EZB-Pläne für Negativzinsen:Fatales Signal der Verzweiflung

Der EZB ist die Entspannung an den Finanzmärkten nicht geheuer. Deshalb denken die Banker über einen Negativzins nach. Diese Strategie ist riskant, weil sie unerwünschte Nebenwirkungen haben könnte. Vor allem aber geht es um die Frage, ob eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Tugenden bestraft werden sollte.

Ein Kommentar von Markus Zydra

Bei vielen Politikern in der Euro-Zone erlebt man eine gehörige Portion Selbstgefälligkeit. Sie scheinen davon auszugehen, dass Europa den Morast aus Staatsschuldenkrise und jahrelanger Rezession ohne schlimmste Blessuren durchwatet hat. Nun, so die Überzeugung, gehe es endlich wieder aufwärts. Doch ist die Gefahr wirklich vorbei?

Die Europäische Zentralbank (EZB) gehört zu der wachsenden Minderheit, der die augenblickliche Entspannung an den Finanzmärkten nicht geheuer ist. Deshalb planen einige der 23 Mitglieder im EZB-Rat einen Paradigmenwechsel, der die Grundprinzipien der Marktwirtschaft auf den Kopf stellen würde. Die Rede ist vom Negativzins, der Geldsparen mit einer Strafgebühr sanktioniert. Die EZB wird den Vorschlag bei ihrer Sitzung am Donnerstag erneut diskutieren.

In einer Marktwirtschaft hat alles seinen Preis. Das gilt auch für Geld, die Maßeinheit aller Preise. Die Wirtschaftswissenschaft geht davon aus, dass mit der Höhe des Zinses der Anreiz für Sparer und Banken steigt, das Geld zu verleihen statt es zu horten. Oder andersherum: Je niedriger der Preis für Kredit, desto höher die Nachfrage der Wirtschaft.

Deutschland ist ein Sonderfall

Die EZB hat den Leitzins zuletzt auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. So billig war Geld noch nie in der Geschichte der Währungsunion. Doch dieser Leitzins entfaltet in der Euro-Zone höchst unterschiedliche Wirkungen. In Deutschland werfen Sparguthaben nichts mehr ab, die Inflation macht Sparen sogar zu einem Minusgeschäft. Doch dafür ist die Kreditaufnahme billig: für den Finanzminister wie für Unternehmen und Konsumenten.

Die Deutschen kaufen Häuser auf Pump, die Wirtschaft läuft sehr gut, zumindest wenn man den Rest der Währungsunion als Vergleichsmaßstab nimmt. Doch Deutschland ist ein Sonderfall. Nach wie vor durchzieht die Euro-Zone eine tiefe finanzwirtschaftliche Kluft.

So vergeben die Banken in klammen Mitgliedsstaaten wie Italien und Spanien viel weniger Kredit als erwartet. Die Institute fürchten das Risiko, dass der Schuldner ausfällt, weil das Wirtschaftswachstum stockt und politische Wirtschaftsreformen ausbleiben. Deshalb verlangen Banken einen hohen Zins als Risikopuffer. Das schreckt Unternehmen und Privathaushalte ab, Geld aufzunehmen. Die Wirtschaft kommt nicht in Gang. Ein Teufelskreis. Der EZB-Leitzins von 0,25 Prozent entfaltet dort keine Wirkung. Draghis Männerrunde wirkt machtlos - deshalb die Idee mit dem Strafzins.

Keine guten Erfahrungen in Dänemark

Der Hebel dieser Maßnahme liegt hier: Banken aus den stärkeren Euro-Staaten deponieren überschüssiges Geld über Nacht lieber bei der EZB als bei anderen Instituten. Es geht um insgesamt 44 Milliarden Euro, die bei der EZB gehortet werden. Das Misstrauen gegenüber Banken aus Südeuropa ist immer noch groß. Dabei hat die EZB den Zins für diese Bankeinlagen - nicht zu verwechseln mit dem Leitzins - bereits auf null Prozent abgesenkt. Dieser Einlagezins könnte, so die Idee, bei minus 0,1 Prozent fixiert werden. Banken mit viel Geld bei der EZB sollen so gezwungen werden, die Mittel an klamme Banken im Süden zu verleihen, damit deren Neigung steigt, das Geld in die eigene Wirtschaft zu pumpen.

Diese Strategie ist riskant, denn die dänische Notenbank hat dieses Experiment 2012 gewagt und dabei keine guten Erfahrungen gemacht. Die Institute legten den Strafzins schlicht auf bestehende Geschäfte um. In der Konsequenz sind die Kreditkosten gestiegen, nicht gesunken. In den USA, wo die Notenbank Federal Reserve zuletzt ähnliche Schritte erwogen hatte, drohten Banken umgehend, die Kontogebühren anzuheben.

Die Gefahr, dass die Medizin "Negativzins" unerwünschte Nebenwirkungen haben könnte, ist das eine. Doch eigentlich geht es hier um die grundsätzliche Frage, ob die EZB eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Tugenden - das Sparen - bestrafen sollte. Die Frankfurter Währungshüter würden damit ein fatales Signal der Verzweiflung setzen. Es gibt gute Gründe, dass Europas Banken einander nicht trauen, solange die Bilanzrisiken nicht auf dem Tisch liegen. Die EZB wird die Prüfung der Institute erst 2014 abschließen.

Ein Wirtschaftsaufschwung lässt sich zudem nicht erzwingen. Nach einer Krise braucht es Zeit, bis neues Vertrauen wächst. Es gibt viele Stellschrauben, diesen Vertrauensaufbau zwischen Banken, Unternehmen und Verbrauchern zu flankieren. Der Strafzins gehört nicht dazu.

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