EZB-Politik vor Gericht:Die Richter und die Banker

Richtfest EZB in Frankfurt am Main

Baustelle Euro: Blick vom Rohbau des neuen EZB-Towers auf die Frankfurter Skyline.

(Foto: dpa)

Die Europäische Zentralbank will den Euro retten - aber darf sie das auch? Dass sie unbegrenzt Staatsanleihen kaufen will, beschäftigt das Bundesverfassungsgericht. Bundesbank-Präsident Weidmann hält das für verbotene Staatsfinanzierung. EZB-Vertreter Asmussen wird die Politik seines Chefs Draghi in Karlsruhe verteidigen. Fragen und Antworten zur Zukunft des Euro.

Von Simone Boehringer

Der Euro und sein Rettung ist in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen und Verfassungsbeschwerden gewesen. Im Mittelpunkt steht in dieser Woche wieder das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Süddeutsche.de hat die wichtigsten Fragen zum laufenden Verfahren zusammengefasst.

Worum geht es?

Im Fokus steht bei der Anhörung am Dienstag und Mittwoch die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB). Konkret geht es darum, ob das Versprechen Mario Draghis, Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufzukaufen, um klammen Euro-Staaten zu helfen, noch vom geldpolitischen Auftrag der Zentralbank abgedeckt ist. Oder aber ob Draghis Strategie, im sogenannten OMT-Programm umgesetzt (Outright Monetary Transactions), als unerlaubte Staatsfinanzierung zu werten ist.

Wer vertritt welche Position?

Die Deutsche Bundesbank schickt ihren Präsidenten Jens Weidmann zur Anhörung. Er wird darlegen, warum das OMT-Programm aus seiner Sicht nur mit Mühe oder eben gar nicht mehr mit dem Mandat vereinbar ist. Er will, dass die EZB vor allem die Preise stabil hält, während Draghi und seine Unterstützer die Währung retten wollen. Auf diesen feinen Unterschied kommt es an. Denn er entscheidet, ob die Bundesbank als Teil des EZB-Systems die Strategie im europäischen Zentralbank-Rat letztendlich mitträgt oder nicht. Zudem ist sie ein wichtiger Hinweis für die Verfassungsrichter, die sich bislang in Euro-Fragen immer gerne auf die Expertise geladener Fachleute berufen haben.

Die EZB schickt nicht ihren Chef Draghi, sondern das deutsche Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen nach Karlsruhe. Er wird erklären, warum das OMT-Programm durchaus vom Mandat, die Währung stabil zu halten, gedeckt ist. Tatsächlich haben sich die Börsen und auch der Kurs des Euro allein durch das Kaufversprechen Draghis beruhigt. Ob die OMT-Politik mittelfristig negative Auswirkungen auf die Preisstabilität in Euro-Land haben wird, wird sich erst in Zukunft zeigen. Bislang hat die EZB über dieses Programm nämlich keine einzige Anleihe gekauft. Im Rahmen früherer Eingriffe hat die Notenbank allerdings Anleihen klammer Euro-Staaten im Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro übernommen, die Hälfte aus Italien.

Welche Verfassungsbeschwerde liegt der Anhörung zugrunde?

Mehrere Gruppen haben bereits vor zwei Jahren Verfassungsbeschwerde gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eingelegt; darunter der CSU-Politiker Peter Gauweiler, Euro-kritische Professoren um den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider sowie mehr als 35.000 Bürger hinter der Inititative "Mehr Demokratie". Sie waren unter anderem der Meinung, dass dies sehr hohe und unter Umständen sogar unbegrenzte Garantie- und Kreditverpflichtungen für die Bundesrepublik zur Folge hätten. Das Verfassungsgericht hatte ihre Eilanträge im September 2012 bereits abgewiesen, aber im Gegenzug dafür eine uneingeschränkte Unterrichtung des Bundestages verlangt. Zudem musste die Bundesregierung völkerrechtlich verbindlich erklären, dass die Haftungsgrenze Deutschlands aus dem ESM die vorgesehenen 190 Milliarden Euro nicht ohne Billigung des Parlaments erhöht werden darf. Über die Rolle der EZB will das Gericht nun im aktuellen Hauptsacheverfahren gesondert entscheiden.

