EZB-Präsident Draghi und Bundesbank-Chef Weidmann:Showdown bei einer Tasse Kaffee

Das Ringen um die richtige Strategie der EZB in der Euro-Krise steht kurz vor der Entscheidung: Die Märkte erwarten, dass Mario Draghi wieder Staatsanleihen kauft. Bundesbank-Chef Jens Weidmann will das verhindern. Doch selbst wenn sich Draghi durchsetzt, könnte er scheitern.

Benjamin Romberg

Zuletzt war die Kaffeemaschine noch kaputt. Ausgerechnet der Vollautomat, der vor dem Sitzungssaal im obersten Stockwerk des Euro-Towers steht, blinkte nur noch blau. Fehlermeldung. Ein blinkendes Symbol auch dafür, dass die Strategie der Europäischen Zentralbank EZB im Kampf gegen die Euro-Krise ebenfalls nicht so richtig funktioniert.

Bundesbank-Chef Weidmann

Will keine Staatsanleihen kaufen: Weidmann, Chef der Bundesbank.

(Foto: REUTERS)

Im Saal hinter dem Kaffee-Automaten könnte sich das an diesem Donnerstag ändern. Hier könnten die 17 Notenbanker der Euro-Länder und das EZB-Direktorium die Krisenstrategie radikal umdrehen - oder genau diese Kehrtwende stoppen.

Mario Draghi, Chef der EZB, wird zur Sitzung sicher einen Kaffee bekommen, wenn er einen möchte, kaputte Maschine hin oder her. Noch offen ist, ob er auch sonst bekommt, was er wahrscheinlich will. Denn er hat bereits einen Strategiewechsel angedeutet. "Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten", sagte er vergangene Woche. "Und glauben Sie mir - es wird ausreichen." Seitdem erwartet die Finanzwelt, dass die EZB wieder massiv Staatsanleihen kaufen wird. Alternativ könnte die EZB auch Kredite an die Rettungsschirme geben, die damit Staatspapiere kaufen, was die SZ hier erklärt. Das hätte sehr ähnliche Folgen.

Doch Draghis mutmaßlicher Plan trifft auf Widerspruch innerhalb des EZB-Rats. Vor allem eine Person steht im Fokus: Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank und prinzipientreuer Verfechter von Stabilität und politischer Unabhängigkeit der Zentralbanken. Weidmann lehnt Aufkäufe von Staatsanleihen ab - das ist schon lange seine Position. In der Vergangenheit hat er schon häufiger die Rolle der EZB und damit auch Draghi kritisiert.

Der Kauf von Staatsanleihen soll aus Sicht der Befürworter die hohen Renditen für Spanien und Italien drücken. Diese Werte auf dem Sekundärmarkt, wo Anleihen wie Aktien gehandelt werden, gelten als Indikator für die Zinslast, die die Krisenstaaten für Schulden schultern müssen. Aus Sicht des IWF lagen die Zinsen für Spanien und Italien in den vergangenen Monaten etwa zwei Prozentpunkte zu hoch - ökonomisch nicht gerechtfertigt, also nur wegen der Spekulation.

Für zehnjährige spanische Papiere war die Rendite vor Draghis Ankündigung zeitweise über die Schwelle von sieben Prozent gestiegen. Auf ein Niveau, das die Finanzierung eines Staates an den Kapitalmärkten langfristig unmöglich macht. Alleine wegen der Spekulationen über mögliche Anleihenkäufe durch die EZB sanken die Zinsen bereits deutlich.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande sprangen Draghi kurz nach seiner Ankündigung bei. Sie bekannten sich in ähnlichem Wortlaut dazu, "alles zu tun, um die Euro-Zone zu schützen".

Es wäre nicht das erste Mal, dass die EZB eine solche Aktion durchführt: 2010 hatten die Notenbanker bereits vor allem griechische Papiere im Wert von 210 Milliarden Euro aufgekauft. Die Zentralbank hatte das jedoch nach heftiger Kritik - unter anderem durch Weidmann - vorerst wieder eingestellt.

Warum Draghi auch scheitern kann, falls er sich durchsetzt

Die Krise lässt Zentralbanken weltweit ihren Kurs überdenken. Noch vor der Entscheidung der EZB wird die US-Notenbank Fed am Mittwochabend ihren weiteren geldpolitischen Kurs bekanntgeben. Derzeit liegt der Leitzins in den USA zwischen 0,0 und 0,25 Prozent - und damit so niedrig wie nie zuvor. Analysten rechnen damit, dass sich daran zunächst nichts ändern wird, neue Konjunkturmaßnahmen gelten als unwahrscheinlich.

In Europa ist die Erwartungshaltung anders. Viel hängt am Streit zwischen Weidmann und Draghi. Der Bundesbanker versteht die geplanten Maßnahmen durch die EZB als Staatsfinanzierung, die der Zentralbank nach den Europäischen Verträgen verboten ist. Geldpolitik soll unabhängig sein und nicht die Wahlkampfversprechen finanzieren. Darüber hinaus befürchtet er, dass in den betroffenen Ländern der Wille zu dringend benötigten Reformen verloren geht, wenn sie wieder günstiger neue Schulden machen können.

Weidmann betont immer wieder, dass er gerne Abstand zur Politik hält, um sich nicht einspannen zu lassen. "Das politisch Gewünschte und das ökonomisch Sinnvolle haben in der Vergangenheit häufiger nicht übereingestimmt", sagte Weidmann just der Mitarbeiterzeitung der Bundesbank. Wenige Tage vor der entscheidenden EZB-Sitzung liest sich das Interview, als wolle Weidmann seine Position noch einmal besonders deutlich machen. "Egal, ob es um Zinsen geht oder um irgendwelche Sondermaßnahmen - am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass die Notenbank für Ziele der Fiskalpolitik eingespannt werden soll", kritisierte er in dem Interview.

Kann sich Weidmann am Donnerstag durchsetzen? Er hat nur eine Stimme im 23-köpfigen Entscheidungs-Gremium. Er allein wäre leicht zu überstimmen, auch wenn die EZB am liebsten im Konsens entscheidet. Bundesbanker Weidmann pocht dementsprechend darauf, dass seine Stimme besonderes Gewicht hat. Die Bundesbank sei nicht nur eine von 17 Notenbanken, sagte Weidmann in dem hauseigenen Interview. "Wir sind die größte und wichtigste Notenbank im Euro-System und haben auch einen weitergehenden Anspruch als manch andere Notenbank."

Beobachter schauen mit Skepsis auf den Konflikt. Kurzfristig gesehen könne es sich Draghi schon leisten, Weidmann zu ignorieren, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank. "Langfristig hängt die EZB aber von der Unterstützung durch die deutsche Bevölkerung ab - und deren Ansichten werden von der Skepsis der Bundesbank beeinflusst."

Für beide Kontrahenten geht es um viel. Die Erwartungen der Finanzmärkte nach den vielversprechenden Ankündigungen sind enorm. "Draghi hat die Messlatte an den Märkten so hoch gehängt, dass er fast zwangsläufig darunter durchlaufen muss", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank.

Damit das nicht passiert, versuchte die EZB im Vorfeld, die Erwartungen auf große Entscheidungen zu dämpfen. Im Umfeld der Zentralbank hieß es, die Sitzung sei nichts mehr als ein "Gedankenaustausch bei einer Tasse Kaffee". Falls zumindest der Automat funktioniert.

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