März erreichte sie mit 10,9 Prozent einen neuen Rekordstand. Die EU-Kommission nannte die Zahlen "sehr besorgniserregend".

Sparen ist gefährlich

Besonders düster sieht es in Spanien, Griechenland, Portugal und Irland aus. Jeder vierte Spanier ist inzwischen arbeitslos, 2008 suchte jeder zehnte einen Job. Die Folge der Arbeitsmarktmisere: In der Euro-Zone schrumpft die Binnennachfrage schon seit dem Frühjahr 2011. Dazu beigetragen hat auch, dass die real verfügbaren Einkommen sinken, nicht zuletzt, weil die Inflationsrate beharrlich über 2,5 Prozent liegt - wegen hoher Energiepreise.

Immer mehr Ökonomen sind überzeugt: Der harte Sparkurs und Arbeitsmarktreformen, so richtig und wichtig sie langfristig sein mögen, gefährden kurzfristig Konjunktur und Jobs. Je mehr Ausgaben gekürzt werden, desto tiefer fällt der Abschwung aus; je tiefer aber die Rezession, desto größer die Haushaltsdefizite; schon ist eine neue Sparrunde fällig. Das fällt doppelt ins Gewicht, wenn alle sparen, nicht nur der Staat, sondern auch Unternehmen und Privatleute. Die fehlende Zuversicht in die Wirtschaft und die schwachen Banken verhindern, dass Verbraucher und Firmen mit höheren Ausgaben die staatlichen Sparprogramme ausgleichen.

Auch die EZB stößt an ihre Grenzen

Nun wollen manche, dass die EZB die Zinsen senkt und wieder massiv Staatsanleihen Spaniens und anderer Länder kauft. Schon eine vage Ankündigung in diese Richtung durch den französischen EZB-Mann Benoît Coeuré half kürzlich, die Renditen in Spanien zu senken. Die Zentralbanker versuchen aber, den Lockrufen der Politik zu widerstehen - und ihre Euro-Hilfen nicht noch auszuweiten. Nicht nur dank der dauernden Zwischenrufe von Bundesbankchef Jens Weidmann sind ihnen die Risiken all ihrer Euro-Hilfen bewusst.

Immer mehr zeigt sich auch, dass die EZB-Politik an Grenzen stößt - und eine Spaltung der Währungsunion nicht verhindern kann.

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