Inflation im Euroraum:EZB will Gelder aus Corona-Notprogramm flexibler einsetzen

Inflation im Euroraum: Will auf Inflation und Zinssteigerung entschlossen reagieren, aber nicht alle Instrumente im Vorfeld preisgeben: die Europäische Zentralbank.

Will auf Inflation und Zinssteigerung entschlossen reagieren, aber nicht alle Instrumente im Vorfeld preisgeben: die Europäische Zentralbank.

(Foto: Arne Dedert/dpa-tmn)

Die Notenbank hat an diesem Mittwoch überraschend eine Sondersitzung einberufen. Sie ist doppelt unter Druck, einerseits durch die hohe Inflation, andererseits durch die stark steigenden Zinsen insbesondere bei südeuropäischen Staatsanleihen.

Seit 11 Uhr am Mittwochvormittag hat der Rat der Europäischen Zentralbank zusammengesessen. Es war eine Ad-hoc-Sitzung, überraschend einberufen, "um die aktuellen Marktbedingungen zu erörtern", wie ein Sprecher der Bank am Morgen vor dem Treffen sagte.

Als Reaktion auf die jüngste Unruhe an den Finanzmärkten will die Europäische Zentralbank (EZB) Gelder aus dem Ende März ausgelaufenen Corona-Notkaufprogramm PEPP nun besonders flexibel einsetzen. Zugleich beauftragte der Rat die zuständigen Ausschüsse des Eurosystems zusammen mit der EZB, die Fertigstellung eines neuen Kriseninstruments zu beschleunigen.

Was ist passiert? Die EZB ist in einer schwierigen Lage. Angesichts der Rekordinflation im Euroraum ist sie gezwungen, die zehn Jahre dauernde Phase der ultralockeren Geldpolitik zu beenden. Für Juli hat die EZB einen ersten Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten fest angekündigt, weitere Schritte dann ab September in Aussicht gestellt.

Gleichzeitig muss die Zentralbank dafür sorgen, dass die hochverschulden Staaten in der Eurozone, etwa Italien, Griechenland und Portugal, sich weiterhin mit Krediten finanzieren können und nicht von hohen Schuldendienstkosten erdrückt werden. Das milliardenschwere Programm zum Kauf von Staatsanleihen, das eben diese Zinsen stabilisiert, läuft jedoch Ende Juni aus.

Zwar ist die EZB in erster Linie der Geldwertstabilität verpflichtet, allerdings muss sie auch die Situation der Volkswirtschaften im Euroraum in Blick behalten, die sich nach der zwei Jahre andauernden Corona-Krise nur langsam erholen. Gerade Italien macht den Notenbankern zunehmend Sorgen.

In den vergangenen Tagen sind die Zinsen an den Kapitalmärkten stark gestiegen. Dabei kommt es zu einem Phänomen, dass Fachleute "Fragmentierung" nennen. Die Zinsen im Euroraum steigen nämlich in sehr unterschiedlichem Maße. Während das Zinsplus für deutsche Staatsanleihen moderat ausfällt, ist die Rendite der zehnjährigen Anleihen Italiens in dieser Woche erstmals seit 2014 über vier Prozent gestiegen. Offenbar zweifeln die Anleger, dass die EZB gleichzeitig die Zinsen erhöhen und die Anleiherenditen der am höchsten verschuldeten Mitglieder der Währungsunion in Schach halten kann.

Clemens Fuest, der Präsident des Münchner Ifo-Institutes spricht von einer besorgniserregenden Lage. Der Zinsanstieg sei "dramatisch", die Lage von hochverschuldeten Staaten wie Italien und Griechenland werde schwierig, sagte er bei einem Kongress in München. "Das ist ganz klar die Rückkehr der Euro-Krise." Es sei bemerkenswert, dass die EZB von Panikverkäufen an den Märkten spreche und ein "Not-Meeting" einberufen habe: "Das muss man sich ja gut überlegen, denn die Botschaft, die damit verbunden ist, ist ja katastrophal", so Fuest.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde verweist dagegen auf einen Geldtopf in Höhe von 1,7 Billionen Euro, der im Notfall dennoch für den gezielten Kauf bestimmter Staatspapiere zur Verfügung stehe, etwa für italienische Anleihen. Dass die EZB ihr Anleihekaufprogramm neu startet, wo sie es gerade erst auslaufen lässt, hielten Beobachter vor der Sondersitzung für unrealistisch.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Notenbank-Direktorin Isabel Schnabel hatten aber bereits angedeutet, die Notenbank könne ein neues geldpolitisches Werkzeug entwickeln, um gegen die auseinanderlaufenden Renditen der Staatsanleihen vorzugehen. Was für ein Werkzeug das ist und in welcher Situation es eingesetzt würde, dazu hält sich die EZB-Führung bewusst bedeckt. Das hat sich auch an diesem Mittwoch nicht geändert.

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