Was kann das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Für europäisches Recht ist prinzipiell der Europäische Gerichtshof zuständig. Das deutsche Verfassungsgericht kann daher nicht der EZB direkt sagen, was sie zu tun oder zu lassen hat. Allerdings könnten die Richter des Zweiten Senats um Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle der Bundesbank untersagen, sich am OMT-Programm zu beteiligen. Darauf hofft etwa der Freiburger Rechtswissenschaftler Dietrich Murswiek, der für Gauweiler die Beschwerde führt und eine entsprechende Ausweitung des Verfahrens auf die EZB-Politik erreicht hat. Alternativ könnte das Gericht auch der Bundesregierung nahelegen, die EZB wegen der umstrittenen Staatsanleihenkäufe vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.

Welche Konsequenzen hätte ein Veto?

Sollte das Gericht der Argumentation der Bundesbank folgen, müsste die EZB das OMT-Programm ohne Einbeziehung der Deutschen fortsetzen. Der Verlust des größten Gläubigers und Garantiegebers der Euro-Zone dürfte die Glaubwürdigkeit von Draghis Politik beschädigen. Die Bundesbank müsste in letzter Konsequenz sogar aus dem Euro-System ausscheren, meinen Währungsexperten. Die politischen und ökonomischen Folgen eines solchen Szenarios gelten als unabsehbar. Deshalb gilt dieser Ausgang des Verfahrens als unwahrscheinlich, auch wenn es das Traumergebnis vieler Euro-Kritiker wäre.

Welcher Ausgang ist wahrscheinlich?

Bislang hat sich das Bundesverfassungsgericht in europäischen Finanzfragen nicht grundsätzlich gegen die Vorhaben der europäischen Regierungschefs gestellt, aber deren Ideen häufig rechtliche Grenzen gesetzt. So könnte es auch dieses Mal sein. Die Richter würden dann das OMT-Programm weiterlaufen lassen, aber den deutschen Währungshütern auferlegen, mögliche Anleihenkäufe zu begrenzen. Dies wäre eine Entscheidung im Einklang mit der Mehrheit deutscher Verfassungsrechtler. Diese sind überwiegend der Meinung, dass sich die EZB bereits jetzt "am Rande ihres Mandats" bewege. Auf diese Möglichkeit deutet auch ein Gutachten des Göttinger Professors Frank Schorkopf hin, das dieser im Auftrag der EZB erstellt hat. Die Notenbank hatte bereits angekündigt, dass Programm würde sich auf kurzlaufende Anleihen bis zu drei Jahren beschränken. Aus den Krisenländern kämen damit zurzeit nur Titel im Volumen von bis zu 524 Milliarden Euro infrage. Allerdings gilt auch: Anleihenprogramme sind flexibel. Wer langfristig keine Gläubiger mehr findet, versucht kurzfristige Papiere am Markt zu verkaufen. Eine echte Begrenzung oder "Einhegung", wie Notenbanker sagen, ist das nicht.

Wann kommt der Europäische Gerichtshof ins Spiel?

Für den Fall, dass sich die Karlsruher Richter nicht auf eine Linie einigen können, bleibt ihnen auch noch ein Verweis des Verfahrens an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Dieser hätte, anders als das Bundesverfassungsgericht, auch die Möglichkeit, der EZB direkt Staatsanleihenkäufe zu untersagen. Ein solcher Ausgang gilt jedoch gleich aus zweierlei Gründen als unwahrscheinlich. Zum einen würde sich das Bundesverfassungsgericht damit freiwillig in den für Deutschland so wichtigen Euro-Angelegenheiten selbst entmachten. Zum anderen gilt der EuGH als europafreundlich, dürfte also die EZB-Politik im Speziellen wie die Euro-Rettungspolitik im Allgemeinen weniger kritisch beurteilen als Karlsruhe.

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