EZB:Sparkassen-Präsident warnt vor lockerer Geldpolitik

"Sonst besteht die Gefahr, dass wir alle ertrinken": Sparkassen-Präsident Fahrenschon plädiert auf dem "Klassentreffen Mittelstand" für ein Ende der lockeren Geldpolitik der EZB, die Krise sei noch nicht vorbei. Optimismus versprüht der Arbeitgeberpräsident.

Von Elisabeth Dostert und Stefan Weber, Bielefeld

Der Mann macht sich Sorgen, und ihm läuft die Zeit davon. Am Donnerstag tagt die Europäische Zentralbank (EZB), und Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verbandes, fürchtet die Beschlüsse. An den Kapitalmärkten wird eine erneute Zinssenkung erwartet, möglicherweise sogar ein negativer Einlagenzins. Das macht ihm Angst. Ein Schritt in die falsche Richtung, warnt Fahrenschon eindringlich.

"Ich halte es für gefährlich, dass sich die Märkte immer stärker an die Droge des billigen Kredits gewöhnen. Damit wird der Entzug von Tag zu Tag schwerer", sagte er beim ersten "Klassentreffen Mittelstand" der Süddeutschen Zeitung in Bielefeld. Der Präsident hält es für an der Zeit, dass die EZB bei ihrem Feuerwehreinsatz das Löschwasser abdreht. "Sonst besteht die Gefahr, dass wir alle ertrinken."

Ein abschließendes Urteil über die bisherige Politik der EZB mag Fahrenschon nicht fällen. Ihre Maßnahmen hätten zur Beruhigung der Lage beigetragen. Die EZB habe dafür viele Register gezogen. "Dadurch sind die Grundprinzipien der Marktwirtschaft vor allem mit Blick auf die Gewichtung von Eigenverantwortung und Solidarität teilweise deutlich verwässert worden - etwa durch die Unterstützung der Krisenländer durch Kredite und Garantien, die Schaffung des Rettungsschirmes ESM oder die Ultra-Niedrigzinspolitik der EZB."

Es führe kein Weg daran vorbei, dass die Länder Europas hart daran arbeiten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen - indem sie den Arbeitsmarkt flexibilisieren, ihr Justizsystem in Ordnung bringen oder mehr in Forschung und Entwicklung investieren. Die EZB dagegen müsse aufpassen, nicht als Institution wahrgenommen zu werden, die durch ihre Markteingriffe den überschuldeten Staaten und Banken die Eigenverantwortung zur Konsolidierung ihrer Haushalte abnehmen wolle. "Wenn man alle Risiken bedenkt, kann man nicht mehr ruhig schlafen", betonte er.

Fahrenschon ist sicher, dass eine weitere Lockerung der Geldpolitik keine positiven Effekte auf die wirtschaftliche Tätigkeit habe. "Wir haben keine Kreditklemme. Es ist mehr als genügend Liquidität im Markt." Dagegen spürten Sparer und Anleger die Folgen des gegenwärtigen Zinsumfelds immer deutlicher. "Negative Einlagenzinsen bedeuten Wohlstandsverlust", insbesondere im Rentenalter.

Wie solle man Menschen animieren, Vorsorge zu betreiben, wenn es keine Produkte gebe, die Sicherheit und Ertrag im Alter versprächen? Die niedrigen Zinsen erhöhen die Gefahr, dass Kapital in falsche Investments fließe und anderenorts Geld fehle.

Mit dem Mindestlohn könne die Volkswirtschaft leben

"Wir haben noch nicht normale Zeiten", warnt Fahrenschon. Zu viele lehnten sich selbstzufrieden zurück und vertrauten darauf, dass "es bei uns wieder läuft". Fahrenschon zitiert ein chinesisches Sprichwort: "Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle." Tatsächlich sei die deutsche Wirtschaft noch nicht so stabil, dass etwa eine Zuspitzung der Krise in der Ukraine nicht zu einem empfindlichen Einbruch führen würde.

Ingo Kramer fürchtet sich nicht. Als Unternehmer fühlt er sich quasi zum Optimismus verdammt, sagt Kramer, Mittelständler, Anlagenbauer und seit knapp sechs Monaten Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Er schwärmt von Europa. "Ich möchte kein anderes Europa haben als dieses, ich möchte nur weniger Bürokratie." In der Kleinstaaterei hätte es Europa nie zu dieser Stärke gebracht.

Leiden werden die Schwächeren

Er hat viel Lob für das eigene Land. Vor ein paar Jahren schrieb das britische Magazin Economist, Deutschland sei der kranke Mann Europas. Das hätten, meint Kramer, einige wohl schon vergessen, deshalb erinnert er daran. Wettbewerbsfähigkeit müsse jeden Tag neu erworben werden. "Heute haben wir weniger Probleme in den Unternehmen als mit den Rahmenbedingungen, die uns in Berlin gesetzt werden", sagt der Arbeitgeberpräsident.

Die Liste seiner Kritikpunkte ist lang und nicht unbedingt neu: die kalte Progression im Steuerrecht, die Lohnerhöhungen zunichtemacht. Die Rente mit 63 Jahren bei 45 Beitragsjahren und die Mütterrente. Die empfindet Kramer als echte Bedrohung, als eine Versündigung an der jungen Generation. Das sehen, so empfindet er das, auch viele in Berlin, selbst die zuständige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). "Jeder, mit dem ich dort rede, weiß, dass wir uns in eine Sackgasse manövriert haben, und sagt: Da müssten wir jetzt durch." Mit dem Mindestlohn dagegen könne "unsere Volkswirtschaft leben. Das ist nicht das Ende unserer Volkswirtschaft". Aber leiden werden die Schwächeren.

Versäumnisse sieht Kramer im Bildungssystem. Aber auch nichts, worauf man sich ausruhen darf. Das sei nicht geeignet, den Vorsprung, den die deutsche Wirtschaft besitze, auf Dauer zu halten. "Wir müssen mehr in Bildung investieren", forderte er. Wenn ein Fünftel eines jeden Jahrgangs keine Ausbildung abschließe, so liege das nicht daran, dass die jungen Leute zu dumm seien: "Da hat das Bildungssystem versagt." So appelliert er auch an die Unternehmer im Saal, ihrer Verantwortung nachzukommen.

Die Sitzung der EZB am Donnerstag sieht er viel gelassener als der Sparkassen-Präsident. Impulse für die Konjunktur erwartet sich auch Kramer von einer weiteren Zinssenkung nicht. "Wenn ich investiere, dann doch nicht, weil ich billiges Geld kriege, sondern weil ich glaube, morgen ein besseres Produkt auf den Markt bringen zu können. Ich investiere, weil ich Vertrauen in die Zukunft, in mein Produkt und Dienstleistungen habe."

Kramer ist ein Deutschland-Fan, auch wenn ihm nicht alles gefällt - zum Beispiel exzessive Gehälter von Managern. Wie man einen Tag als Angestellter ins Büro gehen kann und dafür einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr kassiert, so ganz ohne eigenes Risiko, das kann Kramer, der Mittelständler, nicht verstehen. Übrigens auch nicht bei Fußballspielern und anderen Stars.

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